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12.10.2007

Die Experten von auswärts reden Tacheles

Von Micha Hörnle

Manchmal tut Heidelberg so, als müsse man das Rad immer wieder neu erfinden, weil alles so einzigartig bei uns ist. Ein Irrtum, der auch für die Bahnstadt gilt. Denn andere Städte entwickeln ständig neue Stadtteile und machen ihre Erfahrungen. Und die obersten Chefs der Stadtplanungsämter, wenn auch teilweise schon im Ruhestand, versammelte die Initiative "Zukunft Bahnstadt" in der Halle 02. Christiane Thalgott aus München, Dorothee Dubrau aus Berlin, Volker Jescheck (Ulm, früher Freiburg) und Rudolf Schott aus Karlsruhe berichteten, wie ihre Städte größere Brachen, meist in Bahnbesitz, entwickelt haben.

Die Münchnerin Thalgott erklärte den Münchner Weg, der in gewisser Weise auch in Heidelberg angewandt wird: Wer ein Grundstück erschließt, der darf nur ein Drittel der Wertsteigerung behalten: zwei Drittel fließen in den Sozialen Wohnungsbau und die Infrastruktur (Straßen, Plätze, Parks, Kitas und Schulen), für die die Grundstückseigentümer sorgen müssen. Dabei schließt die Stadt mit dem Grundstücksbesitzer einen städtebaulichen Vertrag ab, der rein rechtlich interessant ist: Die Stadt bedient sich der in Heidelberg heiß diskutierten "Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme", die sie allerdings nicht durchzieht, denn sie kauft die Flächen nicht an, sondern schließt mit den Flächeneigentümern eine "Abwendungsvereinbarung". Kurz: Man zwingt die Investoren, die Flächen so zu erschließen, ohne dass die Stadt diese kaufen muss. Das funktioniert, meint Thalgott: "Wir sind bisher mit allen Grundeigentümern gut ausgekommen, denn sie wissen, was auf sie in München zukommt."

Bescheidener im Anspruch waren die Karlsruher. Dort schloss die Stadt bei dem innenstadtnahen Projekt "Stadtpark" mit der Bahn einen Rahmenvertrag ab, der relativ weich formuliert war. Daraufhin wurden die Häuser sehr eng gebaut.

Volker Jescheck berichtete von paradiesischen Zuständen aus Ulm. Dort ist es eine alte Tradition, dass die Stadt alle großen Grundstücke ankauft, wenn sie sie nicht schon längst besitzt. Das könnte auch eine Lehre für die Bahnstadt sein: "Es ist für einen solch großen Stadtteil optimal, wenn die Stadt Eigentümerin der größten Grundstücke ist." Denn nur die Stadt und nicht die Investoren sichere die Beteiligung der Bürger, die Bevorzugung kleinerer Baugruppen und die langfristige Entwicklung. Vor allem plädierte Jescheck dafür, dass die Freiraumplanung nicht zum Verschiebebahnhof von Nettobaulandberechnungen werden dürfe: "Der öffentliche Raum ist irrsinnig wichtig, denn er sorgt dafür, dass sich hier eine Adresse bildet." Etwas trüber war die Entwicklung in Berlin, hier diktierte der Sparzwang der bitterarmen Stadt die Planung. Aber immerhin konnte Ex-Baustadträtin Dubrau den Heidelbergern Tipps geben: "Die Stadt muss wissen, was sie will, sie muss für Qualität eintreten, sie muss die Zügel in der Hand behalten, sie braucht einen langen Atem, und sie muss mit einer Stimme sprechen."

Später in der Diskussion wurde sie noch deutlicher: Bei der Planung eines neuen Stadtteils "würde ich mir immer externen Fachverstand holen und mich nie vom Kämmerer beraten lassen". Sie empfahl Heidelberg dringend, die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme "sofort auszulösen, jeder Tag Warten kostet Geld". Immerhin: Die steht vor der Tür und wird dann ausgelöst, sollte sich bis Mitte Dezember die Stadt mit dem Konsortium nicht einigen können.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung