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04.12.2007

„Es fehlt an selbstständigem Denken"

(keke) "Schule gestern, heute und morgen." Das hieß und heißt Antreten zum Morgenappell im Schulhof in den dreißiger Jahren ebenso wie der Gebrauch von Rohrstock und Backpfeife bis in die 50er hinein, antiautoritäre Erzie-hung in den Sechzigern, Gesamt- und Ganztagesschule, längeres gemeinsames Lernen, natürlich PISA und die Benachteiligung sozial schwächer gestellter oder aus "bildungsfernen Schichten" kommender Migrantenkinder.

Der Bogen beim "Generationen-Treff" der SPD war ebenso weit gespannt wie die sowohl mit ehemaligen Pädagogen und Erziehern als auch kurz vor dem Abitur stehenden Schülern besetzte Gesprächsrunde im "Schwarzen Adler" sachkundige Diskussionspartner um den Tisch versammelte. "Bildung entscheidet unsere Zukunft und ist die große soziale Frage unserer Zeit": Für den SPD-Ortsvorsitzenden Sebastian Cuny bedeutete das "Hamburger Programm" seiner Partei den idealen Einstieg ins Thema.

"Selbst- und Fremdevaluation", "Bürokratisierung der Schule" und "endlose Strukturdebatten", dafür aber "kaum noch Zeit für die Hauptpersonen" und eine echte Pädagogik : "Ich bin froh, dass ich raus bin", blieb die Kritik einer ehemaligen Lehrerin dabei ebenso nicht außen vor wie die Gewerkschaftsforderung "Eine Schule für alle". Konsens herrschte darüber, dass die angestrebte Veränderung von Schule bereits bei der besseren Ausbildung der Lehrer anfangen müsse. Der Hebel müsste zudem im Elternhaus angesetzt werden. Denn: "Was nützt die beste Ausbildung der Lehrer, wenn die Schüler gar nicht lernen wollen?" Nicht mehr die Vermittlung des Lernstoffs kennzeichne heute den Lehreralltag, sondern die Frage: "Wie bekomme ich Ordnung in meine Klasse, und wie kann ich der Aggressivität der Schüler Herr werden?" Einer der Knackpunkte für die zunehmende Verwahrlosung vieler Schüler sei neben PC und Internet die Tatsache, dass Eltern sich von jeglicher Erzie-hungsarbeit verabschiedet hätten, brachte es die Runde auf den Punkt. "Der Auf-schwung kommt unten nicht an": Wenn im Elternhaus dazu noch Trost- und Per-spektivlosigkeit infolge anhaltender Arbeitslosigkeit hinzu komme, schließe sich der Teufelskreis.

Aus Schülersicht war die Einführung der Ganztagesschule in der Diskussion "nicht gerade das Gelbe vom Ei". Es wurde die Frage erörtert, ob die Ganztagesschule tatsächlich dazu beitragen könne, "Wissen effizienter zu vermitteln". Ganztagesschule dürfe nicht heißen, Unterrichtsfächer zusätzlich auf den Nachmittag auszuweiten: "Das Angebot muss sich ändern." Wozu wiederum eine qualifizierte Betreuung und nicht nur die Aufsicht durch Aushilfskräfte nötig sei.

Wehe, die Batterien sind leer. Ohne elektronische Hilfsmittel, sprich Taschenrechner, geht heute nichts mehr. Obwohl von der heutigen Schülergeneration kaum noch jemand richtig Kopfrechnen kann.

Die provokante Frage, ob die Gesellschaft immer dümmer werde, stieß auf heftigen Protest. Die Jugendlichen von heute seien "nicht dümmer, sondern nur ungeübter". Aber: "Es fehlt an selbstständigem Denken, und in zu großen Klassen geht der Einzelne unter."

Sorgen bereitete der Runde die steigende Anzahl von Privatschulen. Was nichts anderes bedeute, als dass sich in den staatlichen Schulen mehr und mehr die Kinder sammelten, deren Eltern sich nichts anderes leisten könnten: "Die we-nigsten Eltern sind Überzeugungstäter, die ihre Kinder deshalb auf die Staats-schulen schicken, weil sie glauben, dass diese besser sind."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung