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13.04.2007

Die Sonne bleichte die Sitzbezüge grün

Von Nadja Müller

Es steht vielleicht seit zwei Jahren in der Schillerstraße nahe des OEG-Bahnhofs. Es hat sich seitdem keinen Zentimeter von der Stelle gerührt – doch trotzdem eine bemerkenswerte Verwandlung durchgemacht. Das heißt, es wurde verwandelt. Von einem roten Ford Escord in ein graues Autowrack. Da nagte nicht nur der Zahn der Zeit, der sich vielleicht irgendwann mit Rostflecken an den Kotflügeln der Karosserie bemerkbar gemacht hätte. Nein, da hat jemand nachgeholfen. Erst langsam, Schritt für Schritt. Doch dann hat man den Verfall des Autos bis hin zu seiner Zerstörung stark beschleunigt. Wer es war, ist unbekannt.

Da stand der Ford also zu Anfang, ein Auto unter mehreren, das sich unauffällig in die Schlange der anderen Fahrzeuge einreihte, die dort in der Regel parken. Ein stinkormaler PKW mit zwei Nummernschildern, der dauerhaft unter diesem einen Baum an dieser einen Straße abgestellt war. Und der sich einfach nicht mehr regte. Aufregend machte ihn seine Unaufgeregtheit.

Nach mehreren Wochen der Bewegungslosigkeit zeigte sich die erste Veränderung am Auto. Aus dem linken hinteren Reifen war die Luft gewichen. Vielleicht passierte das sogar von alleine. Ein kleiner Schnitt für den Ausführenden, wenn es einen gab, ein großer "Ein-Schnitt" für den Ford. Denn er läutete seinen Demolierungsprozess ein.

Gut, vielleicht war es auch der Blinker – der rechte –, der plötzlich aus der Karosserie baumelte und signalisierte: "Dieses Auto wird nicht mehr gefahren." Oder: "Der Besitzer dieses Autos interessiert sich nicht mehr dafür". Was, anders formuliert, der Aufforderung "Mach’ mich kaputt" gleichkommt. Irgendwann verschwand auch der linke Seitenspiegel, der an der Fahrbahnseite. Erst hing er herab, dann war er weg, abgeschlagen oder abgefahren.

Und als hätte das Auto nicht schon genug abbekommen, schlugen auch die Jahreszeiten zu: Im Frühjahr übergossen die Bäume den Ford mit gelben Blütenpollen, im Sommer bleichte die Sonne das Schwarz der Sitzbezüge in einen schmutzigen Grünton. Im Herbst wehte der Wind nasse Zeitungsseiten gegen das Fahrzeug, das längst nicht mehr das Zeug zum Fahren hatte. Und im Winter gab die Nässe dem Rostfraß neue Nahrung. Ob der Zustand des Fords auch die Fantasie seiner Demolierer nährte?

Irgendwann schlängelte sich ein silberner Graffito-Streifen rund um die Karosserie, über Nummernschilder, Türen und Flanken des Autos. Wie ein Rahmen, der das Gefährt trotz seines mittlerweile desolaten Zustands zusammenhalten sollte. Und während der Rahmen des Autos noch erhalten blieb, litten bald die Fenster: Das hintere linke Seitenfenster wurde eingeschlagen, glitzernde Splitter verteilten sich auf der Rückbank, knirschten unter den Schritten der Passanten auf der Straße, Glasdreiecke ragten spitz ins Fensterloch hinein.

Glas ist seit dem Brand in der Nacht auf Donnerstag – nach Polizeiangaben war es gegen 1.30 Uhr – keines mehr da. Auch keine ausgebleichten Sitzbezüge und auch nicht diese merkwürdige Glitzerkette, die rechts auf der Rückbank gelegen hatte. Dafür gibt es aber den Rahmen noch. Nicht mehr in Rot, aber dafür in Grau-Schwarz. Und das Autogerippe bietet jetzt reduzierte Einblicke, ohne Sitze, ohne Innenverkleidung, ohne Scheiben. Warum das Auto in Brand geraten ist, ermittelt die Kriminalpolizei.

Die Feuerwehr löschte den Brand schnell, dennoch wurde durch die Hitze des Feuers ein VW beschädigt. Ein normales, intaktes Auto, wie es der Ford vor geraumer Zeit auch mal gewesen war. Bald wird sein Gerippe aus der Schillerstraße verschwunden sein – abgeschleppt. Die Polizei beziffert den Sachschaden übrigens auf mehrere tausend Euro.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung