Schriesheim im Bild 2023

15.03.2009

Der Mathaisemarkt ruhte für die Amok-Opfer

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Freitag ist traditionell der "Familiennachmittag" mit günstigeren Preisen auf dem Festplatz. Kurz nach 14 Uhr kehrte gestern jedoch Stille ein auf dem Rummel des Mathaisemarkts. Die Schausteller hielten ihre Fahrgeschäfte an, einige löschten sogar das Licht an ihren Buden und Betrieben. Die Musik verstummte. Nur aus dem Hintergrund drang von irgendwo her noch ganz leise Kirmesmusik, die die Ruhe eher noch unterstrich. Der Mathaisemarkt ruhte für ein paar Minuten zum Gedenken an die Opfer des Amoklaufs von Winnenden.

Fast alle Schriesheimer Schulleiter, Eltern und ihre Kinder, Stadträte, Jugendgemeinderäte, die Weinhoheiten, Vertreter der Kirchengemeinden, des Roten Kreuzes und der Feuerwehr, BDS-Chef Horst Kolb, Jugendsozialarbeiterin Nicola Klamer, zahlreiche Mitarbeiter der Verwaltung sowie Marktmeister Fritz Haas und auch Ehrenbürger Peter Riehl: Sie alle waren dem Aufruf von Hansjörg Höfer zum stillen Gedenken gefolgt und an den Autoscooter "Number One" gekommen.

Hier formulierte der Bürgermeister die Schweigeminute als Zeichen der Anteilnahme – nicht nur für die Opfer, sondern auch am Leid der Hinterbliebenen. Dafür solle der Mathaisemarkt ruhen. Zwar blieb das geplante Geläut der Glocken beider Kirchen aus. Dennoch war es ein würdiger Moment. Passanten verharrten in sich versunken und nachdenklich in den Gassen zwischen den Rummel-Buden. Im gestoppten Fahrgeschäft "Phoenix" verharrten die Jugendlichen schweigend in ihren Sitzen. Ehrenbürger Riehl nannte die Gedenkminute eine "mit Sicherheit richtige Aktion". An dieser hätte auch Kultusstaatssekretär Georg Wacker gerne teilgenommen. Der CDU-Landtagsabgeordnete aus Schriesheim musste jedoch in Winnenden Kultusminister Helmut Rau bei einem Trauermarsch der islamischen Gemeinde vertreten, wie Höfer berichtete.

Dieser zeigte sich nach der Gedenkveranstaltung von der Kritik des Direktors am Heinrich-Sigmund-Gymnasium (HSG), Dr. Wolfgang Metzger, unbeeindruckt. Metzger hatte die Auswahl des Rummelplatzes als Ort des Gedenkens kritisiert. Im Gespräch mit der RNZ hatte Metzger gesagt: "Es ist doch grotesk: Erst gibt es eine Gedenkminute, und dann geht der Rummel einfach weiter. Höfer macht da einen gewaltigen Fauxpas, was die Sensibilität des Themas angeht." (siehe RNZ vom 13. März). Daher war das HSG der Veranstaltung auch fern geblieben. Höfer sagte über Metzgers Haltung: "Das kann er so sehen. Die Idee war, gemeinsam auf dem Mathaisemarkt zusammenzustehen." Gerade auch die Kinder sollten dabei sein. Der Bürgermeister ergänzte mit Blick auf den Täter Tim K.: "Wir zeigen solchen Wahnsinnigen auf diese Weise, dass das Leben nicht stehen bleibt." Daher sei auch die Party im Zehntkeller am Tag des Amoklaufs nicht abgesagt worden: "Ich habe hier eine Ansprache gehalten, für die viele dankbar waren. So konnten wir den Abend einordnen. Menschen wie dieser Täter haben keine Lebensfreude."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung