Schriesheim im Bild 2023

21.12.2007

„Wir treffen Sachentscheidungen frei von Ideologien"

„Wir treffen Sachentscheidungen frei von Ideologien"

"Die Parteien haben sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt", sagt Friedrich Ewald über die Diskussionen zum Neubau des OEG-Bahnhofs. Foto: Peter Dorn

Mit Friedrich Ewald beginnt die RNZ ihre Serie der Jahresgespräche mit den Schriesheimer Fraktionschefs im Gemeinderat. Der Freie Wähler blickt zurück auf die großen Themen, die Schriesheim bewegten. Dabei kritisiert er das Verhalten der Parteien in der OEG-Debatte und fordert ein Ende der Zusammenarbeit mit Prof. Lothar Götz. Mit Friedrich Ewald sprach RNZ-Redakteur Carsten Blaue.

Herr Ewald, warum gibt es das sogenannte "Bürgerliche Lager" im Gemeinderat nicht mehr?

Die Frage überrascht mich. Ich weiß natürlich, dass CDU und Freie Wähler in Schriesheim als solches bezeichnet werden. Insofern gibt es das "Bürgerliche Lager" auch noch. Ansonsten muss es um der Sache willen möglich sein, andere Meinungen zu haben und andere Entscheidungen zu treffen.

Zum Beispiel bei der Einschätzung, ob Architekt Götz in Sachen Mensa mit einer Urheberrechtsklage Erfolg hätte. Die CDU warnte davor und verwies auf den Architektenvertrag, die Freien Wähler sahen dafür keine Chance.

Es muss von der Verwaltung jetzt mal juristisch geklärt werden, ob dieser Architektenvertrag für das Schulzentrum noch so uneingeschränkt, auf ewig und für alles Gültigkeit hat.

Im Rechtsstreit um die öffentlichen Flächen in der Herren- und in der Entengasse hat die Stadt gegen Götz in zweiter Instanz verloren.

Wir müssen das Risiko bei der Mensa eingehen. Es geht um einen Vertrag aus den 70er Jahren. Juristisch gibt es seither sicher neue Erkenntnisse. Und wenn ich in den Haushaltsberatungen hören muss, dass der Haushaltsansatz für die Umgestaltung des oberen Schulhofs für Honorar verbraucht wird, ohne dass sich nur ein Steinchen verändert hat, dann geht es in dieser Rechtsfrage auch mal um Grundsätzliches. Götz hat Verdienste um die Altstadt. Jetzt muss es aber auch mal gut sein. Entweder man beendet die Zusammenarbeit im gegenseitigen Einvernehmen oder eben vor Gericht.

Warum waren die Freien Wähler an der öffentlichen Diskussion zum neuen OEG-Bahnhof so unbeteiligt?

Wir waren sehr wohl beteiligt. Wir haben uns in diesem hoch sensiblen Thema dazu entschieden, uns auf die Mitwirkung in den Gremien zu konzentrieren. Die öffentlichen Bürgerinformationen des Bürgermeisters waren völlig richtig. Das verstehen wir unter Bürgerbeteiligung. Die Parteien haben sich zudem sehr weit aus dem Fenster gelehnt, machten Versprechungen und waren dadurch in ihrer Entscheidung nicht mehr flexibel genug. Für mich war das eine neue Form der Kommunalpolitik.

In Sachen Sicherheit hat der Gemeinderat aber doch eine Veränderung der Planung erreicht.

Das war der kleinste Nenner, damit es überhaupt eine Entscheidung gibt. Das Wort "Sicherheit" wurde hier doch als Totschlagargument missbraucht. Das Thema Unterführung wurde extrem hochgespielt. Sie wird nicht mehr lange Bestand haben. Aber ich räume ein, dass die Unterführungsfrage auch in unserer Fraktion kontrovers diskutiert wurde.

Auch eine Frage an den Volksbank-Vorstand: Was wird aus dem Raiffeisenmarkt im Zuge der städtebaulichen Veränderung rund um den OEG-Bahnhof?

Das weiß ich nicht. Nach unserem Willen – also sowohl in der Fraktion als auch in der Bank – wird er erhalten. Das will auch der Pächter, die ZG Karlsruhe.

Am jetzigen Standort?

Bis jetzt ja. Der Standort ist für die innerörtliche Versorgung sehr gut.

Aber er ist städtebaulich keine Zier.

Das ist richtig. Die Planungen werden zeigen, was auf dem Gelände möglich ist.

Welche Nutzung des OEG-Areals schwebt den Freien Wählern vor?

Wir können uns eine Mischnutzung aus Wohnen, Büros und Praxen vorstellen. Auch Dienstleister könnten sich hier ansiedeln.

Und was sollte auf das Gschwander-Gelände?

Dazu kann man nicht viel sagen. Die Stadt hat kaum Chancen, beim Umzug von Aldi und Rewe auf das Gelände einzugreifen. Die Frage ist, was auf die frei werdende Fläche im Gewerbegebiet kommt und welchen Einfluss die Stadt hier hat. Wir wollen hier keine Nutzung, die kleinere, innerörtliche Versorger noch weiter gefährdet. Auch das Einzelhandelsgutachten wird hoffentlich Aufschlüsse geben. Es gilt, den Handel zu stärken, wo das möglich ist.

In der Heidelberger Straße beklagten sich Einzelhändler dieses Jahr über die Auswirkungen der neuen Verkehrsführung rund um das Gewerbegebiet.

Das muss man differenziert sehen. Die Heidelberger Straße war schon immer zweigeteilt in ihrer Frequentierung. Von der Talstraße bis zur Entengasse ist sie "Einkaufsmeile", dahinter eher Durchfahrtstraße. Die Probleme gibt es also nicht erst seit der neuen Einbahnstraße im Dossenheimer Weg. Ich halte die Verkehrsregelungen in "Süd" unter den örtlichen Gegebenheiten für gut.

Kritiker sagen, der Verkehr habe sich nur verlagert.

Ich bin sicher, dass wir in einem Vierteljahr andere Umfrageergebnisse haben. Die Panoramastraße beispielsweise ist nicht auf Dauer eine gute Umfahrung. Wir müssen mehr über die Ortsdurchfahrt nachdenken und Lösungen finden. Wir haben mal viel Geld investiert für die Einfahrt ins Gewerbegebiet. Diese muss über die B 3 besser genutzt werden.

Glauben Sie, dass der Branichtunnel kommt?

Ich bin kein Politiker. Ich kann nur hoffen, dass sich Georg Wacker mit seiner Meinung in der Landesregierung behaupten kann. Für Schriesheim und die Talstraße wäre der Tunnel wünschenswert. Auch ich habe aber die Sorge, dass das Verkehrsproblem teilweise nach Altenbach verlagert wird.

Die Freien Wähler stehen hinter der Rebflurbereinigung. Nun ist hier ein Themenweg geplant, und die Beschilderung des Altstadtrundwegs kommt. Tut die Stadt genug, um ihre touristischen Attraktionen zu vermarkten?

Durch die Mitgliedschaft in Tourismus-Vereinen wie "Die Bergstrasse" haben wir damit begonnen. Im Zusammenspiel mit Stadt und Verkehrsverein sind wir da auf einem guten Weg. Das müssen wir weiterverfolgen.

Bürgermeister Höfer lobte die Einigkeit des Gemeinderats in Sachen Kinderbetreuung.

Hier haben wir letztlich auf einer sehr gelungenen Grundlage einen wichtigen, guten Weg beschritten. Die Gesellschaft braucht diese Anreize erweiterter Betreuungsmöglichkeiten. Das wird keine vorübergehende Erscheinung sein. Man muss Familie und Arbeit heute für Väter und Mütter möglich machen. Sonst kann die Gesellschaft nicht wachsen.

Man hatte den Eindruck, dass die Freien Wähler mit der Arbeit von Bürgermeister Höfer zufrieden sind. Welche Note würden Sie ihm denn geben?

Ihr Eindruck ist richtig, aber Worte sagen da mehr als eine Schulnote. Wir kommen gut mit ihm zurecht. Wir haben keinen Grund, schroff auf ihn zu reagieren. Wir Freien Wähler treffen Sachentscheidungen frei von Ideologien.

Wie bewerten Sie die Haushaltslage? Das nächste Jahr sieht ja so gut aus, wie lange nicht. Aber in den Jahren 2009 und 2010 sind insgesamt drei Millionen Euro neue Schulden geplant.

Da müssen wir noch mal in uns gehen, und zwar gemeinsam mit der Verwaltung. Wir wollen diese neuen Schulden nicht und müssen sehen, welche Investitionen wir strecken können. Bei der Einkommenssteuer liegen wir recht gut. Da zahlen sich unsere Neubaugebiete aus. Sie sind lebensnotwendig. Wenn ich daran denke, wie wir für "Nord" und "Fensenbäume" belächelt wurden damals. Wir haben uns durch die Häme aber nicht aus dem Konzept bringen lassen. Durch den Zuzug von Bürgern stärken wir den Einzelhandel, die Schulen, die Betreuungseinrichtungen und unseren Ruf als "kinderfreundliche Stadt".

Auch an Sie die Frage: Glauben Sie, dass der Kommunalwahlkampf schon am 1. Januar 2008 beginnt?

Ich befürchte es. Gut finde ich das aber nicht. Wir würden uns da der großen Politik annähern und die Kommunalpolitik konterkarieren.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung