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05.12.2005

„Der Wein ist ein Sorgenbrecher“

Madonnenberg-Konvent lockte am Freitag viel Prominenz in den Zehntkeller – Erwin Teufel hielt eine launige Rede – Werner Volk war der „Retter des Madonnenbergs“
Laudator Heinrich Haasis (l.) , der Karlsruher Landrat Claus Kretz, dessen Kollege Jürgen Schütz und Bürgermeister Peter Riehl überreichten Erwin Teufel die Ehrenpatenschaftsurkunde.Fotos: Dorn
Von Carsten Blaue

Schriesheim. „Das können Sie ruhig schreiben: So entspannt habe ich den Erwin Teufel in seinen 14 Jahren als Ministerpräsident nie erlebt“. Finanzminister Gerhard Stratthaus muss es wissen. Er kennt den neuen Ehrenpaten des Madonnenberg-Vereins und ehemaligen Ministerpräsidenten in unserem „Ländle“ ja sehr gut. Stratthaus übrigens wurde vom Karlsruher Landrat und Vorsitzenden des Vereins, Claus Kretz, als ehemaliger Oberbürgermeister Schwetzingens angesprochen, „weil ich nicht weiß, ob es heute eine Freude ist, als Finanzminister begrüßt zu werden.“ Die Laune beim traditionellen Madonnenberg-Konvent im Zehntkeller war bestens – und die Liste der politischen und behördlichen Prominenz lang.

Neben dem zu kürenden Teufel hieß Kretz allein sieben Ehrenpaten des Vereins „Historischer Weinbau Madonnenberg“ durchaus launig willkommen: Neben Stratthaus die ehemaligen Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle und Karl Miltner, den „Elder Statesman der Außenpolitik“, Klaus Kinkel. Dann „diesen Professor aus Heidelberg“, Paul Kirchhof. Inzwischen kann ein voll besetzter Zehntkeller über diese Anrede aus Wahlkampfzeiten lachen. „Wenn andere in Berlin nur so viel Format hätten!“, so Kretz. Das Lob tat dem ehemaligen Verfassungsrichter sicher gut. „Kirchhof hat man übel mitgespielt“, reflektierte Kinkel später im Gespräch die Geschehnisse im Bundestagswahlkampf.

Kretz begrüßte zudem den Ehrenvorsitzenden Emil Meixner und den Laudator des Abends und designierten Präsidenten des deutschen Sparkassen-Verbandes, Heinrich Haasis, der kurzfristig für den Ehrenpaten des vergangenen Jahres, Willi Stächele, einsprang. Den Kanzleramtsminister a. D. und Ex-Geheimdienstkoordinator, Bernd Schmidbauer, hätte Kretz fast vergessen. „Man kann sich in dieser Begrüßung ja fast verlieren“, entschuldigte sich Kretz. Schmidbauer nahm es locker.

„Es war wieder ein sehr ertragreicher Herbst“, bilanzierte Kretz in seinem Bericht zur Lage des Madonnenbergs. Vom eigentlich fest angesetzten Lese-Termin habe man dieses Jahr abweichen müssen. Schnelle Fäulnis „drohte die Trauben in die Knie zu zwingen“. Aber zum Glück rückte Landwirt Werner Volk aus Hirschberg mit seiner Mannschaft an „und rettete den Madonnenberg“. Ein besseres Entree als neuer Pate hätte sich Volk nicht verschaffen können, meinte Kretz, der auch die Pflege des Madonnenbergs durch Heinrich Rufer hervorhob. Neben Volk wurde an diesem Abend übrigens auch Dr. Andreas Schneider-Neureither, Vorstandschef der Heidelberger SNP AG, neuer Pate im Madonnenberg-Verein. Paten müssen übrigens im Unterschied zu den prominenten Ehrenpaten den einmaligen Patenschafts-Beitrag entrichten.

Kretz wies darauf hin, dass der Konvent der letzte sei im aktiven Dienst von Bürgermeister Peter Riehl. Dieser sei der „spiritus rector“ des Vereins, so Kretz. Er würdigte Riehl als „bürgermeisterliches Urgestein“: „Stadt und Kreis verdanken Dir viel.“

Nach einem Gruß der Weinprinzessinnen – Königin Stefanie, meinte Riehl, brauche mal drei Tage Urlaub vom FH-Stress in Kehl – trat Laudator Haasis ans Mikrofon. Ihn verbindet eine Freundschaft mit Teufel über die gemeinsamen politischen Erfahrungen hinaus. Der neue Madonnenberg-Ehrenpate stehe auf einem festen Werte-Fundament von Gottvertrauen und Heimatliebe und habe nie auf hohe Popularitäts-Werte abgezielt, sie aber durch seine Integrationskraft und Offenheit bekommen. Beim Wein, so Haasis, sei es wie mit der Politik: „Man weiß immer erst hinterher, welche Flasche man gewählt hat.“ Ins Gelächter hinein schob er aber nach: „Das gilt nicht für Erwin Teufel. Er ist noch heute Politiker aus Leidenschaft.“ Für ihn sei Führen gleichbedeutend mit Dienen gewesen. Noch dazu sei Teufel durchaus ein geselliger Genießer – „was auch den Badenern entgegen kommt“, so Haasis.

Apropos Genuss: Als Vorsitzender des Kuratoriums des Madonnenberg-Vereins genoss es Landrat Jürgen Schütz in vollen Zügen, endlich auch mal Erwin Teufel eine Urkunde überreichen zu können. Der Landrat des Rhein-Neckar-Kreises klärte Teufel über dessen Rechte und Pflichten im Madonnenberg-Verein auf und begrüßte ihn im Kreise der Ehrenpaten.

Teufel widmete sich in seiner Rede zunächst Bürgermeister Riehl. Die Bürgermeister-Verfassung im Lande habe schon immer kraftvolle Persönlichkeiten angezogen, und wenn ein Bürgermeister immer wieder gewählt werde, so wie Riehl, „dann kommt eine Gemeinde voran“. Teufel zeigte sich beeindruckt, dass Riehl in Sachen Madonnenberg-Verein sogar „Landräte für sich arbeiten lässt und vor seinen Karren spannt.“

Der neue Madonnenberg-Pate gab zu, dass es ihm nicht „an der Wiege gesungen“ worden sei, ein Weinkenner zu werden. Und auch diese Rede falle ihm nicht leicht, gab sich Teufel weiterhin launig. Als Ministerpräsident habe er die Reden einfach immer nur ablesen müssen: „Jetzt muss ich im hohen Alter noch das Denken anfangen und selbst Reden entwerfen.“

In der Bibel und in der Philosophie habe er nach Sprüchen über den Wein gesucht, so der jetzige Student der jesuitischen Hochschule für Philosophie in München. Er wurde fündig und entdeckte, wie hilfreich der Wein gerade in der aktuellen Situation sei: Wein vermittle Menschenkenntnis und Lebensfreude. Er halte nichts geheim, sorge also für Offenheit. Im Wein sei Wahrheit, und der Wein sei ein Sorgenbrecher, meinte Teufel, der sich abschließend für Haasis‘ „Freundschaftsdienst“ und die Aufnahme in „diese ehrenwerten Gesellschaft“ bedankte.

Eine Gesellschaft, die auch Kinkel vor fünf Jahren bestens gefallen hat. Der Ehrenpate des Jahres 2000 erinnert sich gerne an die Atmosphäre im Zehntkeller. Also machte es ihm Spaß, wieder mal bei einem Weinkonvent dabei zu sein. Überhaupt sei der Madonnenberg-Verein eine „bemerkenswerte Einrichtung“. Er selbst sei ja ein Riesling-Kenner „und ich denke, ich habe einen anständigen Weinkeller“. Gefragt, wie er denn die Schriesheimer Weine einschätzt, sagte Kinkel: „Solide“. Sie begleiteten auch die Markklößchensuppe und den Tafelspitz mit Meerrettichsoße. Das Abendessen servierte Winzerwirt Wilhelm Müller mit seiner Familie. Für die musikalische Begleitung des Abends sorgten die Jagdhornbläser, sowie Kurt Arras und Richard Trares.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung