Schriesheim im Bild 2023

24.05.2005

Nahversorgung ist überlebenswichtig für ländlichen Raum

Nach dem drohenden Abzug der Filiale von Drogerie Werner in Altenbach: Ortsvorsteher Burkhardt fordert politisches Umdenken zur Stärkung des Einkaufsangebots im Ort

Von Carsten Blaue

Schriesheim-Altenbach. Drogerie Werner will sich aus Altenbach offensichtlich zurückziehen. Keine gute Nachricht war das für den Ort und sein Einkaufsangebot. Auch Ortsvorsteher Alfred Burkhardt (Foto: Dorn) sieht diese Entwicklung kritisch. Er glaubt, dass es ernste Folgen für die Zukunft des ländlichen Raums als Wohnstandort haben wird, wenn sich die Politik nicht bald um die Stärkung der Nahversorgungssituation kümmert.
Herr Burkhardt, wie bewerten Sie es, dass Drogerie Werner seine Filiale im Ort offenbar schließen will?

Für Altenbach ist das eine ganz traurige Geschichte. Wir haben dann nur noch eine Bäckerei-Filiale und das Lebensmittelgeschäft Pröll. Auch das wird spüren, wenn die Kaufkraft weiter abfließt. Nur für eine Zahnpasta fährt man schließlich nicht nach Schriesheim. Da kauft man dann gleich alles ein. Auch die drei Altenbacher Teilzeitkräfte in der Werner-Filiale tun mir sehr leid.

Aber es gibt nun mal den Trend zum preiswerten Einkauf auf der "grünen Wiese".

Richtig. Und ich kann doch einer jungen Familie nicht verübeln, wenn sie dort einkauft, wo es billiger ist. Umso wichtiger ist es aber, dass ein ähnliches Angebot auch im ländlichen Bereich gemacht wird, das die bestehende Infrastruktur stützt. Gibt es das nicht, werden wir mittelfristig eine Landflucht erleben.

Wie meinen Sie das?

Wenn die Nahversorgung nicht mehr funktioniert, dann kann man Familien nicht mehr halten. Dann wird sich die Konzentration auf die Zentren beschleunigen, und der Weg zu aussterbenden Gemeinden im ländlichen Raum ist nicht mehr weit, was hoffentlich nicht für Altenbach gilt. Warum gibt es denn so etwas, wie das Projekt "Bahnstadt" in Heidelberg? Hier wird Wohnen in attraktiver Lage angeboten. Und zu dieser Attraktivität gehört auch die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten. Damit wir uns richtig verstehen: In Altenbach sind wir gut versorgt, was die Kindergarten- und Schulstruktur angeht. Und auch in Bezug auf das Vereinsleben und die Sportanlagen sind wir gut aufgestellt. Aber das alleine reicht nicht.

Was wäre also die Lösung?

Es muss Einkaufsmöglichkeiten geben, die die Erwartungen des Standards erfüllen, aber in der Größenordnung maßvoll an die Gegebenheiten vor Ort angepasst sind. Dafür muss ein politisches Umdenken einsetzen. Die Politik kann keine Einkaufsmöglichkeiten schaffen, aber die Voraussetzungen dafür verbessern. Auf eine homogene Entwicklung quasi wie von selbst kann man nämlich nicht mehr bauen. Sie wird durch die Ballungsräume auf den Kopf gestellt. Sie dürfen nicht vergessen, dass schon die Städte um jeden einzelnen Einwohner hart kämpfen.

Wie sieht's eigentlich mit der Einwohnerzahl in Altenbach aus?

Sie stagniert bei etwa 2200. Wir hätten die Chance für 2700.

Deren Erfüllung auch durch die Nahversorgung mitentschieden wird?

Eben. In Altenbach hätte ein gut sortierter, kleiner Markt eine Überlebenschance. Dafür muss aber alles stimmen: Standort, Sortiment, Parkmöglichkeiten. Und für den Anbieter der Umsatz und so auch der Preis für den Kunden. So eine Art "Neukauf im ländlichen Format". Das bleibt eine Aufgabe, die in Altenbach erfüllt werden muss. In anderen Gemeinden funktioniert das doch auch!

In Oberflockenbach etwa. Aber was würden wohl die Prölls zur neuen Konkurrenz sagen?

Ich glaube nicht, dass es sich ausschließt, das Neue zu wollen und dabei das Bestehende zu bewahren. Ich denke, dass Lebensmittel Pröll durch eine Stärkung der Nahversorgung am Ort auch profitieren würde. Und abgesehen davon: Auch die Prölls könnten einen größeren Markt managen. Aber das alles regelt sich im ländlichen Raum eben nicht mehr von alleine und auf sozial verträgliche Art und Weise. Auch auf die freie Marktwirtschaft zu verweisen, hilft hier nicht weiter.

Sondern?

Folgendes gilt nicht nur für Altenbach: Die Politik muss Verantwortung zeigen und den Handel auf dem Land stärker fördern.

Wie soll das gehen? Durch Subventionen?

Die Verpflichtung der Gemeinden zur Standortsicherung und Daseinsvorsorge im ländlichen Bereich könnte auch anders erfüllt werden. Zum Beispiel durch eine andere Veranlagung bei der Einkommenssteuer für Märkte in Orten bis zu einer Größe von 3000 Einwohnern. Das wäre legitim. Denn die Nahversorgung hat auch eine soziale Funktion. Nehmen Sie die Senioren als Beispiel. Viele ältere Altenbacher gehen täglich zum Pröll einkaufen. Für sie ist dieser Gang ein Teil des Tagewerks. Auf dem Weg treffen sie Mitbürger, kommen ins Gespräch. Das ist ein Teil des Sozialgefüges im Ort. Und das zu bewahren, ist einige Anstrengungen wert.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung