Schriesheim im Bild 2023

30.03.2007

Er sieht die Emigrierten als besondere Mitbürger

Von Nicoline Pilz

Die Geschichte ist nicht vergessen, doch im Umgang mit den jüdischen Opfern deutschen Naziterrors ist Normalität eingekehrt. Das meinte Bürgermeister Hansjörg Höfer, der am kommenden Montag zu einer Privatreise nach New York aufbricht, um sich dort mit ehemaligen Schriesheimer Bürgern jüdischen Glaubens zu treffen. Ehefrau und Söhne sind mit dabei: "Die Reise finanziere ich selbst", bekräftigt Schriesheims Stadtoberhaupt.

Doch weil ein Bürgermeister kaum jemals so ganz privat ist, hat Höfer eine Botschaft zu überbringen: "Der Bürgermeister der ersten Heimat sieht die Emigrierten nach wie vor als Mitbürger, als besondere Mitbürger, um die ich mich kümmern möchte", erklärt er gegenüber der RNZ. Eine kleine Geste im weiten Feld der Wiedergutmachung, was ja an und für sich unmöglich ist.

Im Gepäck hat Höfer auch ein Buch, ganz frisch aufgelegt und mit aktuellen Fotos aus Schriesheims Frühling und Vorfrühling bebildert. Aufnahmen vom Mathaisemarkt sind dabei, von den Weinköniginnen und der Frühjahrsblüte. Adam Welker betreute das Buchprojekt während seiner Wachstumsphase und suchte aus über 900 Bildern der Fotografen Edgar Grosser, Karl Ludwig Hotz und Erich Bundenthal die schönsten aus. Das Schlussbild zeigt das neue Denkmal, das an Euthanasie- und Kriegsopfer erinnert. "Diese Zeit ist ein Thema – aber nicht mehr Hauptthema", sagt Höfer noch einmal.

Sein Besuch in New York hat eine längere Geschichte: Als die früheren Schriesheimer Juden 2003 zu Besuch waren, konnte Herbert Marx aus Altersgründen nicht dabei sein. "Komm du doch her, wenn man so alt ist wie ich, dann lässt man sich nicht mehr so herumschicken", erklärte Marx Höfer am Telefon. Am 9. April wird Marx 88 Jahre alt. Das Amt eines Vorbeters in einer Synagoge lässt er sich aber nicht nehmen. Am kommenden Mittwoch steht aber zunächst der Besuch bei Lore Tobias, geborene Oppenheimer und Ehemann Sig an. "Wir werden uns gemeinsam ,Ground Zero’ anschauen und abends zusammen essen gehen", erzählt Höfer im Pressegespräch.

Donnerstags trifft sich Familie Höfer mit Martin Fritz Wimpfheimer, Erwin Maier und ihren Lebenspartnerinnen, bevor es freitags raus zu Herbert Marx und Ehefrau Irmgard geht. Das Paar lebt rund zwei Stunden Autofahrt von New York entfernt. "Wir schreiben uns regelmäßig zu Weihnachten oder auch Silvester", so Höfer weiter.

Immer wieder werden Zeitungsausschnitte gen New York gesandt und die ehemaligen Schriesheimer sind auf diese Weise immer top informiert. "Es gibt dort ein großes Interesse an allem, was in Schriesheim passiert." Grund genug, ein Buch mit nagelneuen Fotos zusammenzustellen, wo auch der Mathaisemarkt seinen Platz hat. "Mathaisemarkt ist ebenfalls interessant, denn das kennen sie noch von früher."

In die Zeit von Höfers Besuch fällt auch das "Pessach-Fest" mit seinen verschiedenen Feiern wie dem "Überschreitungsfest" oder dem "Fest des ungesäuerten Brotes". Klar, dass Herbert Marx da weniger Zeit als sonst hat. Für Besuch aus der alten Heimat hat er die aber allemal.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung