Schriesheim im Bild 2023

21.10.2009

„Das haben wir so erwartet"

„Das haben wir so erwartet"

Die Gedächtnissäule von 1766 ist der Hinweis auf einen historischen Irrtum. Benedikt Stadler, Michael Winter (ein Bürger, der spontan mit anpackte), Gerhard Antoni und Klaus Wirth (von links) bei der Arbeit. Vorne zu sehen ist das freigelegte Steinfundament. Foto: Dorn


Von Carsten Blaue.

Schriesheim. "Wir sind sehr zufrieden mit den Funden". Dr. Klaus Wirth hat eine Schaufel in der Hand schippt vorsichtig etwas von dem rotbraunen Lösslehm in seine Schubkarre, während etwa 200 Meter weiter östlich schwere Lastwagen die Baustelle der Branichtunnel-Zufahrt ansteuern. Die Steine vor und neben Wirth im Boden ergeben eine lose Reihe. Selbst der Laie kann sehen, dass das eine Mauer gewesen sein könnte. Es handelt sich dabei um die jetzt entdeckten Fundamentreste einer Holz- und Steinbauphase der so genannten "villa schanz" (wir haben berichtet). Die erste Ausgrabung wurde schon im Jahr 1766 durch Kurfürst Carl Theodor veranlasst. In den Jahren 1970/71 wurde die Arbeit von Erich Gropengießer fortgesetzt, als der Autobahnzubringer gebaut wurde. Jetzt wird die Zufahrt zum Branichtunnel gebaggert, und daher wurde das Areal wieder zu einem Fall für die Archäologen der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (REM), die prompt fündig wurden.

Wirth ist aufgrund der Grabungshistorie an dieser Stelle nicht überrascht über die neuen Entdeckungen: "Das haben wir so erwartet." Der Abteilungsleiter Archäologische Denkmalpflege und Sammlungen an den REM freut sich über die optimalen Arbeitsbedingungen: "Die Vorplanung war vorbildlich. Und der Bauleiter des Branichtunnels, Michael Trees, war uns gegenüber immer wohlwollend. Da es so läuft, kann es auch mit den Bauarbeiten an der Straße reibungslos weitergehen, während wir hier graben. Alles war von Anfang an bestens abgestimmt. Und daher wollen wir auch unseren Part hier ordentlich abliefern." Und das ehrenamtlich im Auftrag des Regierungspräsidiums. Das Zeitfenster beträgt etwa sechs Wochen. Das Graben ist im Herbst übrigens leichter, weil der Boden weicher ist. Schon in der ersten Bauphase des Branichtunnels, beim Brückenbau an der neuen L536, fanden sie Abfallgruben einer eisenzeitlichen Siedlungsstruktur aus dem 7. und 6. Jahrhundert vor Christus. Und nun also weitere Fundamente dieser "villa rustica", die nach ihrem Fundort "villa schanz" genannt wird. Ein etwa neun Meter langes und rund 4,5 Meter breites Innenmaß eines Gebäudegrundrisses mit 60 Zentimeter starken Steinmauern zeichnet sich ab. Sie steckten noch gut einen Meter tief im Boden und bildeten einen kellerartigen Raum, in dem die Archäologen nun auch eine römische Silbermünze gefunden haben. "Das Ganze könnte mal ein Getreidespeicher gewesen sein. Aber dafür gibt es keine Beweise", sagt Wirth gestern mit Blick auf die Grabungsstelle. Die Granit-, Sand- und Muschelkalksteine seien einfach so in den Lehm eingelassen worden: "Daher gibt es keine Mörtelspuren", erklärt Wirth. Das wäre ein Zeichen für einen möglichen Fachwerkaufbau.

Klar ist lediglich, dass sich die Wissenschaftler im 18. Jahrhundert irrten. Darauf weist noch heute die Gedächtnissäule zwischen Autobahnzubringer und B3 hin, die an die Grabung von 1766 erinnert. Auf der Bronzetafel ist nachzulesen, dass die Forscher damals davon ausgingen, das Familiengrab eines reichen Römers vor sich zu haben. Die Grabungen gut 200 Jahre später brachten Aufschluss. Der komplette Grundriss einer 27 auf 23 Meter großen Risalitvilla wurde freigelegt. Die Gründung des römischen Gutshofs an dieser Stelle mag ins zweite Jahrhundert zu datieren sein. Diese "villae rusticae" waren zu dieser Zeit charakteristisch und prägten das fruchtbare Land. Domänenartig waren die Höfe inmitten ihres Grundbesitzes angelegt. Dabei war auf den guten Böden an der Bergstraße die Siedlungsdichte besonders hoch. Darauf weisen alleine die "villa"-Funde in der Fleischbach, in der Römerstraße unter dem Hotel "Zur Pfalz" oder in Großsachsen hin.

Ein Gutshof war bis zu vier Hektar groß, oft von einer Mauer umgeben und mit einem zentralen Hoftor versehen. Innerhalb der Mauern standen zentral das repräsentative Wohnhaus und darauf bezogen die Scheunen, Wirtschafts- und Werkstattgebäude sowie auch Gesindewohnungen. Im Umfeld der jetzigen Grabungsstelle können also noch weitere Funde im Boden verborgen sein.

Nicht selten waren die "guten Stuben" des Haupthauses unterkellert. Das war bei der "villa schanz" nicht anders. Ihr qualitätsvoll gemauerter, vier mal vier Meter messender Weinkeller ist heute im Rathaus zu besichtigen.

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„Das haben wir so erwartet"-2

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung