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27.05.2005

Der Zypernkonflikt - Folge einer imperialen Intrige

Der Mannheimer Professor und Buchautor Heinz Richter zu Gast bei bei "SPD im Gespräch" in Schriesheim

Von Stefan Zeeh

Schriesheim. Zypern - der Sage nach, die Insel der Aphrodite, die als Göttin der Liebe und Schönheit gilt. Politisch stellt sich die Mittelmeerinsel aber ganz anders dar, denn seit 1974 ist die Insel in ein griechisch-zyprisches und ein türkisch-zyprisches Gebiet geteilt. Wie es zu dieser Teilung kam und was für Auswirkungen der griechisch-türkische Konflikt unter anderem auf die Europäische Union hat, stellte der Mannheimer Professor und Buchautor zum Thema Zypern Heinz Richter in der Reihe "SPD im Gespräch" vor.

"Der Zypernkonflikt ist eine Folge von kolonialen und imperialen Intrigen der letzten Jahrhunderte", bringt der Historiker die geschichtliche Entwicklung auf den Punkt. Kein Wunder, denn in den letzten Jahrhunderten stand Zypern unter wechselnder Verwaltung. So verpachtet 1878 nach dem russisch-türkischen Krieg das Osmanische Reich Zypern an Großbritannien. Im Ersten Weltkrieg annektiert Großbritannien schließlich die Insel und sie wird britische Kronkolonie. Neben einigen positiven Auswirkungen der britischen Kolonialzeit, wie etwa einer heute noch funktionierenden Verwaltung, handelt die britische Kolonialpolitik aber nach dem Motto "Divide and Rule" (teile und herrsche).

So kommt es der Kolonialmacht durchaus gelegen, dass die Lehrerausbildung für die griechisch-sprachigen Zyprioten in Athen stattfand, die der türkisch-sprachigen dagegen in Istanbul. Was die Lehrer von dort aber auch mitbringen ist das griechisch-türkische Feindbild.

Vom Zweiten Weltkrieg ist Zypern nicht direkt betroffen. Trotzdem kämpfen 35000 griechische Zyprioten an der Seite der Briten. Sie hoffen nämlich, dass die Briten nach dem Krieg die so genannte "Enosis" herstellen, den Anschluss Zyperns an Griechenland. An der Seite der Briten kämpft damals auch Georgios Grivas, der der rechts stehenden Freiheitsbewegung EOKA angehört. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es diese EOKA, unter Führung von eben Georgios Grivas, die in dem 1955 beginnenden Guerillakrieg mit den Kommunisten, den Türken und den Briten abrechnet.

"Die Briten wollten alle gegeneinander ausspielen", fasst Heinz Richter die Reaktionen der britischen Kolonialmacht zusammen. So ermuntern sie beispielsweise Ankara Anti-Guerillatruppen aufzustellen. Doch 1959 reicht es den Briten und 1960 wird Zypern in die Unabhängigkeit entlassen, wobei den Zyprioten aber eine Verfassung aufgedrückt wird, die in der Bevölkerung keine Akzeptanz findet.

Nachdem Staatspräsident Makarios 1962 zahlreiche Änderungen in der Verfassung zugunsten der griechischen Bevölkerungsschicht vorschlägt, kommt es zum Bürgerkrieg. Dabei werden vor allem wieder die rechts stehenden Untergrundbewegungen beider Seiten aktiv. Auf griechischer Seite tritt dabei Nikos Sampson in Erscheinung. Als Killer, der auf die Türken los ging, beschreibt ihn Heinz Richter. Aber auch in der Türkei zeigt der Bürgerkrieg seine Auswirkungen. So gibt es in Istanbul Progrome gegen die dort wohnenden 100000 Griechen. "Heute leben noch etwa 1600 Griechen in Istanbul", stellt Heinz Richter die Auswirkungen des damaligen Konfliktes dar.

In der Folge des Bürgerkrieges mischen sich nun zunehmend die USA und die Sowjetunion in den Zypernkonflikt ein. Zusätzlich wird von griechischer Seite unter Ministerpräsident Andreas Papandreou die Unabhängigkeit Zyperns nicht gerne gesehen. Dies wird von den USA insofern unterstützt, dass sie Pläne für einen Putsch gegen Makarios machen. In der Folge kommt es zu etwa fünf bis sechs Mordanschlägen auf den Präsidenten Zyperns. Dies verschärft sich, als in Griechenland 1967 die Militärjunta an die Macht kommt. Beim Putsch von 1974 entkommt aber Makarios und ausgerechnet Nikos Sampson wird neuer Präsident. Dadurch ist Ankara provoziert und schickt seine Truppen nach Zypern, die dann auch etwa 40 Prozent der Insel besetzen.

Dieser Zustand ist auch heute noch akut, obwohl seit 2004 Zypern der EU angehört. Jedoch haben die griechischen Zyprioten einer Wiedervereinigung nicht zugestimmt. In dieser Situation spielt der mögliche EU-Beitritt der Türkei eine besondere Rolle. "In der Türkei begreift man, dass der Eintritt in die EU auch über Zypern geht", erklärt Heinz Richter. Und deshalb fordert er, der Türkei im kommenden Herbst eine Perspektive zum Beitritt zu bieten. Doch müsste die Türkei bestimmte Bedingungen, wie beispielsweise die Lösung des Ägäis-Konfliktes, abarbeiten. "Doch dies dauert wahrscheinlich lange, vielleicht 25 Jahre", schätzt Heinz Richter.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung