Schriesheim im Bild 2023

09.03.2006

Eine „Wilde Maus“ kratzt jede Kurve

Zu fairen Preisen: Der Mathaisemarkt-Rummel ist auch dieses Jahr einen Besuch wert – Nur der Kettenflieger gibt sich launisch

Schriesheim. (pak) Das Wetter hat doch etwas Gutes. Man merkt es, wenn man volle Kanne auf die Kante zusteuert und erst im letzten Moment das Lenkrad herumreißt. Dann schlittert das Boxauto wie Walter Röhrls Audi in seinen besten Zeiten. Klasse Gefühl! Die Schneepampe der letzten Tage, von unzähligen Schuhsohlen verbreitet wie Schnupfen im Winter, legt sich im Laufe des Tages als Schmierfilm auf die glatte Fahrbahn des Autoscooters. Wer sich im Laufe der Mathaisemarkt-Woche genügend Übung aneignet (was bei den zivilen Preisen der Autoscooter-Firma Haas gut möglich ist), der kann über die Fläche schlittern wie ein Rallye-Fahrer.

Der Rummelplatz des Mathaisemarktes, seit vielen Jahren unter den Fittichen von Marktmeister und Schausteller Fritz Haas aus Karlsruhe, ist auch in diesem Jahr einen Besuch wert. Vor allem für Familien mit Kindern natürlich, weil ja sogar die „Wilde Maus“ als kindgerecht durchgeht und der Schwerpunkt eindeutig auf Buden und Fahrgeschäften liegt, die auch für Kinder in Begleitung ihrer Oma in Fra ge kommen. Aber so ist das ja auch gedacht.

Zumal ja auch der als Knaller (und Riesenradersatz) angekündigte „Star-Flyer“ in den ersten Tagen immer mal wieder seinen Dienst quittiert hat. Von den Betreibern selbst war übrigens bislang keine schlüssige Erklärung zu hören. Sie sitzen mürrisch hinter ihren verdunkelten Scheiben und zahlen sichtlich widerwillig das Geld zurück, wenn der Kettenflieger mal wieder nicht abhebt. Man hört jedenfalls keine Entschuldigung und keine Begründung, die ja zur Beruhigung beitragen würde – denn schließlich hat ein Kettenkarussell, das sich in 50 Meter Höhe dreht auch ein bisschen mit dem Vertrauen zu tun, das der Passagier dem Gerät entgegenbringt. Man braucht kein Hellseher zu sein, um die Prognose zu wagen: dieser Laden war wohl das erste und das letzte Mal auf dem Mathaisemarkt.

Ansonsten sind die Buden und Fahrgeschäfte sympathisch, professionell und auch originell – wie zum Beispiel das Pfeilewerfen vor dem linken Festzelt-Eingang. Der ältere Herr, der die Bude betreibt und für jedes Kind neben dem Trostpreis ein gütiges Lächeln hat, schlurft in Trainingshosen und Hausschuhen durch sein buntes Ballonreich. So ein Schausteller ist ein echtes Unikum.

Der Reihe nach. Die „Wilde Maus“ ist zwar eine Achterbahn in Kinderschuhen, aber dafür ist das Mäuschen zahm genug auch für Kinder unter acht Jahren. Freilich, nichts für ganz schwache Nerven. Am aufregendsten ist der erste Teil, wenn die Maus 90-Grad-Kurven in Comic-Manier „kratzt“. Ohne Vertrauen in Gott und den polnischen Mitarbeiter am Start rechnet man mit dem Absturz in den benachbarten Autoscooter. Aber das Ding ist natürlich sicher, da beißt auch die „Wilde Maus“ keinen Faden ab. Drei Euro Fahrpreis (zwei für Kinder) ist angemessen, 4,50 Euro für einen wilden Schnappschuss ist happig – muss man aber nicht nehmen.

Der „CircusCircus“ an der Talstraße ist am ehesten noch ein Ersatz für den „Star Flyer“. Mit riesigen Krakenarmen und Drehungen in allen Dimensionen ist die Maschine so etwas wie der Klassiker unter den „Kotzmühlen“. Für zwei Euro sind die Fahrten günstig und großzügig bemessen, eine solide Angelegenheit. Das gleiche gilt für den unermüdlichen „Weißen Blitz“, eine Fahrt für zwei Euro, das ist korrekt. Jungs und Papas, die sich als Großwildjäger gut gefallen, müssen unbedingt am Fotoschießen Station machen. Bei einem Volltreffer oder zehn Treffern im inneren Ring löst eine Fotokamera aus und in wenigen Minuten entwickelt sich ein an allen Stammtischen (respektive Kindergärten) vorzeigbares Abbild des Schützen. Bei weniger glücklichen Anlegern, hilft die Chefin auch schon mal nach. An der Bude hängen auch Bildchen mit „Promis“, die bereits zum Schießen waren. Neben Rudi Carell und Mutter Beimer erkennt man übrigens gleich Alt-Bürgermeister Peter Riehl mit Frau Evelyn und Heidi Post. Wer will, kann mit den Schaustellern übrigens gerne ins Gespräch kommen – die meisten plaudern gerne. Wie Valentina Trost-Beier aus Karlsruhe, die mit ihrem Mann eine Schießbude wenige Meter vorm Zelteingang betreibt. Schon als Kind befuhr sie gemeinsam mit ihrem Vater Adolf Trost, dem Losverkäufer, die Kirmesplätze Süddeutschlands. Die Schaustellerei lässt sie nicht mehr los. Auch wenn die Zeiten immer härter werden. Ihr Mann Frank geht in Karlsruhe einem „ordentlichen Beruf nach“, wie sie schmunzelnd erzählt. Dann wird sie aber ernst: „Bei ihm wissen wir, was er jeden Monat nach Hause bringt, bei mir nicht.“

An der Steinachstraße steht Lydia Seifert ebenfalls mit einer klassischen Schießbude, ein Schuss 50 Cent. Das Unternehmen gibt es seit fünf Generationen. Die Chefin erklärt den Buben, die stolz das erste Mal ein Gewehr in der Hand halten, selbst, was Kimme und Korn bedeuten. Die Frau hat bei den Kindern einen Stein im Brett.

So fällt ein Rummel-Rundgang über den Mathaisemarkt sehr positiv aus, auch wenn die Schausteller wegen des miesen Wetters natürlich Grund zum Klagen haben. Auf Brigitte Pfeiffer-Köhlers Kinderkarussell gegenüber des Feuerwehrhauses drehen sich auch ein paar Flieger im Kreis und heben sogar etwa zwei Meter ab während der Fahrt. Gewiefte Karussell-Knirpse wissen das schnell und wollen nur noch in die schwebenden Kisten. Vielleicht sollten sich die Männer vom „Star Flyer“ dort mal ein paar Tipps holen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung