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23.09.2009

„Sie bringt Politik in die Herzen und in die Köpfe"

„Sie bringt Politik in die Herzen und in die Köpfe"

Schriesheim. Politik als Motivationstraining: Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) machte ihre Zuhörer im Hotel "Zur Pfalz" glücklich

Von Carsten Blaue.

Vom Band lief "The Final Countdown". Der Song der Gruppe "Europe" von 1986 passte. Schließlich ist es nicht mehr lange bis zur Bundestagswahl. Entsprechend hielt sich auch Ursula von der Leyen nicht groß auf vor dem Hotel "Zur Pfalz". Dort war sie von Bürgermeister Hansjörg Höfer, ihrem Parteifreund und hiesigen CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Karl A. Lamers, Gemeinderatsfraktionschef Paul Stang und einigen Nachwuchskräften der Jungen Union (JU) empfangen worden. Von der Leyen kam die letzten Schritte zu Fuß, lächelte ihr entwaffnendes Lächeln, ließ sich kurz begrüßen und strebte dann unter dem Beifall von Lamers’ jungem Wahlkampfteam weiter in den Saal. Den verließ sie knapp eine Stunde später wieder unter stehendem Applaus der verzückten Zuhörer. Ursula von der Leyen hatte sie alle mitgerissen, in gute Laune versetzt und bezaubert. Das gelingt nicht vielen.

Lamers hatte also Recht in seiner Begrüßung: Die CDU liege politisch oft richtig, erreiche aber die Menschen nicht. Und da brauche man jemanden wie die in Brüssel geborene Tochter des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht: "Denn sie bringt die Politik in die Herzen und in die Köpfe." Dass die promovierte Ärztin und Mutter von sieben Kindern heute Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist, hatte ihre Entsprechung im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal.

Für eine Veranstaltung am Nachmittag eines Werktags war das erstaunlich genug. Denn da saßen Jüngere neben Älteren, Frauen neben Männern und junge Väter neben jung gebliebenen Großmüttern und Schwangeren – wie Katharina Tillson aus Weinheim. Für sie nahm sich von der Leyen sogar noch nach der Veranstaltung draußen an der Limousine Zeit. Tillson ist Deutsche, mit einem US-Amerikaner verheiratet und fällt dadurch automatisch unter das US-Truppenstatut. Damit steht ihr kein Elterngeld zu. Der Fall liegt beim Bundessozialgericht. Die Ministerin zeigte sich offen und bat Tillson, ihr über Lamers den Sachverhalt zukommen zu lassen.

Dass ihr am Elterngeld und seinen Vätermonaten und noch mehr an der Elternzeit liegt, hatte von der Leyen schon in ihrer Rede verdeutlicht. Sogar Teilelterngeld, die Kombination von Teilzeit und Elterngeld, sollte zugunsten eines frühen Familienlebens mit Kindern möglich sein und gerade die Väter erreichen. Inhaltlich klar, absolut sympathisch und humorvoll trat die 50-Jährige auf. Sie hatte fast etwas von einer Motivationstrainerin in eigener Sache, wie sie so von den Chancen für die Kinder durch Bildungs- und Betreuungsangebote ("Auf den Anfang kommt es an") sowie die Unersetzlichkeit der Lebenserfahrung Älterer in Beruf (von wegen Fachkräftemangel!) und Ehrenamt sprach: "Jüngere rennen vielleicht schneller, dafür kennen die Älteren die Abkürzung." Solche Scherze gab es von ihr öfter. Und überhaupt wurde viel gelacht in dieser Stunde. Gleich zu Anfang hatte sie das Mikro aus dem lästigen Ständer gezogen, um beim Sprechen mobil zu sein und näher an ihre Zuhörer zu kommen. Sie hat sie erreicht mit ihrem Nein zur kalten Progression bei der Einkommensbesteuerung, mit ihrer Kampfansage an Kinderpornografie im Internet und ihrem Wunsch nach früher Integration von Kindern ausländischer Herkunft. Chancengleichheit, das Ende eingefahrener Geschlechterrollen und ihrer Klischees gerade in Sachen Erziehung sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Themen, die von der Leyen auch in den nächsten vier Jahren besetzen will.

Sie warb zudem für den Wertekonsens im Kleinen wie im Großen: Achtung und Respekt vor dem Nächsten müssten das Handeln prägen – sei es auf den Finanzmärkten oder auf dem Marktplatz in Schriesheim. Ins Goldene Buch der Stadt trug sich von der Leyen gleich zu Beginn ein und wurde sogar von Bürgermeister Höfer gelobt: "Was Sie in vier Jahren in der Kleinkindbetreuung geschafft haben, wäre vor zehn Jahren mit der CDU noch nicht möglich gewesen." Gleichwohl applaudierte Höfer der Ministerin zum Schluss nicht. Vielleicht, um nach seinem Auftritt im Wahlvideo von Lamers nicht wieder als Wahlkämpfer der CDU zu erscheinen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung