Schriesheim im Bild 2023

17.12.2005

Aus dem „Elfenbeinturm“ hinein in die neue Mitte

„Mittelpunkt“, „Mittelpunkt4“, „Mäander“, „VEREINt“, „Die grüne Mitte“: Studenten der Uni Darmstadt stellten ihre Pläne zur Gestaltung des Altenbacher Ortsmittelpunktes vor

Die Ortschaftsräte und viele Bürger interessierten sich in der Verwaltungsstelle für die ansprechenden Entwürfe der Studenten, die sich intensiv mit den Gegebenheiten des Ortsteils auseinander gesetzt hatten. Farbauffällige „Stadttore“ hat Alexandra Göbel in ihre Planung unter dem Titel „VEREINt“ integriert (Bild in der Mitte). Mubashra Ilyas nennt ihr Konzept „Mittelpunkt“ und konzentriert sich auf die Platzgestaltung vor der Kirche. Von Carsten Blaue

Schriesheim-Altenbach. Zwei Wochen hatten die Studenten des Fachbereichs Architektur der TU Darmstadt für ihre Stegreif-Pläne Zeit. „Es geht um die Darstellung zündender Ideen und nicht um fertige Entwürfe“, unterstrich Jörg Dettmar, Professor für das Fachgebiet Entwerfen und Freiraumplanung. Die Aufgabe für seine Studenten war nicht leicht. Vor allem wegen der vielen Vorgaben. Ein schlüssiges Konzept sollte erarbeitet werden, das den Altenbacher Ortsmittelpunkt als Freiraum neu definiert und gestaltet. Dabei mussten die Verkehrssituation, Parkplätze, ÖPNV, die bisherigen Funktionen der Freiräume zwischen Schule, Mehrzweckhalle und Kirche sowie optische Ansprüche unter einen Hut gebracht werden. Und dann sollten die Studenten auch noch daran denken, dass das Ganze nicht besonders viel kosten darf, wenn es nicht nur ein planerischer Traum bleiben soll. Am Donnerstag stellte Dettmar gemeinsam mit den Studenten die fünf besten Entwürfe im Sitzungssaal der Verwaltungsstelle vor. Das Interesse der Altenbacher war rege.

Sie interessierten sich vor allem auch dafür, wie Alexandra Göbel, Jochen Kieschnick und Christoph Wildhack, Marcus Claussen und Mubashra Ilyas die Verkehrsprobleme im Ortskern planerisch lösen. Göbel wählt farbige, Straßen überspannende Stadttore aus Glas, die die Funktion der optischen Fahrbahnverengung erfüllen und so für gedrosseltes Tempo sorgen sollen. Kieschnick verändert den bisherigen Straßenverlauf deutlich zu einem kurvigen Straßenprofil. Dadurch schafft er auf der Höhe zwischen Feuerwehr und Kirche Raum für eine Bushaltestelle neben der Straße und verspricht sich reduzierte Geschwindigkeiten bei der Ortsdurchfahrt. Dettmar sah kein Problem darin, dass hier erheblich in den Verlauf einer Landesstraße eingegriffen wird: „Wenn Sie alle das gemeinschaftlich fordern, dann werden Ihre Gremien das auch durchsetzen“. Wildhack lässt den Bus auf der Straße anhalten. Eine nicht unübliche Gestaltungsvariante. Eine Verkehrsinsel soll verhindern, dass der Individualverkehr einen stehenden Bus überholt. Zudem setzt er auf eine Tempo-30-Zone und einen anderen Straßenbelag. Claussens Entwurf wählt Kopfsteinpflaster für den ganzen Ortsmittelpunkt, um den Zweck der Raumbildung und Verkehrsberuhigung zu erzielen. Eine Idee, die bei den Altenbachern allerdings auf wenig Gegenliebe stieß. Sie befürchteten noch mehr Verkehrslärm.

Am mutigsten greifen Ilyas und Göbel in die Parkplatzsituation ein. Ilyas verlagert alle Stellplätze in den vorderen Schulhof-Bereich, um so mehr Raum für die Platzgestaltung zu haben, die sie auf den Bereich vor der Kirche konzentriert. Göbel verlegt die Parkplätze kurzerhand komplett an den Buswendeplatz. Dafür möchte sie aber den verdohlten Bachlauf wieder in Erinnerung bringen und das Wasser durch Pumpen in Rinnen leiten, die den Ortsmittelpunkt geschwungen durchziehen. Den Bach frei zu legen sei nicht möglich, so Dettmar: „Der liegt zwei Meter tief. Wenn wir das machen, haben wir hier einen Grand Canyon“.

Kernziel der Entwürfe ist jedoch, einen neuen Mittelpunkt im Ort zu schaffen, der die Bürger zusammenführt. Allein die Titel der Konzepte zeigen das Bestreben. Wildhack zum Beispiel nennt seine Planung „Mittelpunkt4“. Altenbachs Kern soll demnach vier Funktionen erfüllen, die durch die räumliche Gliederung Eigenständigkeit erfahren: Er soll „Treffpunkt“ der Bürger sein, im Bereich des Schulhofes ein „Spielpunkt“, ein „Haltepunkt“ für den öffentlichen Personennahverkehr und ein „Infopunkt“, der Aushänge von Stadt, Kirchengemeinden und Vereinen ermöglichen soll. Apropos Vereine: Die Studenten erkannten bei den Vorbereitungen für ihre Konzeptionen schnell, dass Altenbach ein Ort der Vereine und der Geselligkeit ist, und dass sich das auch in der Gestaltung des Ortskerns niederschlagen sollte. Dafür integrieren Kieschnick und Wildhack den Kirchgarten in ihre Überlegungen. Vor allem Claussen und Ilyas setzen zudem auf abgetreppte Räume, um Sitzgelegenheiten zu schaffen. Göbel plant zwischen ihren Bachläufen zum Beispiel auch Grünzonen, die den Gymnastikgruppen des TV Altenbach im Sommer Übungen im Freien erlauben sollen.

So einschneidende städtebauliche Veränderungen sorgen eigentlich immer für Konflikte – gerade, wenn Bürger in der Nachbarschaft unmittelbar von den Planungen tangiert sind. Dazu sagte Dettmar: „Umsetzungen sind schwer, wenn man die Einstellung hat, dass alles bleiben sollte, wie es ist.“ Wenn eine Verbesserung der Lebenssituation in Altenbach erzielt werden könne, dann sollte man die Veränderungen annehmen und sich ihnen öffnen. Auch Ortsvorsteher Alfred Burkhardt sah das so: „Man sollte nicht von vorne herein alles ausschließen. Die Umsetzung solch einer Planung geht nur miteinander, nicht gegeneinander.“

Dettmar sagte schließlich, dass es für die Studenten ganz wichtig sei, „den Elfenbeinturm“ der universitären Forschung hin und wieder zu verlassen – zur Rückkopplung ihrer Studien an das „wirkliche Leben“. Er unterstrich, dass die Mitarbeit der Studenten an der Neugestaltung des Ortsmittelpunktes nicht mit dem Stegreif enden sollte. Sie sollten einbezogen werden in den weiteren Prozess – etwa auch in Zusammenarbeit mit einem professionellen Planer.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung