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27.12.2007

„Wir wussten nicht immer, was die Verwaltung will"

„Wir wussten nicht immer, was die Verwaltung will"

"Wir sind ein Tandem", sagt Paul Stang über sich und seinen Vorgänger im Fraktionsvorsitz, Siegfried Schlüter. Foto: Peter Dorn


Im Januar trat Paul Stang die Nachfolge von Siegfried Schlüter als Sprecher der CDU-Gemeinderatsfraktion an. Seitdem gab es viel zu tun für Stang, der nicht gerade glücklich darüber ist, dass seine Fraktion und die Freien Wähler dieses Jahr im Gemeinderat nicht immer einer Meinung waren – und das gerade bei den großen Themen. Zu diesen äußert sich der neue Unionsfraktionschef im RNZ-Jahresgespräch. Auch zur neuen Führungsstruktur innerhalb der Fraktion nimmt er Stellung. Die Fragen stellte RNZ-Redakteur Carsten Blaue.

Herr Stang, haben Sie sich an die Rolle des Fraktionssprechers gewöhnt?

Ja. Als ich die Funktion Anfang des Jahres übernahm, wusste ich nicht, dass so viel Arbeit auf mich zukommt. Aber es war klar, dass die Fraktion hinter mir steht. Auch die Loyalität von Siegfried Schlüter ist mir wichtig. Seine Erfahrungen möchte ich nicht missen.

Er ergreift im Gemeinderat noch oft das Wort. Wer hat denn nun das Sagen in der Fraktion?

Wir sind ein Tandem. Siegfried Schlüter ist Erster Bürgermeisterstellvertreter, ich bin Fraktionschef. Ich werde ihn immer einbeziehen.

Das "Bürgerliche Lager" war sich dieses Jahr nicht immer einig.

Das hat nach außen wirklich keinen geschlossenen Eindruck gemacht. Die Freien Wähler und wir von der CDU hatten gerade in den wichtigen Entscheidungen – also bei der Mensa, beim OEG-Bahnhof und dem Sanierungsgebiet Altstadt – unterschiedliche Vorstellungen. So war das noch nie. Für mich war das unbefriedigend.

Die CDU hat in den Debatten des Gemeinderats bei allen Themen, die Sie gerade ansprachen, für Vertagungen plädiert. Was war das für eine Blockadehaltung?

Das hat mit Blockade gar nichts zu tun. Die Verwaltungsvorlagen waren einfach schlecht begründet, unvollständig und lückenhaft. Wir wollten den Konsens, wussten aber nicht immer, was die Verwaltung will. Beim Mensa-Beschluss haben wir unsere Verpflichtung gesehen, die Stadt vor finanziellem Schaden durch eine Klage von Prof. Lothar Götz zu bewahren. Vertrag ist Vertrag. Wenn man ihn ändern will, muss man reden. Daher ist es gut, dass sich Höfer und Götz getroffen haben. Leider viel zu spät.

Also kein später Groll gegen den "grünen" Bürgermeister?

Wegen der verlorenen Bürgermeisterwahl? Auf keinen Fall! Es geht um die Stadt und die Bürger. Das hat doch auch die SPD erkannt. Hansjörg Höfer bemüht sich und will das Beste. Wir haben ihn nie attackiert, sondern haben nur Grenzen aufgezeigt. Zum Beispiel in der Mensa-Frage. Dazu sind wir verpflichtet.

Was sind denn in Sachen Mensa Ihre Befürchtungen?

Im schlimmsten Fall, dass Götz eine einstweilige Verfügung erwirkt, sich alles verzögert und die Zuschüsse verfallen. Wir jedenfalls hätten das von der GPA, der Gemeindeprüfungsanstalt, überprüfen lassen.

Höfer sagt, die GPA hätte sich nie festgelegt in dieser Sache.

Sie wurde ja nicht mal gefragt. Klar ist, dass es uns um die Sache geht, anderen um Personen. Wenn die Lage rechtlich eindeutig ist, dann ist uns Norbert Morast als Planer aus Schriesheim natürlich auch sehr recht.

Auch mit der Aufhebung des Sanierungsgebiets Altstadt waren Sie nicht glücklich.

Warum machen wir das denn auch so Hals über Kopf? Die steuerlichen Vergünstigungen für Investoren durch die Satzung sind doch das A und O. Man hätte auch einzelne Grundstücke herausnehmen können. Da war die Vorlage nicht deutlich.

In der Bahnhofsdebatte hat die CDU beklagt, dass der Bürgermeister die Pläne zu spät auf den Tisch gelegt habe.

Das spielte weniger eine Rolle. Es kann aber nicht sein, dass der Gemeinderat eine Vorlage bekommt, über die es zehn Tage später eine Bürgerversammlung gibt und nochmal eine Woche darauf schon eine Entscheidung des Gemeinderats. Unsere Bedenken wurden in der Bürgerversammlung bestätigt.

Friedrich Ewald sagte im RNZ-Jahresgespräch, die Parteien hätten sich in ihren Veranstaltungen zum OEG-Bahnhof sehr weit aus dem Fenster gelehnt und Versprechungen gemacht.

Alles, was wir in der Planung für die Sicherheit der Fahrgäste erzielt haben, hätte es mit der Haltung der Freien Wähler nicht gegeben. Die Gespräche mit den Bürgern waren sehr wichtig. Mit Einigkeit im Gemeinderat hätten wir sogar die Planung des Bahnhofs an sich beeinflussen können. Für uns hatte die Sicherheit immer Priorität. Das Städtebauliche war hier zweitrangig.

Die Beratungen über die städtebaulichen Veränderungen rund um den Bahnhof werden das nächste Jahr bestimmen.

Und dabei darf es solche Diskussionen wie in diesem Jahr nicht mehr geben. Daher wollen wir einen neutralen Moderator mit Fachwissen, der von allen akzeptiert wird.

Bürgermeister Höfer hat gesagt, dass er solch einen Moderator einbeziehen möchte.

Gut, dass er das macht. Zumal wir von der CDU das in nicht öffentlicher Sitzung des Bauausschusses vorgeschlagen haben.

Sie persönlich sind als Großvater immer auch stark beim Thema Kinderbetreuung engagiert. Sind Sie zufrieden mit den Entwicklungen dieses Jahres?

Das war eine einwandfreie Arbeit der Verwaltung! Absolut super, der Ausbau des Betreuungsangebots. Dazu der "Waldkindergarten". Wobei der Standort so mitten in den Weinbergen etwas problematisch ist. Den Gedanken, eine "Waldkindergarten"-Gruppe, angegliedert an den Kindergarten Sofienstraße, in den Räumen des JuTS einzurichten, finden wir sehr positiv. Die Lage ist optimal, da man den Wald über die Weinberge und die Strahlenburg sehr schnell erreichen kann. Man darf auch nicht vergessen, dass unser qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot nicht billig ist. Aber wir stehen voll dahinter. Pauschale Gebührenerhöhungen ohne Leistungsanpassungen wären mit uns nie möglich gewesen.

Wie bewerten Sie die Haushaltsentwicklung?

Wir haben dieses Mal keine Anträge gestellt, um in einem guten Haushaltsjahr wie 2008 keine Begehrlichkeiten zu wecken. Es kommen wieder schlechtere Zeiten. Die drei Millionen Euro Neuverschuldung bis 2010 kann ich trotzdem nicht ganz begreifen. Das wird so vermutlich nicht kommen. Aber besser eine Warnung als böse Überraschungen.

Auch an Sie die Frage: Kommt der Tunnel?

Vielleicht schneller als wir wahrhaben wollen. Bevor sich unser Staatssekretär Georg Wacker so zuversichtlich äußert, muss die Sache eigentlich klar sein. Inzwischen sind ja auch die Grünen für den Tunnel, obwohl sie jahrzehntelang dagegen waren. Erinnern darf ich in diesem Zusammenhang an die Verdienste von Peter Riehl.

Wie sehen Sie die Entwicklung auf dem Gschwandergelände und im Gewerbegebiet?

Dem Umzug von Aldi und Rewe werden wir nicht im Wege stehen. Ich fürchte aber, dass wir auf den frei werdenden Flächen im Gewerbegebiet einen Baumarkt oder ein Gartencenter nicht verhindern können.

Spricht man über das Gewerbegebiet, denkt man auch an die Verkehrsführung in Schriesheims Süden. Sie haben dieses Jahr ohne Erfolg die Aufhebung der Einbahnstraßenregelung im Dossenheimer Weg beantragt. Warum?

Der Antrag war richtig. Denn der Verkehr wird doch nur in andere Straßen verlagert. Auch der Einzelhandel der Heidelberger Straße spürt die Einbußen durch diese Regelung und wehrt sich.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Werden Sie zur Kommunalwahl 2009 wieder antreten?

Ich habe immer gesagt, dass ich bis dahin Fraktionschef bin. Mehr kann ich heute dazu noch nicht sagen. Die Arbeit macht mir jedenfalls Spaß. Und wir haben sehr viele zukunftsweisende Aufgaben vor uns. Wenn wir diese bewältigen wollen, dann ist eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat unbedingt nötig.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung