Schriesheim im Bild 2023

20.12.2007

„Das macht Kommunalpolitik in Schriesheim so spannend"

„Das macht Kommunalpolitik in Schriesheim so spannend"

Von Carsten Blaue

Hansjörg Höfer zeigte sich zufrieden mit dem, was er und seine Verwaltung in diesem Jahr erreicht haben. Der Bürgermeister blickte auch voraus: "Die Stadt steht vor tiefgreifenden städtebaulichen Veränderungen und weitreichenden Entscheidungen." Foto: Peter Dorn

Die Realschulerweiterung, die Grundsatzbeschlüsse zum Mensa-Neubau und zum neuen OEG-Bahnhof, der Ausbau der Kinderbetreuung, neue Entwicklungen in Sachen Branichtunnel, das neue Einzelhandelskonzept, der Ärger mit Götz und lebhafte Gemeinderatssitzungen: Nur einige Themen in einem ereignisreichen Jahr für Schriesheim und Bürgermeister Hansjörg Höfer. Im RNZ-Gespräch zieht der Verwaltungschef eine Bilanz.

Herr Höfer, wie fällt Ihre persönliche Jahresbilanz 2007 aus?

Es war ein anstrengendes Jahr. Beruflich war es erfolgreich. Und privat war es ein sehr einschneidendes Jahr durch den Tod meiner Mutter.

Sie beklagten, dass die Amtsleiter dieses Jahr aus dem Reihen des Gemeinderats teilweise auch persönlich angegriffen wurden.

Mein Erster Stellvertreter, Siegfried Schlüter, sprach das ja schon in der letzten Gemeinderatssitzung an. Und es ging sogar noch weiter. Es wurde unterstellt, dass Amtsleiter nicht die volle Wahrheit gesagt hätten. Das weise ich hier nochmal zurück.

Auch Sie mussten sich Kritik gefallen lassen – sei es von der CDU wegen unvollständiger Sitzungsvorlagen, sei es von der SPD, die unter anderem Ihren Umgang mit dem Gremium bemängelte. Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?

Ich kann mich im Gremium gegen Kritik wehren. Die Stadt steht vor tiefgreifenden städtebaulichen Veränderungen und weitreichenden Entscheidungen. Jeder im Gemeinderat, das spürt auch die Bevölkerung, nimmt an den Entwicklungen Anteil. Da bleibt Streit nicht aus.

Auch über den neuen OEG-Bahnhof wurde gestritten. Wie bewerten Sie das Ergebnis der schier endlosen Diskussionen über die Planung?

Ich bin mit dem Kompromiss zufrieden. Dabei sind die Diskussionen nicht immer optimal gelaufen. Wir haben uns viel über Details gestritten. Wir werden sehen, ob es sich gelohnt hat. Ich hoffe es jedenfalls.

Gerade die Zukunft der Unterführung war so ein Detail.

Da kam auch Druck von außen auf den Gemeinderat. Es wurde mit Leben und Tod diskutiert, und das diente nicht der Sache. Ich habe aber Respekt vor der Angst der Eltern.

Der Gemeinderat war durchaus irritiert darüber, als Sie die Schließung der Unterführung so kurz vor der Sitzung von der Tagesordnung nahmen.

Dadurch blieb die Unterführung auf. Damit ist das Thema abgehakt.

Durch den neuen behindertengerechten Überweg über die B3 sind deren Tage aber wohl gezählt. Denn wer wird die Unterführung dann noch benutzen?

Man sollte erstmal abwarten, wie sich das entwickelt. Zudem ist der neue Überweg richtig. Ausgerechnet denen den weitesten Weg zum Bahnhof zuzumuten, die am schlechtesten zu Fuß sind, ist nämlich auch nicht gerade modern.

Wie geht es jetzt weiter mit dem OEG-Bahnhof?

Im Frühjahr soll es einen gesonderten Genehmigungsantrag für den neuen Bahnhof geben, denn er ist nicht Teil des Planfeststellungsantrags für den zweigleisigen Ausbau der OEG zwischen Schriesheim und Weinheim.

Die CDU monierte, dass Sie den Gemeinderat zu spät über die Neubaupläne für den Bahnhof informiert hätten.

Wir haben dann etwas herausgegeben, wenn es auch vorzeigbar war. Die Freien Wähler waren in der ganzen Debatte übrigens ganz unaufgeregt und verwiesen auf unsere begrenzte Mitsprache als Stadt. Wir planen den Bahnhof ja nicht.

Im Gemeinderat hieß es dennoch, dass Sie die Positionen der Fraktionen besser hätten bündeln und moderieren müssen – eine Empfehlung, die an Sie auch in Bezug auf die Zukunft des Restgeländes am Bahnhof gegeben wurde.

Die Fraktionen würden ihre Positionen nie interpretieren lassen. Sie brauchten die Zeit zur Meinungsfindung. Da lässt sich nicht viel moderieren.

Also werden die Debatten zur städtebaulichen Nutzung rund um den OEG-Bahnhof endlos?

Nein, das wird straff durchgezogen. Wir bauen hier ja nichts, sondern legen im Bebauungsplan die Planziele fest. Gegenüber potenziellen Investoren wird ein geschlossenes Auftreten von Verwaltung und Gemeinderat wichtig sein.

Wie geht es denn mit dem Gutachterverfahren weiter, das stadtplanerische Anregungen für das Gelände zwischen Römerstraße, Passein, B 3 und Schillerstraße bringen soll? Der Zeitplan ist ja etwas in Verzug.

Wir haben jetzt 19 Planungsbüros angeschrieben. Davon wird der Ausschuss des Gemeinderats in der zweiten Januar-Woche fünf auswählen. Zudem will die Verwaltung einen neutralen Experten zur Beratung und Bewertung hinzuziehen. Es stimmt, dass wir jetzt schon wesentlich weiter sein wollten. Aber an sechs Wochen Verzug wird es nicht scheitern. Am 1. Juni wollen wir die bewerteten Planungen der Gutachter und der Studenten der Uni Stuttgart beim Bürgertag vorstellen.

Und wann wird der Bebauungsplan "OEG-Bahnhof" fertig?

Ende 2008. Dann darf aber nichts dazwischen kommen.

Auch im Schulzentrum hat sich dieses Jahr einiges getan. Denken wir an die Einweihung des Erweiterungsbaus der Realschule oder an den Grundsatzbeschluss zum Bau der Mensa.

Ja, dieser Grundsatzbeschluss war etwas ganz Großes dieses Jahr. Der Gemeinderat hat gezeigt, dass er hinter der Schulstadt und hinter dem Profil "Kinderfreundliche Stadt" steht und es nachhaltig stärken will. Die Schul- und Kinderpolitik ist ein Eckpfeiler der Schriesheimer Kommunalpolitik, und hier herrscht fast immer Einigkeit.

Mal abgesehen davon, dass die CDU Sie in der Mensa-Debatte vor einer Urheberrechtsklage des Architekten Prof. Lothar Götz gewarnt hat, der das Schulzentrum geplant hat.

Mein Standpunkt ist klar: Wir sind Eigentümer des Schulzentrums und haben das Recht, den Architekten frei zu wählen. Der Gemeinderat hat sich für Norbert Morast entschieden. Er wird im Januar seine Pläne vorlegen.

Und wie geht es mit Ihnen und Götz weiter?

Ich bin offen für einen Kompromiss. Götz ist ein verdienter Planer. Und menschlich fällt es mir schwer, mit ihm vor Gericht zu stehen. Ich möchte das abwenden. Ich habe daran kein Interesse.

Sie sprachen die Kinderfreundlichkeit Schriesheims an. Wie bewerten Sie die diesjährige Entwicklung in Bezug auf das Betreuungsangebot?

Darin steht Schriesheim an der Spitze im Rhein-Neckar-Kreis. Wenn die Eltern es wünschen, werden ihre Kinder vom ersten bis 15. Lebensjahr unter der Woche täglich von 7.30 bis 17.30 Uhr betreut. Unser Angebot ist nicht zu toppen. Und dazu kam dieses Jahr noch der "Waldkindergarten". Die Eltern kamen auf uns zu mit der Idee, und wir haben sofort versucht, das umzusetzen. Schon drei Monate später hatten wir ein Grundstück. Überhaupt fügt die Verwaltung der klaren Linie des Gemeinderats in den Fragen der Schul- und Betreuungspolitik kleine, wichtige Details bei, die sich auswirken.

Zum Beispiel?

Der Schulbustransfer vom Branich und der Buseinsatz von der Strahlenberger Grundschule zum Hort. Dann das Engagement von unserer Jugendsozialarbeiterin Jana Burwitz, die in der Hauptschule eine Hausaufgabenbetreuung anbietet. Im Hauptschulbereich ist mehr Personal dringend erforderlich. Hier ist das Land aufgerufen: Gebt mehr Personal für diesen Schulzweig! Es lohnt sich. Nicht vergessen möchte ich auch meine Besuche bei den Neugeborenen.

Sie bekommen von Ihnen ein T-Shirt, auf dem "Willkommen in Schriesheim" steht.

Richtig. Rund 120 Kinder sind es jedes Jahr. Ich komme auf Wunsch persönlich vorbei. Das macht mir Spaß, und ich habe Gelegenheit, mit den Eltern ausführlich zu sprechen.

Überraschend waren dieses Jahr die neuen Hoffnungen auf den Bau des Branichtunnels. Staatssekretär Georg Wacker hatte ein Sonderprogramm in Höhe von 60 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren für den Landesstraßenbau angekündigt. Denken Sie, dass der Tunnel jetzt gebaut wird?

Davon gehe ich aus. Der Ministerpräsident und der Innenminister haben sich ja auch positioniert. Dabei ist es aber egal, ob der Tunnel im Jahr 2011 oder 2013 kommt. Klar ist, dass wir auch für die Bürger in "Nord" einen optimalen Lärmschutz wollen. Und einen so geringen Eingriff in das Landschaftsbild wie möglich. Die Möglichkeit einer Einhausung der Tunnelzufahrt möchte ich aufgreifen.

Das Verkehrsproblem Talstraße wird durch den Tunnel eigentlich nach Altenbach verlagert, oder?

Altenbach wird zunächst mal besser angebunden und dadurch auch für junge Familien attraktiver. Das ist auch nötig, wenn wir hier die Grundschule halten wollen. Der Gemeinderat hat zudem Gelder für die Planung des neuen Ortsmittelpunktes zur Verfügung gestellt. In dieser Planung sollte man die steigende Verkehrsbelastung berücksichtigen.

Wie geht es in Altenbach eigentlich in Sachen Winterdienst weiter?

Es schneit ja nicht mehr! Aber ernsthaft: Ich stehe beim Ortschaftsrat im Wort. Im ersten Vierteljahr im kommenden Jahr werden wir das diskutieren. Ich will eine finanzierbare und umsetzbare Lösung. Und wenn wir das selber können, warum nicht?

Und wann gibt es die neue Friedhofskapelle?

Der Kompromiss, die Trauergottesdienste im Winter in den Kirchen zu halten, ist gut. Wir haben auf dem Friedhof jetzt erstmal die Wege befestigt.

Und in Ursenbach?

Da hat der Gemeinderat Mittel für den neuen Bolzplatz genehmigt.

Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zum Gemeinderat?

Das Verhältnis war teilweise sehr durch die reine Sacharbeit geprägt. Bei der Weihnachtsfeier hat man aber gesehen, dass es keine unüberwindbaren Hindernisse gibt. Da rückt man dann wieder zusammen.

Die nächste Kommunalwahl ist am 13. Juni 2009. Befürchten Sie, dass der Wahlkampf schon am 1. Januar 2008 beginnt?

Wenn’s der Sache dient, kann der Wahlkampf ruhig so früh beginnen. Aber der Bürger hat ein feines Gespür dafür, wenn sich eine Partei nur wahltaktisch verhält. Und wer sich nur verweigert, der zeigt, dass er keine Lösungen hat.

Wie schwer ist es für Sie, im Gemeinderat keine strukturelle Mehrheit zu haben?

Ich kann es mir gar nicht anders vorstellen. Vielleicht wäre es anders leichter. Aber die Fraktionen nehmen ihre Aufgabe wahr und lassen sich nicht steuern. Und das macht die Kommunalpolitik in Schriesheim so spannend. Das ist immer eine Werbung für die Politik an sich.

Was versprechen Sie sich vom Einzelhandelsgutachten, das dieses Jahr in Auftrag gegeben wurde?

Ich verspreche mir davon eine gewisse Planungssicherheit. Das Gutachten wird uns sagen, in welchen Sortimenten die Produktpalette gesättigt ist oder wo noch Bedarf besteht. So können wir die Entwicklung besser steuern. Aber die Einflussmöglichkeiten der Gemeinde darf man nicht überschätzen. Wir haben nicht alles in der Hand, denn wir sind weder Makler, noch Eigentümer oder Investor.

Wie geht es bezüglich des Einzelhandelsgutachtens weiter?

Am 7. Januar wird die projektbegleitende Arbeitsgruppe tagen. Auch der Gemeinderat wird über die bisherigen Ergebnisse noch im Januar informiert.

Sie haben dieses Jahr den geplanten Umzug von Aldi und Rewe aus dem Gewerbegebiet auf das Gschwander-Gelände begrüßt. Warum?

Weil damit ein Stück Versorgung näher an die Stadt rückt. Entscheidend ist, was aus dem frei werdenden Gelände im Gewerbegebiet wird. Gut vorstellbar wäre Handwerk und Dienstleistung an dieser Stelle. Es gibt Firmen in Schriesheim, die expandieren wollen. Ich habe großes Interesse daran, sie in der Stadt zu halten.

Auch eine Frage der Wirtschaftsförderung. Hier tut die Stadt zu wenig, oder?

Wir müssen da mehr Manpower hineinstecken, ganz klar. Auch in die Tourismusförderung. Sonst hätten wir die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Also wird die Verwaltung jemanden einstellen, der eine Art Stadt-Marketing in die Hand nimmt?

Wie wir das personell machen, müssen wir im Gemeinderat besprechen. Klar ist aber, dass Schriesheim viel zu bieten hat. Und das muss kommuniziert werden. Wir müssen uns kulturell in der Metropolregion nicht verstecken. Wir haben eine wunderschöne Landschaft und eine reizvolle Stadt, die wir städtebaulich weiter stärken. Die Vereine mit ihrem schier unerschöpflichen Reservoir an Menschen, Ideen und Kräften sorgen in diesen Rahmenbedingungen für Feste, Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen und vieles mehr. Auch der beschilderte Altstadtrundweg und der geplante Themenweg im Gebiet der Rebflurbereinigung werden neue Anziehungspunkte, auf die wir aufmerksam machen müssen.

Die Stelle eines "City-Managers" ist sicher auch eine Frage der Finanzen, womit wir beim Haushalt wären. Zusammen drei Millionen Euro neue Schulden in den Jahren 2009 und 2010: Das stieß dem Gemeinderat schon in der Verabschiedung des Haushalts 2008 sauer auf.

Diese neuen Schulden will ja auch niemand. Die mittelfristige Finanzplanung ist auch eher als Zeichen zu verstehen, dass man sich zwar viel wünschen kann, aber nicht alles bezahlbar ist. Wir bleiben von den Steuereinnahmen abhängig.

Werden Sie sich zwischen den Jahren mal etwas ausruhen?

Wir werden den Mathaisemarkt vorbereiten. Aber zum Durchschnaufen wird sicher auch mal Zeit sein.

Was wünschen Sie sich für das Jahr 2008?

Dass es genauso erfolgreich wird wie das Jahr 2007. Alles, was geplant war, wurde auch umgesetzt.

Herr Höfer, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung