Schriesheim im Bild 2023

21.04.2009

Renaissance einer Traditionsrebe

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Beide Ehrenbürger waren eingeladen und auch der Bürgermeister. Peter Bausback und die Weinprinzessinnen Melanie und Sonja waren in die Kuhbergstube gekommen sowie auch Vorstandsmitglied Peter Haas und Aufsichtsratschef Winfried Krämer. Sie alle wurden von Vorstandschef Friedrich Ewald an der langen, festlich gedeckten Tafel begrüßt. Schon die Rahmenbedingungen ließen erahnen, dass es gestern Nachmittag eine ganz besondere Stunde für die Winzergenossenschaft war. Sie stellte ihre 2008er Schriesheimer Kuhberg Silvaner Spätlese trocken aus der "Exclusiv"-Serie vor – Schriesheims Beitrag zum Jubiläumsjahr des Silvaners in Deutschland.

Nachweislich im Jahr 1659 wurde die Rebe erstmals auf deutschem Boden, nämlich in Franken, gepflanzt. Und das auf dem Terroir des Fürstlich Castell’schen Domänenamtes. In Schriesheim, das hinter Ihringen die zweitgrößte Silvaner-Anbaufläche in ganz Baden hat, steht diese Rebsorte ebenfalls für ein Stück Weinbaugeschichte.

WG-Geschäftsführer Harald Weiss fand Literatur darüber aus dem Jahr 1842. Auch aus der Historie der Familien jener Winzer, die die Trauben für das neue Mitglied in der "Exclusiv"-Reihe gepflegt und geerntet haben, ist die Rebsorte nicht wegzudenken. Neben Krämer waren es Hans Schneider, Volker Gaber und Ludwig Mildenberger.

Seine Familie beispielsweise hat seit 118 Jahren Silvaner-Weinberge. Ein 43 Jahre alter Wingert dieser Rebsorte wird wohl kommendes Jahr dem Branichtunnel zum Opfer fallen: "Dieses Jahr ist die letzte Lese", schätzte Ludwig Mildenberger.

Und Ewald erinnerte daran, wie er mit Krämer und anderen Mitte der Siebzigerjahre und gegen den Trend im Mönch Silvaner pflanzten, während andere gerade dabei waren, ihn auszustocken. Haas hob die ewige Erfolgsgeschichte des in den Fünfzigern von Georg Hauser kreierten Mathais hervor: "Den bekomme ich heute noch automatisch beim ’Franke-Doktor’ im Henkelglas hingestellt", lächelte Ewald. Bei Spargel an Kartoffeln mit Parmesan und Olivenöl wurden Anekdoten ausgetauscht. Auch Peter Hartmann wusste viel zu erzählen.

Dazu mundeten zunächst aus dem aktuellen Jahrgang zwei Kabinett-Weine: der trockene Silvaner der Winzergenossenschaft sowie ein fränkischer Sommeracher Katzenkopf aus dem Boxbeutel. Die WG scheute also den Vergleich mit einer der beiden Kernanbauregionen des Silvaners neben Rheinhessen nicht – und das zu Recht.

Dann beim Plausch über den Jubiläumsstar des Jahres unter den Rebsorten wurde die Schriesheimer Spätlese kredenzt. Da hatte Bausback gerade den Silvaner als filigranen Begleiter zu Speisen bezeichnet. Lächelnd räumte er jetzt jedoch ein, dass diese Spätlese dann doch eher etwas für nach dem Essen sei mit ihren fruchtigen Aromen aus besten, gesunden Trauben. Und mit 13,5 Prozent ist der Alkoholgehalt nicht zurückhaltend.

Alle waren sich einig darin, dass der Silvaner qualitativ einen enormen Schub gemacht hat: "Und über diese Spitzenqualität müssen wir die Rebsorte ausprägen", fasste Ewald die Statements der Runde zusammen. "Dieser Erfolg lässt sich sehen", nickte auch Krämer: "Aber wir sind noch nicht am Ziel." Der Silvaner soll also auch in Schriesheim eine Renaissance erleben – und zwar über das Jubiläumsjahr hinaus.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung