Schriesheim im Bild 2023

20.01.2006

„Schrießheim, so vor allters ein stättlein gewesen...“

Serie „Schriesheimer Jahrbuch 2005“: In seinem Zentbuch von 1692 beschreibt Johann Friedrich Zauhn die Stadt – Gerhard Merkel hat den Text transkibiert
Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim. „Dießer churpfälzische, aigenthumbliche, umbmauerte fleckhen Schrießheim, so vor allters ein stättlein gewesen, mit einem wasßergraben undt vier thoren...“ So beginnt die „Beschreibung des Fleckhens Schrießheim“ aus dem Zentbuch von Johann Friedrich Zauhn, das aus dem Jahr 1692 stammt. Lesen kann man den Text im „Schriesheimer Jahrbuch 2005“; er wurde von Gerhard Merkel transkribiert.

Leider weiß man nur wenig über Zauhn, der zwanzig Jahre lang das Amt des Stadtschreibers und neun Jahre das des Zehntgrafen in Schriesheim innehatte, bis er im Jahre 1697 starb. Fast wäre er in Vergessenheit geraten, denn seiner insgesamt 1500 Seiten langen Schrift war das Deckblatt abhanden gekommen, so dass man sie anderen Urhebern zuschrieb. Zauhn wurde mit 35 Jahren Stadtschreiber, ein Amt, mit dem seine Vorgänger offenbar Schwierigkeiten hatten: Der 1625 verstorbene Schreiber soll ein ehrlicher und fleißiger Mann gewesen sein, was von seinen beiden Nachfolgern wohl nicht gesagt werden konnte. Zauhns Vorgänger Philipp Schnörrer war offenbar das Opfer von Intrigen geworden. 1675 wollte Mattäus Halltmayer sein Amt übernehmen, wurde allerdings „vor untüchtig befunden“, also bekam Zauhn das Amt. Einige Jahre später zog er nach Schriesheim und baute dort ein Haus (heute Talstraße 8).

Jagen durfte die „Herrschaft“
Insgesamt muss sich der Leser durch hundert oft schwer verständliche Seiten hindurchkämpfen, wobei ihm die Übersetzung verschiedener altertümlicher oder lateinischer Begriffe hilft. Eines der wichtigsten Wörter des Textes, „allmendt“, fehlt leider, genauso Füllwörter wie „gemellt“, die häufiger verwendet werden.

Bei der Lektüre erfährt man Interessantes über die damalige Zeit. Dazu gehört der Erwerb des Bürgerrechts. Wer unehelich geboren oder Leibeigener war, konnte es nicht erwerben, es sei denn, er kaufte sich los oder ließ sich durch ein Schreiben des Kurfürsten „legitimieren“. Außerdem musste man reich sein, ein Vermögen von 100 Gulden besitzen, für die Gemeinde und den Viertelmeister, eine Art Bezirksbürgermeister, je einen Obstbaum pflanzen und Bürgergeld in Form von Barem und Wein entrichten.

Die Bürger mussten neben dem Zehnt jedoch auch Frohndienste leisten, wie die Pflege des kurfürstlichen Weinberges, des heutigen Schlossberges, Straßenarbeiten und ähnliches. Von den Frohndiensten befreit waren der Bürgermeister, die Gemeinderäte (die damals noch nicht gewählt, sondern auf Lebenszeit ernannt wurden) und andere Amtsträger.

Der Ort hatte im Jahr 1617 noch 200 Einwohner, 1687 waren es schon 951, davon 175 Frauen, 165 Männer, 236 Mädchen und 223 Jungen. Die Mägde und Knechte, 61 und 88 an der Zahl, wurden extra gerechnet.

Schriesheim war im 17. Jahrhundert ländlich: Es gab elf Mühlen, Viehhaltung und Landwirtschaft. Jagen durfte nur die „Herrschaft“, die Hilfe dabei war ebenfalls ein Frondienst. Den Wald pflegte der Forstknecht. Für die Bauern war der „waidtgang“ wichtig, das Recht, Vieh in den Wald zu treiben, das die Eicheln und Bucheckern fraß.

Darum gab es mehrmals erbitterten Streit. So berichtet Zauhn von einem Prozess im Jahr 1603, als der Forstknecht sich den Ärger der Obrigkeit zuzog, indem er sämtliche Eicheln und Bucheckern selbst auflas. 1686 hatte Schriesheim mit einem Förster zu tun, der „zue viel gehäßig undt auffsetzig ist“. Auch hier bekamen die Bauern Recht.

Der Ratsschreiber war vermögend
Die Löhne der damaligen Zeit waren von unterschiedlicher Höhe: der Ratsschreiber war mit 18 Gulden Jahresgehalt plus Zulagen ein vermögender Mann, mehr verdiente nur der Büttel (20 Gulden). Eine Amme kam über zwei Gulden pro Jahr nicht hinaus, am untersten Ende stand der Schulmeister mit einem Gulden Jahresgehalt. Dafür bekam er aber einen zehnt- und steuerfreien Schulacker gestellt und Schulgeld von den Eltern der Schüler. Die Gemeinde sorgte dafür, dass die Kinder der Armen auch zur Schule gehen konnten: Sie zahlte dem Lehrer das Schulgeld für sie. Die Gemeinde nahm auch andere soziale Aufgaben wahr: In Schriesheim gab es ein Armenhaus in der Nähe des „Schaftores“. Darin wohnte ein Kuhhirte und „frembde bettelleutte“. Sie bekamen Spenden aus einer Stiftung und aus der Kirchenkollekte. Als im Jahre 1631 die Pest grassierte, kaufte der Bürgermeister Medikamente.

Der Zentgraf war zuständig für die Einsammlung des Zehnten, aber auch für die Zentgerichtsbarkeit. Sie umfasste alle Arten von Urteilen: Bestraft wurden Mörder, die am Zentgalgen aufgehängt oder aufs Rad geflochten wurden.

Alltäglicher waren dagegen die Geldstrafen, die gegen Bäcker verhängt wurden, deren Brote zu klein geraten waren. Der Zentgraf vertrat zudem die Gemeinde bei Streitigkeiten mit anderen Orten wie beim Streit mit Ladenburg um einen zerstörten Damm des Kanzelbaches.

Dass Zauhn in seinen Ämtern mit sich und der Welt zufrieden gewesen sein muss, zeigt eine Anmerkung im Zentbuch: „Ist zue besorgen, sie werden auch nach meinem abgang, ohne ruhm zue melden, keinen bekommen, der thut oder thun kann, waß ich dahero gethan habe“.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung