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05.08.2008

„Diesmal hatte ich keine Blasen"

„Diesmal hatte ich keine Blasen"

Zwar geht auf dem Jakobsweg jeder Pilger seinen eigenen Weg, der Schriesheimer Siegfried Wachter (Mitte) findet aber stets schnell Kontakt. Hier versteht er sich blendend mit einem finnischen Pastor (links) und einem Pilgerbruder aus Bad Saulgau. Fotos: dpa/privat

Schriesheim. (Si) Siegfried Wachter ist jüngst aus Spanien von seiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg zurückgekehrt. Im Gepäck hatte er nicht nur eine Menge meist guter Eindrücke, sondern war für sich ganz persönlich wieder ein großes Stück auf seinem Lebensweg vorangekommen.

Der Schriesheimer erliegt der Faszination des Jakobswegs – im folgenden "Camino" genannt – schon seit 2002. Damals kannte er den Jakobsweg nur aus der Literatur. Aber einmal ein Stück gegangen, lässt Jakobus keine Ruhe mehr, und er hat Wachter nun bereits zum vierten Mal gerufen, den Camino zu gehen.

Mit fünf weiteren Neulingen fuhr er bei seiner "Premiere" mit dem Bus von Bilbao nach Pamplona, von dort dem Pilgerweg entlang bis nach Ponferrada. Die erste Etappe Ponferrada bis Santiago de Compostela wurde zu Fuß zurückgelegt. Schon im folgenden Jahr begann Wachter im südfranzösischen Le Puy en Velay mit einem Pilgerfreund eine neue Etappe. "Durch das Zentralmassiv war es richtig anstrengend, die vielen Schluchten täglich zu bewältigen", erinnert er sich.

Die nächste Etappe ging 2006 ab dem französischen St. Jean Pied de Port bis Fromista. "Dies war die wohl geistlich eindrucksvollste Etappe, die bis heute noch nachwirkt." In diesem Jahr gelang es ihm, die restliche Strecke zu pilgern, so dass Wachter bisher knapp 1500 Kilometer zurücklegte.

Täglich, berichtet Wachter, müsse ein Pilger krankheitsbedingt ganz aufgeben und wieder heimfahren. "Jeder bringt sich allein nach Santiago", heißt es. So geht jeder seinen ureigenen Weg und sein eigenes Tempo, manchmal bis zu 40 Kilometer am Tag. "Stolz bin ich auf meine Füße, dieses Mal hatte ich keine Blasen", lächelt Wachter.

Aber worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen Wandern und Pilgern? "Bewusst ging ich auf den Teilstücken pilgern, betend, schweigend, nachdenkend, dankbar gegenüber meinem Gott, der es trotz irdischer Schwierigkeiten gut mit mir im Leben meinte."

Es gebe unzählige Gründe, sich auf den Camino (Pilgerweg) zu machen. Wachter erzählt etwa von einer Mutter aus Kroatien, die für ihre kranke Tochter pilgert. Ein anderer will von Santiago nach Rom pilgern. Ein 50-Jähriger voller Narben an Brust und Bauch erhofft sich davon ein weiteres Leben ohne schwerwiegende medizinische Eingriffe. Irgendwann traf Wachter einen finnischen lutherischen Pastor – dieser wollte seine Spiritualität vertiefen.

Tagsüber gehen die Pilgersleute meist schweigend hintereinander. Dann ist jeder für sich allein, aber abends wird die Zeit für Gespräche genutzt. Aber oft nicht allzu lange, denn spätestens um 6. 30 Uhr in der Früh’ heißt es wieder aufstehen. Um 7 Uhr geht dann jeder – nach gegenseitigen guten Wünschen – wieder seinen Weg.

Nach etwa zwei Stunden trifft man sich irgendwo zum kleinen Frühstück, berichtet Wachter. Gegen Abend, im Refugio angekommen, wird dann geduscht und "mit den Füßen gesprochen". Anschließend wird die Bar ausgesucht, die günstig ein Pilgermenü anbietet. Ab 22 Uhr heißt es generell Licht aus. Insgesamt war der Pilger mit den recht bescheidenen Herbergen zufrieden. Doch der Camino habe sich sehr verändert, hat Wachter festgestellt. So fahren manche Pilger täglich einige Teilstrecken mit Taxi oder Bus, andere lassen ihr Gepäck einfach von einem Fahrdienst weiter befördern. Dies habe es vor zwei Jahren in diesem Ausmaß noch nicht gegeben.

Der Weg, den die Pilger gehen, führt weitgehend durch ärmliche Gegenden. Das sei der Bevölkerung zu gönnen, sagt Wachter. Aber der ursprüngliche Gedanke des Pilgerns gehe immer mehr verloren. "Im vorigen Jahr habe ich einen Mannheimer getroffen, der diesen Camino durchgewandert ist. Von Jakobus, dem ersten der Apostelmärtyrer, hat er noch nie etwas gehört. Schade."

Eine Faszination des Weges liegt laut Wachter darin, dass jeder Pilger ein klar definiertes Ziel vor Augen hat. Er will diesen Weg – und keinen anderen – gehen. Das lässt die Pilger zu einer Art Großfamilie zusammenwachsen, die ein Außenstehender weder erfassen noch begreifen könne. Nach Erhalt der Compostela (Pilgerurkunde) ist dann der Weg beendet.

"Der Weg war das eigentliche Ziel, nämlich der Weg zu mir selbst. Ich habe mich mit jeder Etappe immer besser kennen gelernt", schildert Wachter abschließend. " Für mich war es also besser in Abschnitten zu gehen, als einmal durch zu pilgern". Nach seiner Rückkehr habe er dann noch einige Tage gebraucht, um wieder ganz in Schriesheim anzukommen ...

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung