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29.03.2007

Wenn vom Chef nur die Safe-Schlüssel bleiben

Von Stephanie Kuntermann

Was tun, wenn im Unternehmen plötzlich der Chef ausfällt? Wie kann in diesem Fall die "betriebliche Existenz" gesichert werden? Diesen Fragen widmete sich jetzt der Schriesheimer BdS mit einem Vortragsabend im Hotel "Zur Pfalz" – und packte damit ein heikles Thema an. Das bewiesen auch der gute Besuch der Veranstaltung und die interessierten Fragen im Anschluss. Referent war der Leimener Rechtsanwalt Thomas Kern, der auch Präsident des Verbands für betriebliche Existenzsicherung ist.

"Wenn von einem Tag auf den anderen die Chefin oder der Chef ausfällt, kann das für ein Unternehmen ein existenzbedrohendes Problem sein", erklärte Kern. Dass das keine Einzelfälle sind, zeigten die Zahlen: "Rund 24000 Betriebe verlieren jährlich den Chef durch Krankheit, Unfall oder Tod, und 20000 Betriebe geraten jährlich durch persönliche oder familiäre Krisen in Gefahr." Zur Krise im Betrieb kann es kommen, wenn kurzfristig ein Nachfolger gefunden werden muss und dieser praktisch ohne Kenntnis von Vorgängen den Geschäftsbetrieb weiterführen soll. In der Mehrzahl gerade der kleineren Firmen ist es gang und gäbe, dass nur der Chef umfassend über alle wichtigen Vorgänge informiert ist, auf Konten oder Safe-Schlüssel Zugriff und genaue Kenntnis von Arbeits- oder Lieferverträgen hat.

Das kann für die Firma zur Katastrophe werden, wie im Fall eines Heidelberger Konditors, dessen Ehefrau plötzlich den Betrieb übernehmen und feststellen musste, dass weder über Rezepte noch Kunden oder Lieferanten ausreichend Informationen vorhanden waren. In anderen Fällen bleiben Unklarheiten: "Es gibt den Fall, da fand der Nachfolger eine Menge Safe-Schlüssel im Schreibtisch seines verstorbenen Vorgängers. Bis heute weiß er nicht, von welchen Banken sie sind und was in den Safes ist." Auch die Suche nach einem Nachfolger birgt ihre Probleme. Der Heidelberger Unternehmensberater Jürgen Heukäufer erläuterte ergänzend: "Etwa die Hälfte aller Firmenübergaben findet ungeplant statt, dabei ist die Entscheidung über eine Nachfolge so wichtig wie die für die Gründung eines Unternehmens."

Diese "Herausforderung im Mittelstand" stehe in den nächsten fünf Jahren für 370000 Unternehmen an: "In 31 Prozent aller Fälle durch plötzliches Ausscheiden, in 43 Prozent wegen Alters und in 26 Prozent wegen eines unerwarteten Wechsels", zitierte er Zahlen des deutschen Instituts für Mittelstandsforschung. Wegen mangelhafter Vorbereitung wird eine Übergabe oft zur Enttäuschung: Fast zwei Drittel der Übernehmer schätzen die wirtschaftliche Lage der Firma günstiger ein als sie tatsächlich ist. Oft kann dann auch die Entlassung von Mitarbeitern die Folge sein.

Beide Referenten sahen in den Vorbereitungen einer Übergabe auch ein psychologisches Problem: "Man ist auf einmal nicht mehr Entscheider. Ein Lebenswerk wird übergeben, die Alterssicherung in andere Hände gegeben." Der Chef sollte sich aber immer die Frage stellen: "Was würde ein Dritter für mein Unternehmen zahlen?" "Eine solide Betriebsübergabe sollte man von Spezialisten begleiten lassen. Sie kann bis zu fünf Jahre dauern", so Heukäufer. Für den Notfall empfahl Kern das Anlegen eines "Notfallkoffers", in dem ein kurzfristig einspringender Vertreter alle wichtigen Informationen zum Unternehmen findet.

"Er muss über Verträge, Vertragsgestaltung, Versicherungen, laufende Vorgänge, Logistik und Personal informiert sein und muss außerdem Zugriff auf die Konten haben, denn die werden im Todesfall des Firmenchefs sofort eingefroren. Manchmal bekommen die Angehörigen gerade noch genug Geld ausbezahlt, um die Beerdigung zu bezahlen, und dann ist Schluss", so Kerns Warnung. Er riet auch dazu, den Inhalt dieses Koffers regelmäßig zu aktualisieren, damit eine reibungslose Übernahme möglich ist. "Jeder sollte mal über das Problem nachdenken", bedankte sich BdS-Chef Horst Kolb bei den Referenten mit Schriesheimer Wein.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung