Schriesheim im Bild 2023

08.12.2007

Nico las am besten vor

Von Karin Katzenberger-Ruf

Hans-Jürgen Krieger, Rektor der Kurpfalz-Realschule, wirkt wehmütig. Es ist schließlich das letzte Mal, dass er beim Vorlesewettbewerb der sechsten Klasse in der Jury sitzt. Er erinnert sich, dass er in seiner Jugend in Mannheim selbst mal an so einem Wettbewerb teilnahm und Schulsieger wurde. Auf Kreisebene waren dann andere besser. Was er gelesen hat, weiß er nicht mehr genau, sagt aber: "Ich glaube, es war was von Karl May".

Es ist 8.30 Uhr, als Darlene Bausch (6 a), Angelina Zimmer (6 b) und Nico Grittmann (6 c) in die dem Schulzentrum angegliederte Stadtbibliothek kommen, um im kleinen Kreis vorzulesen. Neben dem Rektor sitzen der Leiter der Stadtbibliothek, Thomas Michael, und die Lehrerinnen Ursula Troendlin, Katja Schwander und Gabriele Uhl in der Jury. Sie haben keine leichte Aufgabe. Denn leistungsmäßig liegen die beiden Mädchen und der Junge dicht beieinander.

Klar, dass sie aufgeregt sind, zum Teil zu schnell lesen, sich verhaspeln oder die Stimme monoton wird. Das ist auch bei Nico so, der zuvor allerdings bewiesen hat, dass er beim Lesen in verschiedene Rollen schlüpft und schließlich zum Sieger gekürt wird, der nächstes Jahr auf Kreisebene weiterkommen kann.

Das Buch seiner Wahl ist eine Detektivgeschichte mit dem Titel "Skulduggery Pleasant" von Derek Landy und gilt in Fachkreisen als Antwort auf Harry Potter. Das Werk hat sich der Zwölfjährige übrigens aufgrund eines Buchtipps in der Zeitung gekauft. Als er vor dem Vorlesen den Inhalt vorstellen soll, hält er sich kurz und knapp.

Angelina, die sich für die Geschichte "Uli und der rote Hahn" von Andreas Schwantge entschied, beschreibt alles etwas ausführlicher. Auch dieses Werk hat was Detektivisches: Die Hauptfigur ist einem Brandstifter auf der Spur beziehungsweise einer Brandstifterin, wie sich herausstellt. Aus "Lieben verboten" von Susi Flegel liest Darlene Bausch. Darin geht um die vierzehnjährige Isa, die ihre Tante Florentine in den Club-Urlaub auf einer Mittelmeer-Insel begleitet. Die Tante ist enttäuscht. War sie doch gerade frisch verlobt, als der Bräutigam schon wieder Schluss gemacht hat. An seiner Stelle macht nun Isa mit ihr Ferien. Nur soviel: Die Tante findet ein neues Glück.

Doch mit den Texten, die sich die Kinder ausgesucht haben, ist der Vorlesewettbewerb noch nicht beendet. Sie müssen auch aus einem "Fremdtext" lesen. Gabriele Uhl hat dafür das Buch "Rolfs Geheimnis" von Stefan Gemmel ausgesucht. Der Autor war jüngst zu einer Lesung für Fünftklässler in der Stadtbibliothek zu Gast. Ihn hat die Lehrerin als humorvollen Menschen kennen gelernt. Dennoch hat sein Buch Tiefgang. Es handelt von einem Jungen, der von seinen Mitschülerinnen und Mitschülern eher gemieden wird. Doch Rolf hat kein leichtes Schicksal. Er muss sich nachmittags, wenn die anderen gemeinsam spielen, um seinen behinderten kleinen Bruder kümmern. Wie zu erfahren ist, hat Stefan Gemmel selbst Erfahrung im Umgang mit Behinderten, was ihn offenbar auch zum Schreiben der Geschichte bewegte. Diese trägt übrigens den Untertitel: "Und wir dachten alle immer, der spinnt nur..." Welche Rolle spielt das Lesen am Bildungszentrum? Bibliotheksleiter Thomas Michael sagte, er sei "extrem zufrieden" mit der Nachfrage.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung