Schriesheim im Bild 2023

20.10.2009

Die „Villa Schanz" wächst

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Archäologischer Fund beim Bau der Branichtunnel-Zufahrt: Bei Oberbodenarbeiten im Bereich des künftigen Verkehrsknotens der neuen L536 mit der B 3 und der OEG-Linie kamen Teile eines römischen Gutshofs zu Tage. Durch diesen Fund ist der Zeitplan für die neue Verkehrsachse sowie die Tunnelröhre aber nicht in Gefahr. Die Abteilung Straßenwesen und Verkehr des Regierungspräsidiums sowie dessen Denkmalschutzbehörde haben sich abgestimmt. Straßenbauer und Archäologen können daher parallel weiterarbeiten.

Beim Fund handelt es sich um Reste von Fundamenten einer Holz- und Steinbauphase, der sogenannten "Villa Schanz". Bereits im Jahr 1766 wurde durch den Kurfürsten Carl Theodor auf dem weitläufigen Villenareal in Schriesheim erstmals eine Ausgrabung veranlasst, eine weitere folgte durch Erich Gropengießer in den Jahren 1970 und 1971. Momentan graben Archäologen der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen als ehrenamtliche Beauftragte des Regierungspräsidiums Karlsruhe.

Anfang der 1970er Jahre wurden beim Bau der B3 die Fundamente des römischen Wohngebäudes mit Eckrisaliten – also hervorspringenden Gebäudeteilen an den Gebäudeecken – stark zerstört. Derzeit sind die Reste auf dem Villenareal wieder zu sehen. Ihr insgesamt sehr schlechter Erhaltungszustand lässt eine schadlose Evakuierung nicht mehr zu.

Da sie jedoch bereits durch Gropengießer sachgerecht dokumentiert und in einem Grundrissplan zusammengefasst wurden, konzentrieren sich die archäologischen Arbeiten heute auf die intakten Flächen, die bisher von Baumaßnahmen fast unberührt blieben. Es gelang, weitere Fundamentgräben der Holzbauphase des zweiten Jahrhunderts freizulegen.

Fünfzig Meter nördlich des Wohngebäudes wurden zudem eine Abfallgrube sowie ein Graben freigelegt, der sich von Südosten nach Nordwesten erstreckt. Beide Funde werden den Baustrukturen auf dem umfänglichen Villenareal zugerechnet. Dass die Lössböden bereits in vorgeschichtlicher Zeit bewohnt waren, zeigen zudem zwei Gruben mit Keramik der älteren Eisenzeit im sechsten bis fünften Jahrhundert vor Christus. Einen Höhepunkt der Ausgrabungen auf dem Villenareal stellt der Fund einer etwa drei Zentimeter hohen Bronzeapplikation dar, die einen Frauenkopf mit aufwändiger Scheitelzopffrisur zeigt. Trotz gewisser handwerklicher Mängel kann dieser Fund nach ersten Vergleichen mit Frisuren auf Münzbildnissen römischer Kaiserinnen in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts datiert werden, was zugleich das Ende der Villennutzung in diesem Gebiet markiert.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung