Schriesheim im Bild 2023

23.10.2007

Diese Ärzte helfen nicht nach dem „Gießkannenprinzip"

Von Stephanie Kuntermann

Die Welt ist ein Dorf. Wie es in diesem Dorf zugeht, beschrieb Jörg Bahr, Koordinator bei den "German Rotary Volunteer Doctors", einer humanitären Hilfsorganisation, die von den Rotariern getragen wird und deren Ärzte sich in Entwicklungsländern engagieren. Eingeladen wurde Bahr vom Rotary-Club Schriesheim-Lobdengau, dessen Präsident Dr. Horst Nienstädt ihn zum Vortragsabend im Saal des "Goldenen Hirschs" begrüßte. Zustande gekommen war der Kontakt über das Ehepaar Scharf, das mit Bahr in Nepal war.

Zurück zum "Dorf Welt": Von hundert Menschen weltweit sind 70 Analphabeten, 28 jünger als 15 Jahre, 51 unterernährt und 25 ohne sauberes Wasser. Jedes Jahr sterben 9,7 Millionen Kinder an Krankheiten wie Masern, Malaria, Durchfall oder Lungenentzündung. Im globalen Dorf sind auch 31 vom hundert Menschen ohne Arzt: So kommt beispielsweise in Ghana ein Urologe auf 5,8 Millionen Menschen. "Wir haben mittlerweile 21 Urologen, die dort ab dem nächsten Jahr eingesetzt werden können", so Bahr. Die Unterstützung durch den GRVD folgt bestimmten Grundsätzen: Man setzt auf "Hilfe zur Selbsthilfe" durch Aus- und Weiterbildung von Ärzten. Wichtig ist auch die Sicherheit der Helfer: "Wir wählen keine Krisengebiete, denn wir können es nicht verantworten, wenn beispielsweise im Iran einer unserer Ärzte entführt wird."

Außerdem werde gezielte Hilfe einem "Gießkannenprinzip" vorgezogen: Derzeit werden Krankenhäuser in Ghana und Nepal unterstützt, bald soll ein drittes Land folgen. Der Verein setzt in den beiden Einsatzorten auf gute Kontakte zur deutschen Botschaft, zum örtlichen Gesundheitsminister und zu ansässigen Organisationen wie den Dominikanerinnen in Ghana. Von Sachspenden in die Regionen hält Bahr wenig: "Wir kaufen die Geräte lieber vor Ort. Sie müssen tropentauglich sein und ans örtliche Stromnetz angeschlossen werden können."

Regelmäßige Kontrollen vor Ort sorgen dafür, dass nichts gestohlen, beschädigt oder verschoben wird: "Beim ersten Mal waren die Leute noch beleidigt, heute wissen sie, dass ich regelmäßig komme und meine Liste durchgehe." In Nepal konzentriert sich die Hilfe auf das Katmandu-Tal um die Hauptstadt, in dem etwa 15 Millionen Menschen leben. In die übrigen Gebiete sei dem GRVD von den Maoisten der Zugang verwehrt worden.

Die örtlichen Krankenhäuser leiden unter katastrophalen hygienischen Bedingungen, wie das Bild eines heruntergekommenen Krankenhausbetts zeigte. Hier warten die Patienten mitunter tagelang auf den Chefarzt. Der erledigt derweil Hausbesuche, weil er sonst nicht von seinem niedrigen Gehalt leben könnte. Hier hat der GRVD eine Augen- und eine HNO-Station eingerichtet, ein deutscher Zahnarzt behandelt hier unter primitiven Bedingungen seine Patienten. "Die plastischen Chirurgen behandeln in 14 Tagen etwa 300 Kinder", so Bahr. Sie operieren Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder Brandwunden mit beeindruckenden Ergebnissen.

In Ghana, wo der GRVD an fünf Orten Krankenhäuser betreut, haben es die Ärzte mit Tropenkrankheiten, Grünem und Grauem Star, Malaria oder riesenhaften Tumoren zu tun: "Die Leute gehen erst dann zum Arzt, wenn es wirklich nicht mehr anders geht."

Erschütternd war das Foto eines kleinen, schwer verletzten Jungen. Die Wunde, die den ganzen Arm bedeckte, hatte er sich beim Spielen an einem mit Chemikalien verseuchten Fluss zugezogen. Die Umweltschäden, die durch das Schürfen in den Goldminen verursacht werden, sind enorm. In Orten wie Akwatia oder Battor wird mit werdenden Müttern ein AIDS-Schnelltest gemacht. Infizierten Schwangeren wird zum Kaiserschnitt geraten und die Kinder mit immunstärkenden Medikamenten versorgt.

Das alles ist möglich durch den ehrenamtlichen Einsatz von Ärzten aller Fachrichtungen, die mindestens drei Wochen vor Ort sind. In den letzten acht Jahren stieg die Zahl ihrer Einsätze von vier auf 117. Dadurch kommen aber auch Kosten auf den 900 Mitglieder starken Verein zu, der ansonsten einen geringen Verwaltungsaufwand von 3,7 Prozent des Etats hat. Bahr warb dafür, eine "Patenschaft" für solch einen Einsatz zu übernehmen oder Mitglied im Verein zu werden.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung