Schriesheim im Bild 2023

17.09.2009

„Jagen hat auch mit etwas Glück zu tun"

„Jagen hat auch mit etwas Glück zu tun"

Schriesheim. Drückjagden vor der Weinlese – Unterwegs mit Georg Bielig

Von Carsten Blaue.

Gerade mal vier Wildschweine haben die Jäger in den beiden Drückjagden vor der Weinlese geschossen. Die komplette Strecke wurde am Samstag im Revier von Peter Bausback zwischen Schriesheim und Dossenheim erlegt, gestern Vormittag gingen die Jäger im Revier von Frieder Habenicht – im Norden nach Leutershausen hin – leer aus. Für Georg Bielig, Schriesheims jagenden Winzer, kein Problem: "Es ging ja nicht hauptsächlich ums Reduzieren, sondern ums Vertreiben." Und da sah er gute Chancen, dass es den Rotten aus dem Vorgebirge zumindest für die nächsten Wochen zu ungemütlich geworden ist, sie sich etwas zurückgezogen haben und die Trauben erstmal in Ruhe lassen.

Ein lehrreicher Vormittag war das in den verwilderten Grundstücken und Wäldern am Lerchenberg und in der Vohbach oberhalb des Madonnenbergs. Erste Erkenntnis: Eine Drückjagd ist eine Schweiß treibende Angelegenheit – zumindest für die Treibergruppen. Denn es geht abseits der Wege in die Hänge über Stock, Stein und Brombeerhecken. Zweite Erkenntnis: Jagen ist nicht immer leise. Die Treiber rufen, die Hunde bellen. Erfahrene Sauen würden schon beim ersten Anschlagen eines der jagdtüchtigen Vierbeiner die Ohren stellen und wissen: Da ist Gefahr im Verzug.

Ein Gebiet von rund 60 Hektar wird gestern von den zwei Treiber- und vier Jägergruppen bejagt. 19 Hochsitze besetzen die Schützen. Derweil sichern unten Hans Ringelspacher sowie Ludwig, Heinz und Fritz Mildenberger die Verlängerung der Odenwaldstraße ab. Die ist zwar für den Verkehr sowieso gesperrt, ist aber zugleich ein beliebter Schleichweg für die Branichbewohner: "Eine Stunde lang dürfen wir sie dicht machen", sagt Bielig.

An seiner Seite bekommt man einen guten Eindruck davon, wie diszipliniert so eine Jagd abläuft. Die Jagdzeit wurde vorher genau festgelegt. Habenicht schwor seine Jagdgäste ein auf die Waidgerechtigkeit. Fachmännisch sollte es zugehen. Dazu gehört etwa, dass eine Sau nie von hinten geschossen wird, sondern immer von der Seite. Dann sollen auch keine führenden Bachen, also Muttertiere, die die Rotte leiten, erlegt werden. "Die Schussdisziplin ist wichtig. Im Moment sehen wir wegen der Vegetation keine 20 bis 30 Meter weit. Alles ist zugewachsen." Auch deshalb ist das "Schießen gegen den Berg" so wichtig. Damit die Sieben-Millimeter-Gewehrmunition nicht querschlägt, sollte sie hinter dem Wild gezielt einschlagen können. Am besten im Boden: "Sonst fliegt das Geschoss ja noch zwei Kilometer unkontrolliert weiter", erklärt Bielig.

Zwar ist die Jagd schon auf jede Form von Wild freigegeben. Richtig beginnt die Jagdsaison aber erst, wenn die Blätter gefallen sind – auch für die Hunde. Gestern morgen sind drei treue Vierbeiner dabei in Bieligs Treibergruppe.

Sein eigener Rauhaardackel Michel vom Tangergrund ist für seine zwei Jahre schon gut eingejagt. Gemeinsam mit Helmut Bauers Westfalen-Terrier Astor vom Waldecker Forst soll er die Wildschweine in den Dickungen bedrängen: "Schließlich ist die Sau genauso faul wie der Mensch. Gibt es genug Nahrung und ist Wasser in der Nähe, verlässt das Wildschwein nur ungern seine gemütliche Wohnung", so Bieligs recht plastische Erläuterung. Also müssen die Hunde etwas nachhelfen. Astor ist mit seinen sieben Jahren ein ganz Erfahrener: "Man braucht Hunde mit Schneid, Intelligenz und auch mit Respekt", sagt Bauer. Wobei der Hund des Heidelberger Elektroinstallateurs durchaus schon mal eine Sau bis 20 Kilogramm eigenmächtig angeht: "Den Rest verbellt er", so Bauer. Dritte im Bunde ist Daffi von der Heyneburg, eine Deutsch Kurzhaar-Hündin eines Jagdfreunds aus Thüringen. Sie ist zur Ausbildung an der Bergstraße "und unser auswärtigster Jagdgast", scherzt Bielig. Hin und wieder telefoniert er mit den anderen Treibern und Jägern, um sich über die Zeit und den Weg abzustimmen. Das Handy quasi als modernes Jagdhorn: "Da ist was dran." Wobei auf das traditionelle Anblasen der Jagd inzwischen öfter mal verzichtet wird: "Denn die Sau kennt die Signale." Danach sind die Schwarzkittel also gewarnt und suchen das Weite. Von wegen "blöde Sau": "Die Wildschweine haben ihre Intelligenz", räumt Bauer mit einem Vorurteil auf. Ein weiteres ist deren Angriffslust: "Die sind gar nicht so gefährlich wie ihr Ruf. Höchstens im Frühjahr, wenn der Nachwuchs da ist." Aber da lassen wir unsere Hunde ja auch gar nicht in den Wald. "Und Privatleute sollten ihre Hunde in dieser Zeit auch an die Leine nehmen", ergänzt Bielig.

Auch er sagt, es sei eher selten, dass die Sau angreift – eventuell, wenn sie angeschossen ist oder zu sehr von den Hunden bedrängt wird." Inzwischen sind die eigenen Klamotten durchgeschwitzt und dreckig. Die Dornenhecken haben ihre Spuren hinterlassen. Die Hände sind zerschlissen. Aber außer Rehwild, das um Haaresbreite vorbeispringt und schleunigst Land gewinnt, ist nichts zu sehen: "Jagen hat eben auch mit etwas Glück zu tun", so Bielig. Er erklärt, dass Wildschweinrotten zwischen acht und 14 Tiere stark sein können: "Am Anfang vom Jahr sind sie etwas größer und am Jahresende hoffentlich etwas kleiner." Dabei geht es nicht nur um die Jagd, sondern auch um den Genuss: "Denn wir Jäger schätzen unser eigenes Wildbret durchaus." In Großsachsen haben sie gestern diesbezüglich etwas mehr Fortune. Immerhin zwei Sauen werden im Jagdrevier von Dr. Hans-Jürgen Kiefer erlegt.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung