Schriesheim im Bild 2023

10.03.2009

Zwischen „Flash" und Finanzamt

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Die Zuhörer standen dicht gedrängt in den Gängen. Alle wollten im Festzelt Guido Westerwelle hören. Der FDP-Bundesvorsitzende und Fraktionschef im Bundestag war Festredner der gestrigen Mittelstandskundgebung des Bundes der Selbstständigen (BDS). Und der immer wieder wegen seiner flotten Sprüche als "Politclown" Belächelte hatte das Festzelt auf seiner Seite mit seinem Plädoyer für die Stärkung des Mittelstands gerade in Krisenzeiten und seiner Abrechnung mit der Großen Koalition – vor allem die SPD nahm er sich vor.

Ungerecht sei es, dass der Bundesadler komme, wenn Großunternehmen in Schieflage geraten würden, es aber der Pleitegeier sei, wenn es den Mittelständler betreffe. Westerwelle war eloquent und schlagfertig. Nachdem ihn der Präsident des BDS, Günther Hieber, versehentlich als SPD-Vorsitzenden vorgestellt und sich dafür mit den Worten "Die Gelben sind ja fast so groß wie die Roten" entschuldigt hatte, reihte ihn Bürgermeister Hansjörg Höfer in die Phalanx anderer "Schwergewichtiger der Politik" ein, die bereits in Schriesheim gesprochen hätten. Höfer nannte etwa Franz-Josef Strauß und Helmut Kohl. Darauf Westerwelle: "Bemerkenswert, wie ich hier eingeführt wurde." Sowohl für SPD-Chef Franz Müntefering als auch für ihn sei Hiebers Verwechslung unangenehm.

Und so schwer wie Kohl und Strauß gemacht zu werden, "muss ich zu Hause erstmal verarbeiten. Es hätte ein schöner Nachmittag werden können", lächelte Westerwelle, der sich beim Küssen von Weinkönigin Katharina ausdauernd zeigte. Dazu Höfer zu den Zuhörern: "Ich hoffe, Sie haben heute nichts mehr vor. Das dauert länger." Der Bürgermeister und der Gast aus Berlin schenkten sich nichts.

Wobei Westerwelle einen feinen Humor bezüglich seiner Homosexualität an den Tag legte. Nach den Küsschen für die Weinkönigin sagte er: "Ihr wusstet gar nicht, dass ich weiß, wie das geht. Da wird schon keiner eifersüchtig bei mir. " Das Zelt jubelte. Westerwelle hatte genau richtig reagiert. Danach hatte er die Zuhörer endgültig hinter sich. Zuvor hatte Höfer in seiner Begrüßung an die Tradition des Mathaisemarkts als liberaler Handelsplatz erinnert: "Seit 1579 treffen sich hier Angebot und Nachfrage auf freiem Felde." Weinkönigin Katharina bezeichnete den Mittelstand als marktwirtschaftlichen Garanten. Dieser habe 70 Prozent aller Beschäftigten und sorge für 40 Prozent der Umsätze. Für den Mittelstand sei es immer wichtiger, sich vom Wettbewerb abzuheben und neue Wege zu gehen. Dafür wünschte sie den Betrieben gerade in den schweren Zeiten "Kraft und Durchhaltevermögen". Letzteres bewies auch Westerwelle bei seinem Gang durch das Zelt der Leistungsschau im Vorfeld der Mittelstandskundgebung.

Er schüttelte Hände, gab Autogramme, zeigte sich in kurzen Gesprächen mit vielen Ausstellern interessiert und erfüllte Fotografenwünsche. Das Goldene Buch der Stadt lag bezeichnenderweise am Stand des Finanzamts. Hier sollte sich der Chef der "Steuerspar-Partei" verewigen. Die Idee hatte Höfer. Westerwelle schrieb: "Mit allen guten Wünschen und Dank für Ihre Gastfreundschaft. Ergo bibamus!" "Lasst uns also trinken!": Was der FDP-Chef sowohl mit den "Montagsmädels" am Stand des Weinhauses Bartsch selbst beherzigte, als auch im Festzelt, wo er sich einen Schluck Spätburgunder Rotwein der Winzergenossenschaft einschenkte und nach dem Probieren wohlwollend nickte. Guten Rotwein bevorzugt er ja sowieso, wie im Vorfeld zu erfahren war. Ansonsten gab er bei seinem Gastspiel in Schriesheim wenig Persönliches preis. Außerhalb des Protokolls bestand er auf einem kleinen Abstecher auf den Rummel: "Geh’n wir nicht über den Markt? Ich will mal schau’n.".

Vom "Flash" war er besonders fasziniert: "Als ich 15, 16 war, hab’ ich sowas auch gemacht. Aber da hatte ich noch keine Brille.. Heute wäre das eine Strafe für mich."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung