Schriesheim im Bild 2023

22.12.2005

Bürokratie nervt die Pflege-Experten

Sozialminister Renner (CDU) zu Besuch in Schriesheims Kirchlicher Sozialstation und bei Freudenberg in Weinheim

Schriesheim/Weinheim. (ans) Mit lösbaren und scheinbar unlösbaren Problemen sah sich der Sozialminister Baden-Württembergs, Andreas Renner (CDU), bei seinem Besuch der Kirchlichen Sozialstation in Schriesheim und der Behindertenwerkstatt der Firma Freudenberg in Weinheim konfrontiert. Gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Georg Wacker und dem Bundestagsabgeordneten Karl A. Lamers (beide CDU) besichtigte Renner zunächst die Arbeitsplätze der Behinderten im Weinheimer Freudenberg-Werk „Zwischen Dämmen“ und unterhielt sich mit der Geschäftsleitung, um anschließend mit Vertretern der Sozialstationen aus dem Rhein-Neckar-Raum deren problematische Lage zu diskutieren.

Für Renner war der Besuch bei Freudenberg mehr als erfreulich, denn entgegen aller Befürchtungen sind die Arbeitsplätze für die Behinderten gesichert. Neben einer neuen Behindertenwerkstatt in Kaiserslautern sollen die Arbeitsplätze in Weinheim erhalten und nur die Produktion umgestellt werden. Der Sozialminister lobte das Engagement der Firma und die Zusammenarbeit von Behinderten und Nicht-Behinderten. Nur im Bereich der Eingliederungshilfe müsse generell noch viel getan werden.

Problematischer verlief dagegen die Lösungsfindung in der Kirchlichen Sozialstation Schriesheim. Zwölf Vertreter aus Ladenburg, Dossenheim, Hemsbach, Schriesheim und Weinheim hatten sich eingefunden, um Renner und den beiden Abgeordneten die schwierige Lage der Sozialstationen darzustellen.

Siegfried Wachter, Vorstand der Kirchlichen Sozialstation Schriesheim, sprach von einer erschreckenden Schattenwirtschaft, die sich durch den Einsatz von „schwarz“ beschäftigten Pflegekräften breit gemacht hätte. Der Geschäftsführer der Kirchlichen Sozialstation „Unterer Neckar“, Jörg Mütsch, führte die Problematik weiter aus. Durch den Einsatz von ausländischen Pflegekräften könne oft nur ungenügend auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen werden – einerseits aufgrund einer Kommunikationsbarriere, andererseits durch mangelndes Wissen. Denn die Fachkräfte der Sozialstationen müssen eine dreijährige Ausbildung durchlaufen, während die unqualifizierten Pflegekräfte deren Aufgaben ungelernt übernehmen und dadurch den Patienten teilweise Schäden zufügen. Neben des Qualitätsverlust, so Mütsch, sei auch die Arbeitsplatzproblematik ein wichtiges Thema. Durch das Einsparen bei Fachkräften findet das ausgebildete Pflegepersonal oft keine Anstellung mehr. Mütsch und Wachter wiesen außerdem darauf hin, dass zu viel unnötige Bürokratie den schnellen und reibungslosen Einsatz sowie die Spontaneität gefährde.

Sowohl Wacker als auch Lamers teilten die Ansicht der Vertreter und sahen dringenden Handlungsbedarf. Auch Renner empfand die Situation als äußerst problematisch und betonte: „Schwarzbeschäftigung von Pflegekräften ist kein Kavaliersdelikt.“ Doch sei es schwierig, von staatlicher Seite dagegen vorzugehen: „Da stößt man auf eine Mauer des Schweigens.“ Es sei schwer herauszufinden, wer jemanden schwarz beschäftige.

Eine Arbeitsgruppe würde sich seit Herbst damit befassen, klarere Strukturen und steuerrechtliche Vorteile für diejenigen zu schaffen, die eine Fachkraft einstellen. Renner schlug außerdem vor, eine Art Fond einzurichten, um spontan und unbürokratisch Pflegefällen helfen zu können, ohne gleich nach dem Geld fragen zu müssen.

Wachter, der sich vehement gegen die selbst erfahrene und erlittene Bürokratie aussprach, begrüßte diese Idee. Vor allem dadurch, dass die Tagespflege dem „Heimgesetz“ unterliegen würde, gäbe es vielfach Probleme durch Vorschriften, die nicht gestatten, mehr als zehn Personen anzunehmen. Auch die Abwicklung bei Spenden sei oft umständlich. Daher schlug Renner den Betroffenen vor, selbst unnötige Gesetze oder Regelungen herauszusuchen und sich an ihn oder den Landrat zu wenden, um sie zu eliminieren und zu verbessern. Letztendlich stimmten alle mit Mütschs Aussage überein: „Für qualitative Pflege gibt es keine Alternative“ und nahmen sich vor, weiterhin den unübersichtlichen Gesetzesberg zu bekämpfen, um die Einstellung von Fachkräften zu fördern.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung