Schriesheim im Bild 2023

13.03.2009

„Das alles hat sich längst nicht gesetzt"

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Von der Verarbeitung des Unfassbaren war der gestrige Schultag auch in Schriesheim geprägt. Der Amoklauf von Winnenden löste Anteilnahme, Gefühle von Ohnmacht aber auch Wut auf den Täter aus.

"Die Kollegen und die Schüler, die das Geschehene bewusst verarbeiten können, sind schockiert oder tief getroffen", schilderte der Direktor des privaten Heinrich-Sigmund-Gymnasiums (HSG), Dr. Wolfgang Metzger, seine Eindrücke des Vormittags. Die Schule setzte ihre Flagge auf Halbmast.

Die Diskussionen und Gespräche über die Bluttat bestimmten den Unterricht: "Wir haben uns dafür Zeit genommen. Das alles hat sich aber längst nicht gesetzt. Wir werden diese Thematik immer wieder ansprechen. Das waren heute bei uns keine Feigenblatt-Aktionen", so Metzger. Es gab Schweigeminuten in allen Klassen und im Kollegium des HSG, das nochmal den Alarmplan der Schule und das hausinterne Losungswort für derartige Krisensituationen besprach. Metzger rief dazu auf, die Signale, die solche Taten häufig ankündigen, frühzeitig ernst zu nehmen.

Deutliche Kritik äußerte der Direktor an der Absicht von Bürgermeister Hansjörg Höfer, das heutige Gedenken für die Opfer von Winnenden auf dem Mathaisemarkt-Rummel abzuhalten: "Das ist nicht der richtige Ort. Es ist doch grotesk: Erst gibt es eine Gedenkminute, und dann geht der Rummel einfach weiter. Höfer macht da einen gewaltigen Fauxpass, was die Sensibilität des Themas angeht." Daher werde sich seine Schule daran auch nicht beteiligen.

"Wir werden dabei sein", sagte dagegen Matthias Nortmeyer, der Direktor des Kurpfalz-Gymnasiums (KGS). Die Schüler hätten einen enormen Gesprächsbedarf gehabt, und das in allen Klassenstufen. Er habe den Kollegen empfohlen, behutsam über die Situation zu sprechen.

Die Religionslehrerinnen hielten in der Großen Pause und gegen 13 Uhr Andachten, um den Schülern die Möglichkeit des Gedenkens zu geben. Insgesamt beteiligten sich daran 120 Schüler. Nortmeyer berichtete, dass auch das Bedürfnis groß gewesen sei, sich schriftlich zu äußern. Lehrer und Schüler schrieben ihre Gefühle auf Zettel, die sie an eine Stellwand vor dem Oberstufenzimmer hefteten: "Die Zettel zeigen die Betroffenheit, die Wut und auch das Unverständnis dafür, dass man so leicht an Waffen herankommt", so Nortmeyer. Die Stellwand werde jetzt stehen bleiben.

In Ruhe und ohne Panik habe man das Thema aufgegriffen, sagte Beate Hirth-Pferdekämper. Die Rektorin der Kurpfalz-Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule erläuterte, dass sie mit ihren Lehrkräften nochmals über den Krisenplan gesprochen habe. Zudem erwähnte sie, dass das Kollegium gerade im Umgang mit den Fragen der jüngsten Schülern sehr viel Vorsicht habe walten lassen. Schüler der höheren Klassen hätten schon sehr überlegt reagiert – zumal sich die Zehntklässler in den fachbezogenen Projektprüfungen auch mit dem Thema Friedenssicherung in Europa und Konfliktlösung auseinandersetzen würden: "Und nun haben wir einen Konflikt quasi vor der Haustür." Hirth-Pferdekämper betonte, Prävention sei künftig das Stichwort: "Man muss die Belange der Schüler im Vorfeld sehen."

In der Kurpfalz-Realschule fand gestern der Tag der offenen Tür statt. Konrektor Michael Schneider sagte am Rande der Veranstaltung, dass es gleich morgens eine Dienstbesprechung des Kollegiums gegeben habe. Es sei vereinbart worden, auf den Gesprächsbedarf der Kinder gezielt und beruhigend einzugehen. Einige Lehrer verschoben Klassenarbeiten. Außerdem wurde zu erhöhter Aufmerksamkeit aufgerufen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung