Schriesheim im Bild 2023

09.06.2003

Aus frustrierenden Anfängen zum Jörg-Bau

Der lange, steinige und doch erfolgreiche Weg zum "Juts" - Erinnerungen und Hoffnungen eines " , Juts'-Veteranen" - Von Thorsten Mense
Schriesheim. Ein Jugendzentrum in Schriesheim schien schon Ende 1994 zum Greifen nahe. Nachdem der Gemeinderat die Einrichtung einer Spielhalle in der OEG-Halle abgelehnt hatte, sahen manche Jugendliche schon die ersten Konzerte im neuen großen "Juz" vor Augen. Nach unzähligen Terminen bei der Stadt machte der Sozialausschuss gemeinsam mit Jugendlichen sogar eine Begehung des Geländes.

Die Unterstützung seitens der SPD und der Grünen, sowie beispielsweise das Spendenangebot von 50000 Mark seitens der Firma Kronland gaben weiteren Anlass zur Hoffnung. Ich war erst 14, bei den meisten Terminen nicht dabei. Aber ich erinnere mich an die entscheidende Gemeinderatssitzung: Sehr hart wurde uns mal wieder vor Augen geführt, dass so mancher Stadtrat auch nicht die geringste Ahnung hatte, was wir uns eigentlich vorstellen. Und so wurde der Antrag mit knapper Mehrheit abgelehnt, "aus finanziellen Gründen". Danach war erst einmal die Luft raus, andere Vorschläge unsererseits kamen erst gar nicht bis zur Abstimmung in den Gemeinderat. Ein Jahr später lud die FPD zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Jugendzentrum", gemeinsam mit Bürgermeister Riehl, Parteienvertretern und Sozialarbeitern.

Viele der "alten" Aktiven waren resigniert, sahen keinen Sinn, an einer weiteren Diskussion teilzunehmen. Mein Vorteil lag wahrscheinlich darin, bei den müßigen Verhandlungen mit der Stadt anfangs nicht dabei gewesen zu sein. Irgendwann im Laufe der Diskussion brachte Peter Riehl einen Satz heraus, der für Überraschung sorgte: "Wenn ihr mir einen geeigneten Raum zeigt, dann kriegt ihr ihn auch." Ja, es war kein Jugendzentrum, aber es war ein Raum, ein Anfang. Und Vorschläge für geeignete Räume hatten wir schon genug in der Tasche. Keine zwei Monate später sprach uns der Gemeinderat den Raum im Erdgeschoss des Jörg-Baus zu. Jetzt kam die Zeit des Planens und Renovierens, Wochen und Monate verbrachten wir in dem kahlen Raum und arbeiteten. Und obwohl wir uns das alles hätten sparen können, da der Jörg-Bau dann doch grundrenoviert wurde, hatten wir sicher unseren Spaß. Nach diversen Problemen und öffentlichem Meinungsaustausch mit der Stadt, konnten wir dann im Herbst 1998, drei Jahre nach dem Gemeinderatsbeschluss, endlich die Eröffnung feiern.

Die Monate darauf waren ein rauschendes Fest. Alle die aktiv mit dabei waren, wurden für die nächsten Monate nebenberuflich zum Veranstalter, Barkeeper und Sozialarbeiter in einem. Die Stadt legte uns keine Steine in den Weg, aber unterstützte uns auch nicht besonders stark. Und da seit unserer Eröffnung die Telefonzelle am Festplatz nicht mehr wöchentlich neue Scheiben brauchte, dafür aber nun das "Juts", ließ man uns gewähren. Doch leider nahmen die Einbrüche, Sachbeschädigungen und auch die Aggression zu, bis zu dem Punkt, wo wir uns selber entschlossen, als Warnung das "Juts" für zwei Wochen zu schließen. Danach entspannte sich die Lage, nur die Einbrüche hörten nicht auf, was uns dann veranlasste, schweren Herzens die Fenster zu vergittern. Die Erkenntnis, dass es immer auch Leute geben wird, die Freizügigkeit und Vertrauen missbrauchen werden, hätte ich gern erst ein paar Jahre später gemacht.

Mittlerweile ist das "Juts" etabliert, ein fester Bestandteil Schriesheims. Ob man nun dafür oder dagegen ist: Es gehört dazu. Bis zur Gründung des Jugendrates wurden wir von vielen Seiten sogar als die offizielle Vertretung der Jugend gesehen.

Neben dieser Möglichkeit, ein wenig Einfluss auf die Jugendpolitik nehmen zu können, sind selbstverwaltete Jugendzentren für mich aus einem anderen Grund unbedingt notwendig: Sie sind Orte eigenständiger sozialer Begegnungen, Orte von Kreativität, an denen man seine Freizeit und damit auch ein Stück weit sein Leben selbst gestaltet. Für mich und viele andere ist das "Juts" ein Teil unserer Jugend, mit vielen positiven und negativen Erinnerungen, aber sicher gefüllt mit Leben. Und ich hoffe, dies wird für die nächsten Generationen auch so sein. Wie viele Feten und Konzerte, die es so nie gegeben hätte, und wie viele Freundschaften, die daraus entstanden sind. Jugendzentren gehören zu den wenigen Orten, an denen man ohne vorgegebenen Rahmen und (Konsum-) Zwang sich ausleben kann und die Möglichkeit hat, eigenständig Sachen zu organisieren, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und eigene Ideen zu verwirklichen.

Diese Art von Individualismus ist aber leider oft nicht gern gesehen: Jugendzentren in Selbstverwaltung sind meist der Stadt ein Dorn im Auge. So kürzt man die finanziellen Zuschüsse wie beim "Juz" in Mannheim, verlangt die Befolgung und Selbstfinanzierung ordnungstechnischer oder baurechtlicher Vorschriften wie bei der "Villa Nachttanz" in Heidelberg oder vertreibt die Menschen einfach und reißt das Haus ein, wie vor einigen Jahren mit dem "AZ" in Heidelberg geschehen.

Es gibt viele Möglichkeiten, motivierten Jugendlichen zu zeigen, dass sie ihre Hobbys bitte nach dem Vereinsangebot ausrichten sollen, Musikmachen nur in der Schulband erwünscht ist, und der abendliche Treff mit Freunden der Wirtschaft dienen soll. Dies ist vielleicht übertrieben, doch sieht man immer wieder, dass selbstbestimmtes Leben nicht erwünscht ist. Den Kampf, den wir ums "Juts" führen mussten, führen viele Jugendliche und auch Erwachsene jeden Tag persönlich.

Ich hoffe, dass sie sich zusammen finden und organisieren, und so hoffe ich auch, dass das "Juts" noch lange existiert, ein Jugendhaus konkrete Formen annimmt, und sich weiterhin viele Jugendliche finden, die merken, wie wichtig es ist und wie viel Spaß es macht, seine Freizeit selber in die Hand zu nehmen und dadurch ein Stück weit unabhängig zu sein. Und wenn es nur von teuren Getränkepreisen ist...

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung