Schriesheim im Bild 2023

16.09.2005

„Ich werde Abstand nehmen von der Kommunalpolitik“

RNZ-Sommerinterview: Bürgermeister Peter Riehl über die Rebflurbereinigung, den Branichtunnel, den Schulstandort, den Haushalt – und die Zeit nach der Pensionierung

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Es ist das letzte Sommerinterview mit Peter Riehl als Bürgermeister. Aber bevor man sich mit ihm den Gedanken an „die Zeit danach“ hingeben kann, müssen noch ein paar Sachthemen besprochen werden. Auch unangenehme. Etwa die Finanzierungsfrage des Branichtunnels – oder die vehemente Kritik der Gegner der Rebflurbereinigung, die auch gegen Riehl persönlich gerichtet ist.
Herr Riehl, lassen Sie uns zu Beginn über die Rebflurbereinigung sprechen. Die Gegner werfen Ihnen vor, Sie würden sich zu sehr in ein Verfahren einmischen, das eigentlich nur die Neuordnungs-Behörde und die Grundstückseigentümer etwas angehe.

Zunächst möchte ich Folgendes sagen: Die Auskünfte des Amts für Flurneuordnung waren verwirrend. Es ist ganz klar die Absicht, alle Grundstücksbesitzer an der Rebflurbereinigung teilnehmen zu lassen. Das ist nötig, um die Unkosten für die einzelnen Beteiligten nicht in die Höhe zu treiben. Erst später, wenn die Planung ganz fertig ist, wird überhaupt entschieden, welcher Weinberg planiert wird. Das muss aber für das ganze Gebiet gelten! Alles andere wäre ja Blödsinn! Und nun zu dem Vorwurf. Die Stadt wird als Trägerin öffentlicher Belange gehört. Dass das einige falsch lesen wollen, ist ja verständlich. Aber wenn ich mich als Bürgermeister in einer so wichtigen Frage nicht klar äußern würde, und wenn ich nicht ganz klar die Belange der Stadt vertreten würde, dann hätte ich in meinem Amt nichts verloren. Man kann sich in so einer Frage eigentlich nur zu wenig reinhängen, niemals zu viel.
Die Kritiker sagen auch, Sie würden zu leichtfertig mit anderer Leute Geld, sprich: Steuergeld und den Eigenbeiträgen der Grundstückseigentümer in der Rebflurbereinigung, umgehen.

Also das weise ich entschieden zurück! Wenn ich mich nicht so eingesetzt hätte, dann hätten wir die Finanzierung so nicht hinbekommen. Dass 70 Prozent Zuschuss vom Land und nahezu 20 Prozent von der Stadt übernommen werden, ist meinem intensiven Bemühen zu verdanken.
Trifft Sie diese Kritik eigentlich?

Nein, das trifft mich nicht. Weil ich merke, dass den Gegnern die Argumente ausgehen. Und das will ich auch mal sagen: Ich war schon früher im Weinberg als zum Beispiel ein Andreas Kirchner. Erst als ich Bürgermeister wurde, habe ich aus Zeitgründen die Arbeit im Weinberg aufgegeben.
Anderes Thema: die Jugendsozialarbeit. Wie geht‘s weiter?

Wir werden im Ausschuss noch dieses Jahr die Arbeiten beenden und Vorschläge unterbreiten. Dazu gehört die Frage, wie Push-Verein und JuTS auf dem Push-Gelände zusammengeführt werden können. Dazu gehört die Personal-Frage, ob das Modell städtischer Angestellter oder das Vereins-Konzept zum Zuge kommen soll. Und natürlich werden wir prüfen, welche weiteren Investitionen nötig sind. Wir werden die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Varianten aufzeigen. Dabei haben wir durchaus etwas Zeit. Auch in diese Entscheidungen muss der neue Bürgermeister integriert werden. In der Frage, wer das Archiv übernimmt, müssen wir schneller sein.
Wieso?

Weil das Archiv eine Pflichtaufgabe ist. Wenn wir also in den Personalfragen schnelle Entscheidungen brauchen, dann erstmal in Bezug auf das Archiv.
Was halten Sie von den kursierenden Namen?

Das waren ungeprüfte und verfrühte Schnellschüsse.
Ärgert es Sie, dass sich das Land in Sachen Branichtunnel so zögerlich verhält?

Bis jetzt noch nicht. In den nächsten Tagen wird es ein Gespräch geben mit dem Ministerpräsidenten, dem Verkehrs- und dem Finanzminister. Wir haben hier eine Chance auf eine definitive Antwort. Wenn das Gespräch keine Früchte trägt, dann weiß ich auch nicht, wie es mit der Finanzierung weitergeht. Klar ist aber, dass ich keine weiteren Ausflüchte akzeptieren werde. Ich kenne die Wege eines solchen Verfahrens. Und ich weiß, dass so ein Projekt nicht aus den normalen Töpfen finanzierbar ist. Aber über den Landeshaushalt 2008/09 wäre eine Gesamtfinanzierung zumindest planbar und möglich – zumal die Bauzeit mindestens vier Jahre beträgt. Ich muss auch sagen, dass wir 25 Jahre lang den Ärger der Bürger abgefangen haben. Wir haben alles mitgemacht. Irgendwann ist eben jede Geduld am Ende.
Herr Schlüter hat moniert, dass das Verkehrsgutachten eigentlich nichts Neues gebracht habe. Wie schätzen Sie die Ergebnisse ein?

Das Verkehrsgutachten ist eine klare, gute Arbeit, die den Stand der Dinge wiedergibt und den Branichtunnel als Voraussetzung für weitere Maßnahmen nennt. Die Westumgehung ist ein Wunschtraum. Das Gutachten stellt zudem wichtige Einzelmaßnahmen dar.
Sie sagen es selbst: Die Westumgehung ist ein Wunschtraum. Viele der Vorschläge des Gutachtens dürften auf absehbare Zeit nicht finanzierbar sein.

Das stimmt. Priorität hat für uns aber sowieso der Branichtunnel. Dennoch wurden die einzelnen Vorschläge vor Ort geprüft. Und da muss man einräumen, dass der zweite Anschluss der B 3 an das Gewerbegebiet eben nur dem Gewerbegebiet dienen würde. Entlastung für die Straßen der Innenstadt würde diese Zufahrt nicht bringen. Auch die Heidelberger Straße als Fußgängerzone ist so nicht umsetzbar. Die Verhältnisse hier sind zu eng. Eine Fußgängerzone wäre hier einfach nicht attraktiv und auch verkehrstechnisch nicht machbar.
Es ist immer wieder die Rede davon, dass der Schulstandort Schriesheim aufpassen muss, seinen hohen Standard zu halten. Wurden hier Entwicklungen verschlafen?

Sicher nicht! In Bezug auf das Gymnasium haben wir eine Alternative zur Ganztagesschule entwickelt. Gerade das Gymnasium steht doch in einer enormen Konkurrenzsituation. Die Privatschulen sind immer gefragter. Zudem ist es leicht, von Schriesheim aus die Gymnasien in der Nachbarschaft zu erreichen. Wir werden das Gymnasium sanieren, und das ist dringend nötig. Es wird als dreizügige Schule eine gute Zukunft haben. Haupt- und Realschule sind gut aufgestellt und ausgestattet. In der Realschule werden die Verhältnisse nach der Erweiterung ideal sein.
Wird es nächstes Jahr den Abriss des Strahlenberger Schulpavillons geben?

Das Thema ist erledigt. Wir werden die Maßnahme in den Haushalt 2006 einstellen und zusätzlich eine Rate für die Schulhofplanung.
Wann wird der Haushalt verabschiedet?

Es ist geplant, dass der Haushalt für das kommende Jahr im Dezember eingebracht und im Januar verabschiedet wird. Es wird ein Zahlenwerk ohne große Zukunftswünsche, mit dem der neue Bürgermeister aber reibungslos weiterarbeiten kann. Wir werden zudem den Mathaisemarkt vorbereiten – mit dem nötigen Gestaltungsspielraum für meinen Nachfolger. Und auch die Prüfung der Gemeindeprüfungsanstalt wird abgeschlossen sein.
Wie sah es denn aus?

Das Prüfungsergebnis der Bauverwaltung ist hervorragend. Die Personalverwaltung blieb ohne jeden Verstoß. Ab 19. September wird jetzt noch die übrige Verwaltung geprüft. Ende des Jahres gibt es die Abschlussbesprechung mit der GPA. Dann sind wir geprüft bis zum Jahre 2004.
Welche Herausforderung wird die größte sein für den neuen Bürgermeister?

Dass die Bürger bei noch mehr Verzicht trotzdem zufrieden bleiben. Die Spielräume sind hier nicht mehr groß.
Herr Riehl, wie werden Sie sich nach der Pensionierung der Droge Bürgermeister entziehen?

Ich werde nicht abhauen. Ich muss also auf jeden Fall daran arbeiten, mich herauszuhalten. Alles andere wäre falsch. Ich werde Abstand nehmen von der Kommunalpolitik. Das ist unweigerlich nötig. Ich werde auch keine Gemeinderatssitzungen besuchen. Ich werde nur noch ins Rathaus gehen, um gutes Wetter zu wünschen.
Sie werden jetzt manchmal schon fast zum Kult-Bürgermeister stilisiert. Stört Sie das?

Nein. Wer nach 32 Jahren in dieser Position nicht zur regionalen Persönlichkeit geworden ist, der ist selber Schuld. Dabei muss aber immer klar sein, dass der Typ nur die eine Seite ist. Die andere ist der Verwaltungsfachmann. Und die Botschaft ist einfach: Der Blödsinn hört auf, wenn man was schafft!
Welchen Tipp sollte Ihr Nachfolger verinnerlichen?

Dass er reinhören muss, wie das Schriesheimer Herz schlägt. Dabei darf er sich aber nicht verbiegen. Es wird seine Aufgabe sein, einen ganz eigenen Weg zu finden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung