Schriesheim im Bild 2023

19.09.2007

Wir wollten Autorität und bekamen Dieter"

Von Carsten Blaue

Noch zwei Tage zuvor hatte Peter Hahne seine Füße in Kalifornien in den Pazifik gehalten. Und nun saß er in der bestens besuchten Schriesheimer Mehrzweckhalle und hörte "Großer Gott wir loben Dich" vom evangelischen Posaunenchor, der passend auf den Vortrag des Bestsellerautors und Stellvertretenden Leiters des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin einstimmte. Passend nicht nur deshalb, weil Hahne examinierter Theologe ist. Christliche Werte sollten in seinem Vortrag noch eine Rolle spielen. In knapp zwei Stunden rechnete er mit der Spaßgesellschaft ab – und das auf Einladung der Volksbank Neckar-Bergstraße, die ihren Mitgliedern, Kunden und Gästen einen wortgewaltigen Referenten präsentierte.

Keine Frage: Hahne riss mit, und das schon mit seiner glänzenden Rhetorik und seiner Körpersprache – von Jet-Lag jedenfalls keine Spur. Und man hatte ihn durchaus vor Augen, den Heidelberger Theologiestudenten, der damals in Handschuhsheim seine erste Predigt hielt. Auch in Schriesheim regte das Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Nachdenken an – mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme einer von Beliebigkeit geprägten Gesellschaft, so wie Hahne sie sieht, und mit einem Plädoyer für die Rückbesinnung auf alte Werte und Tugenden. Für Nuancen ließ Hahnes Klartext wenig Raum. Er polarisierte, weshalb er auch nicht alle Zuhörer zum Um- und Nachdenken bewogen haben dürfte, wohl aber die meisten, wenn man den Applaus nach und während des Vortrags richtig deutet.

Hahne stellte die Diagnose einer orientierungslosen Gesellschaft in Deutschland, die die Säulen der eigenen Kultur vernachlässigt, durch Politikerschelte an den Grundfesten des Staates rüttelt und eine kritische Nabelschau tabuisiert – etwa, was die demografische Entwicklung angeht. Man gewann den Eindruck einer verunsicherten Gesellschaft, die im Wortschatz vom Englischen infiziert, von "Multikulti-Seeligkeit" durchdrungen und vom selbstverschuldeten Bildungsnotstand gebeutelt ist. Letzteres auch mit der Folge, dass manchen jungen Leuten heute schlicht die Ausbildungsfähigkeit fehlt. Familie, Werte, Religion, Autorität: Das alles hätten schon die 68er abgeschafft und den Boden bereitet für die Spaßgesellschaft und ihre Folgen: "Wir wollten Autorität und bekamen Dieter", erinnerte sich Hahne griffig an die Pädagogik seiner eigenen Schulzeit damals.

Heute habe die Werte-Debatte alle Parteien erfasst, sagte der Journalist. Der "Wert der Arbeit" als Talkshow-Thema wäre vor Jahren noch unmöglich gewesen, bezog er sich auf Anne Wills Premiere am vergangenen Sonntag. Überdies müsse die Energie, die in der Freizeit der Spaßgesellschaft verpulvert werde, wieder "zurück an die Arbeitsplätze".

Hahne sprach sich für eine Normalisierung im Umgang mit der eigenen Nation aus. Dass das gelingen kann, habe bereits die Fußball-WM gezeigt. So nehme man radikalen Parteien zudem die Themen. Zugleich müsse die Toleranz aber Grenzen haben. "Auch hier brauchen wir einen Tabu-Bruch", so der Ehrenkommissar der Bayerischen Polizei: "Bis zum 11. September 2001 durfte man über vieles nicht mehr reden. Aber wir wollen wissen, was in Moscheen gepredigt wird." Zudem bedürfe es ernsthafter Integrationsbemühungen – auch der Muslime: "Und wenn wir dabei Deutschkenntnisse fordern, dann doch nur, damit deren Kinder nicht unter die Räder kommen."

Tabus brechen und auf Missstände hinweisen: Eine Linie, der Hahne auch bei einer Analyse der Elternhäuser treu blieb. Jede Elterngeneration habe die Kinder, die sie verdient: "Perspektivlosigkeit, Bindungs- und Bildungslosigkeit: Das haben wir verbrochen". Dabei seien es die jungen Leute, die die Trendwende wollen: "Sie wollen wieder Glaube, Familie und Ehe. Wir müssen es nur hören". Die Jugendlichen würden sich in Familie, Schule und Ausbildung nach Autoritäten sehnen, nach Richtungsvorgaben, machte Hahne eine "neue Sehnsucht nach alten Werten" aus, nach Tugenden und Leistung. Auch insofern sei die "GmbH, die Gesellschaft mit begründeter Hoffnung", in der Nachfolge einer maßlosen, egoistischen Single-Gesellschaft möglich.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung