Schriesheim im Bild 2023

12.08.2005

„Wir haben zu einer Rebflurbereinigung unter ökologischen Kriterien nie nein ges

RNZ-Sommerinterview: Der Fraktionssprecher der Grünen Liste, Christian Wolf, begrüßt das Konzept des Amtes für Flurneuordnung – Lobende Worte für Bürgermeister Peter Riehl

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Die Grüne Liste errang bei der Kommunalwahl 2004 sieben Sitze im neuen Schriesheimer Gemeinderat. Fraktionschef Christian Wolf meint, dass sich die neue Stärke schon in der Arbeit des Gremiums bemerkbar macht: „Es gibt Beispiele, die zeigen, dass in manchen Überlegungen andere Richtungen eingeschlagen werden als früher“. Im RNZ-Sommerinterview äußert sich Wolf außerdem auch zu den Themen Branichtunnel, Rebflurbereinigung, Strahlenberger Schulpavillon – und zum Bürgermeister-Wahlkampf.
Herr Wolf, welche Bilanz ziehen Sie nach dem ersten Jahr der neuen Stärke der Grünen im Gemeinderat?

Die anderen Fraktionen wussten ja zunächst nicht so genau, wie sie mit unserer neuen Stärke umgehen sollten, sie waren verunsichert. Aber wir sind auf einem guten Weg. Es gibt Beispiele, die zeigen, dass in manchen Überlegungen andere Richtungen eingeschlagen werden als früher. Das hat man etwa beim Verkehrskonzept gesehen. Hier wurden Weichen gestellt, die unseren Vorstellungen näher kommen. Aber das ist ein langsamer Prozess.
Stichwort Jugendarbeit: Welches Modell bevorzugen Sie. Die Einstellung eines Jugendsozialarbeiters oder das Vereins-Modell?

Der Jugendgemeinderat, der Push-Verein und das Juts haben ja eigene Vorstellungen entwickelt. Und denen stehen wir positiv gegenüber. Die Jugendlichen halten einen städtischen Jugendsozialarbeiter für sinnvoller. Die persönliche Bindung an die Jugend wäre bei diesem Modell größer. Da hat das Vereins-Modell Defizite, weil die Arbeit von mehreren Personen erledigt werden soll. Wir nehmen die Jugendlichen in dieser Frage sehr ernst, können ihre Positionen nachvollziehen und haben durchaus Sympathien dafür.
Noch eine Personalie: Die Nachfolge für Archivarin Ursula Abele. Da kursieren ja so einige Denkmodelle. Was halten Sie davon?

Frau Abele hat eine hervorragende Arbeit gemacht und es ist bedauerlich, dass sie aufhören möchte. Über die Frage der Nachfolge haben wir uns allerdings noch keine Gedanken gemacht, und eigentlich ist das jetzt auch gar kein Thema. Das muss die Sache des neuen Bürgermeisters sein. Er hat in Personalfragen sozusagen das Vorschlagsrecht. Insofern ist das erst in zweiter Linie eine Entscheidung des Gemeinderats.
In der letzten Sitzung vor der Sommerpause wurde auch der neue Generalentwässerungsplan vorgestellt. Bürgermeister Peter Riehl meinte, die Stadt brauche für zehn Jahre jährlich etwa eine Million Euro, um die nötigsten Arbeiten in der Kanalisation zu erledigen. Würden Sie das mittragen?

Wie alles, stehen diese Investitionen unter Finanzierungsvorbehalt. Wir wissen alle, wie schwer es zu vermitteln ist, wenn für etwas Geld ausgegeben werden soll, das man danach nicht sieht. Wünschenswert wären die Sanierungen aber. Auch die Wasserverluste im Leitungsnetz sind für uns immer ein wichtiges Thema gewesen, aus ökologischen wie aus finanziellen Gesichtspunkten. Hier wurden schon einige Verbesserungen erreicht.
Wie bewerten Sie die konkreten Vorschläge der Verkehrsuntersuchung zur künftigen Verkehrsführung in Schriesheim? Sind die Ansätze realistisch?

Hier möchte ich den Beratungen im Gemeinderat ungern vorgreifen. Wir werden uns damit noch mal ganz intensiv beschäftigen und prüfen, was im Konsens des Gemeinderates verbessert werden kann. Das Konzept zu erstellen war sinnvoll. Es verfolgt Ideen, über die man sprechen muss. Einiges wird man Schritt für Schritt umsetzen können.
Viele Maßnahmen würden aber den Bau des Branichtunnels voraussetzen, den die Grüne Liste ja nicht gerade befürwortet.

Wir haben immer gesagt: Der Branichtunnel zieht zusätzlichen Verkehr an und löst die Probleme in der Talstraße nur teilweise. Diese beiden Tatsachen stimmen heute immer noch. Und die Verkehrsuntersuchung bestätigt, dass das Verkehrsaufkommen nach dem Bau des Tunnels insgesamt um ein Drittel steigen wird. Von 14000 auf knapp 20000 Fahrzeuge pro Tag – und da ist die Talstraße mit einbezogen. Da entstehen natürlich auch zusätzliche Probleme in Altenbach. Trotzdem sehen wir die grundsätzliche Notwendigkeit des Branichtunnels. Es gibt keine bessere Lösung. Wir müssen für die Anwohner der Talstraße etwas tun. Durch den Tunnel wird es dort eine Entlastung geben, aber das muss mit begleitenden Maßnahmen flankiert werden, die man jetzt schon machen könnte – und die auch unabhängig sind vom Tunnel-Bau, der ja ohnehin auf finanziell wackeligen Füßen steht.
Bürgermeister Riehl hat sich beim Thema Rebflurbereinigung etwas darüber aufgeregt, dass die Grüne Liste den üppigen Biotop-Anteil in der Planung als ein Verdienst ihres Engagements ausgelegt hat.

Die Tatsachen sprechen für uns. Anfangs war von einer Grundplanie, einer völligen Veränderung des gesamten Geländes die Rede. Diese Idee kam aber zum Glück so nicht zum Tragen. Und das, weil die kritischen Grundstücksbesitzer und wir mit unserer konstruktiven Kritik einiges bewirkt haben. Wir haben zu einer Rebflurbereinigung unter ökologischen Kriterien nie nein gesagt. Das Konzept des Amtes für Flurneuordnung ist in der ökologischen und ökonomischen Abwägung sehr viel besser geworden. Es wird im Gegensatz zu den ersten Überlegungen den Charakter der Landschaft erhalten und zusätzlich Geld einsparen. Und es wird eine Aufwertung der ökologischen Flächen geben – auch wenn den strammen Befürwortern der Mund offen stehen blieb, als sie hörten, dass 30 Prozent der Flächen Biotope werden.

„Der Bürgermeister-Wahlkampf wird von den Kandidaten gemacht, nicht von den Gemeinderatsfraktionen“
Stichwort Strahlenberger Schulpavillon: Bleiben Sie bei ihrem Nein zum Abriss?

Schriesheim hat einen guten Ruf als Schulstandort. Aber die Stadt muss in Zukunft etwas dafür tun, damit der gute Ruf erhalten bleibt. In den Grundschulen reicht es nicht mehr aus, jeder Klasse einen Klassenraum zur Verfügung zu stellen. Man braucht auch Räume für andere Angebote, zum Beispiel Arbeitsgemeinschaften. Wenn der Pavillon weg ist, dann hat die Strahlenberger Grundschule diesbezüglich ein Problem. Für die Entwicklung der Schule habe ich in diesem Falle Bedenken. Die Schule braucht die weiteren Räume.
Aber der Pavillon ist für schulische Zwecke entwidmet.

Man könnte hier durchaus etwa AGs anbieten, die nicht unmittelbar mit dem Schulbetrieb zu tun haben aber zu einer modernen Grundschule gehören. Die Möglichkeit für ein weitergehendes Angebot muss einfach da sein. Das erhöht die nötige Attraktivität. Viele Familien erkundigen sich schließlich vor dem Zuzug über die Schulstruktur. Wir stehen zum Erhalt des Pavillons.
Die Grüne Liste hat ihren Frieden gemacht mit der Rebflurbereinigung und mit dem Branichtunnel: Wo bleiben denn da noch Themen für den Bürgermeisterwahlkampf von Hansjörg Höfer?

Also zunächst mal mag ich die Formulierung „Frieden gemacht“ nicht. Das entspricht nicht ganz den Tatsachen, denn wir haben uns bei den großen kontroversen Themen immer für bessere Lösungen eingesetzt. Was die Bürgermeisterwahl betrifft: Hansjörg Höfer will und muss Kandidat für alle Schriesheimer sein, deshalb wollte er auch nicht von der Grünen Liste aufgestellt oder nominiert werden. Er ist Kandidat als Einzelperson. Und der Bürgermeister-Wahlkampf wird von den Kandidaten gemacht, nicht von den Gemeinderatsfraktionen. Wir freuen uns natürlich, dass er kandidiert, und werden ihn unterstützen, wo er es möchte.
Machen Sie sich eigentlich schon Gedanken über Einsparmöglichkeiten im Haushalt 2006?

Die Spardiskussion sollten wir verschieben. Wir wissen ja noch nicht, inwiefern sich die Rahmenbedingungen verändern werden. Was wird aus der Gewerbesteuer? Verändert sich die Kreisumlage noch mal? Wir wissen nicht was kommt. Man muss auch aufpassen, dass man sich nicht gegenseitig im Jammern über die Haushaltslage überbietet und alles noch schlechter redet als es ist. Es gibt viele Städte und Gemeinden, die schlechter aufgestellt sind als Schriesheim. Wir haben schon oft Jahre gehabt, in denen es sehr früh Riesendiskussionen über Einsparungen in geringer Höhe gab, beispielsweise Planungsraten für das Jugendhaus oder den Ortsmittelpunkt von Altenbach. Da wurde bis aufs Herzblut gekämpft – und dann stieg die Gewerbesteuer um 500 000 Euro. Da fragt man sich schon, warum man sich wegen vergleichsweise kleiner Beträge so zerstritten hatte.
Wie bewerten Sie die Öko-Bilanz, die die KliBA kürzlich vorgelegt hat? Ist da nicht etwas wenig passiert in den vergangenen zwei, drei Jahren?

Wir müssen eindeutig das Potenzial, das die KliBA uns bietet, stärker nutzen. Energieeinsparung rechnet sich und ist ökologisch sinnvoll. Es gibt also durchaus noch Aufgaben für die Zeit nach Riehl.
Sie waren sich mit Bürgermeister Riehl nicht immer einig, um es mal vorsichtig auszudrücken. Mit welchen Gedanken begleiten Sie seinen Abschied?

Ich erkenne seine Lebensleistung voll und ganz an. Er hat sich immer für Schriesheim engagiert. Er hat für Schriesheim mehr getan, als manch anderer Bürgermeister für seine Stadt. Aber wir waren inhaltlich nicht immer auf einer Linie. Ich denke allerdings auch, dass es nach 32 Jahren für die Entwicklung unserer Stadt sinnvoll ist, wenn ein Neuer auf den Chefsessel im Rathaus kommt. Jemand mit neuen Ideen und einem neuen Engagement. Ich hoffe, dass Herr Riehl dem neuen Bürgermeister mit Rat und seiner Erfahrung noch eine Weile zur Seite stehen wird.
Und dieser Bürgermeister sollte dann am besten Hansjörg Höfer sein?

Ja, bei ihm wäre Schriesheim in guten Händen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung