Schriesheim im Bild 2023

04.08.2003

Die Strahlenberger zog's nach Frankfurt

Christian Burkhart auf den Spuren der "bürgerlichen" Vettern der Schriesheimer Edelleute - VHS-Vortrag

Schriesheim. (CB). Wer sich einigermaßen in der Geschichte der Weinstadt auskennt, der weiß, dass das Geschlecht der Stadtgründer schon im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts mit Johnann von Strahlenberg ausstarb. Schriesheim, der Strahlenberger Hof und Burg Strahlenberg selbst waren damals schon längst an die Heidelberger Pfalzgrafen verloren gegangen, und "der letzte Strahlenberger" diente, verarmt, wie schon sein Großvater Rennewart als Burgmann des Mainzer Erzbischofs auf der benachbarten Schauenburg über Dossenheim.

Dass es dagegen in Frankfurt am Main noch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein weitere Strahlenberger gab, wussten bislang (fast) nur die Spezialisten. Über die Frankfurter Strahlenberger berichtete dieser Tage im Vortragssaal der VHS Schriesheim der Mittelalter- und Neuzeithistoriker Christian Burkhart, seines Zeichens Beauftragter des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg (Abt. Archäologische Denkmalpflege) für Dossenheim, Schriesheim und Hirschberg und gleichzeitig Leiter des Kurpfälzer Kreises der Deutschen Burgenvereinigung.

Bekanntlich sind ja die Strahlenberger ein jüngerer Familienzweig der Hirschberger. Diese starben aber um 1200 herum aus. Während die - nach neuen Erkenntnissen der Archäologie - alte Burg Hirschberg (urk. 1142), das "Schanzenköpfle" über Leutershausen, als damals wohl nicht mehr zeitgemäßer Adelssitz aufgegeben wurde, sich auf der ersten Burg Strahlenberg (urk. 1174), der heutigen Hirschburg, ein pfalzgräfliches Ministerialengeschlecht von Hirschberg (urk. 1184) breit machte, wichen die edelfreien Strahlenberger nach Schriesheim aus, wo sie eine neue Strahlenburg (urk. 1237) bauten und zu deren Füßen, neben dem alten Dorf, eine neue Stadt gründeten (um 1240/50). Ein jüngerer Zweig dieser Strahlenberger, der um 1200 offenbar nochmals kurzzeitig versuchte, am Hirschberg Fuß zu fassen und sich auch von Hirschberg nannte, kehrte der Bergstraße aber bald den Rücken, um nach Frankfurt am Main abzuwandern, wo man durch Heirat zu Besitzungen gekommen war.

Dort nannten sie sich auch nicht länger "von Hirschberg", sondern wieder "von Strahlenberg". Der zugewanderte Landadel ging im Stadtadel, dem sog. "Patriziat" auf und gelangte zu erheblichem Wohlstand - z.B. als Bankiers und Groß- bzw. Fernhandelskaufleute in Sachen Wein und Tuchen. Als Schöffen und Ratsherren bestimmten sie im späten Mittelalter auch ganz wesentlich die politischen Geschickte der Messestadt.

Am Römerberg bewohnten sie das "Haus Strahlenberg" und in der nahegelegenen Saalgasse das sog. "Geldhaus". Im frühen 16. Jahrhundert kam dazu am Sachsenhäuser Ufer, bei Oberrad, auch noch das "Strahlenberger Lehen" mit dem (kurz zuvor als eine Art Raubritternest teilweise zerstörten) burgähnlichen Strahlenberger Hof und einer Mühle am Main. Diese wurde im 19. Jahrhundert als "Gerbermühle" bekannt, weil sich Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe mit seiner Muse Marianne von Willemer getroffen hatte.

Die in eigenen Gesellschaften organisierten Patrizier, versuchten den "richtigen" Adel nachzuahmen. Streng wurde z.B. auf die Eheschließung nur mit ebenbürtigen Geschlechtern geachtet. Und wer dagegen verstieß, was auch bei den Strahlenbergen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sogar zweimal vorgekommen zu sein scheint, wurde regelrecht diskriminiert ...

Da die späteren Frankfurter Strahlenberger nicht in direkter männlicher Linie, sondern "nur" über eine Erbtochter namens Grete, eine etwa 1240-90 lebende Tochter Conrads III. von Hirschberg und einer Frankfurter Kaufmannstochter, von den Schriesheimer Strahlenbergern abstammten, den vornehmen Namen (jetzt nicht mehr nach der Bergsträßer Burg, sondern nach dem Frankfurter Haus Strahlenberg) aber dennoch beibehielten, führten sie ein verändertes Wappen: In Gelb einen roten Balken, begleitet von drei schwarzen Strahlen.

Von all ihrem Reichtum konnten aber auch die Strahlenberger Patrizier nichts mitnehmen, als es ans Sterben ging. Die Männer raffte schon mitten im Dreißigjährigen Krieg die von Söldnern eingeschleppte Pest dahin, die letzte Strahlenbergerin und Mutter des Frankfurter Genealogen Johann Maximilian von Humbracht, starb 1691.

Um das Erbe von verblichenen Familienangehörigen scheint sich "die liebe Verwandtschaft" offenbar des öfteren vor Gericht gestritten zu haben. Solche Aufzeichnungen sind den heutigen Forschern natürlich willkommen, weil sie doch Aufschluss über Besitzungen und genealogische Zusammenhänge geben - sofern sie nicht, wie allzu viele Strahlenberger Zeugnisse im Zweiten Weltkrieg zusammen mit Alt-Frankfurt den Luftbombardements zum Opfer fielen. Bemerkenswert ist, dass sich in Kunstgalerien dennoch wertvollste Porträts der Frankfurter Strahlenberger erhalten haben. Ob die Dargestellten den Schriesheimer Strahlenbergern ähnlich sehen werden wir nie erfahren, da diese zu früh ausstarben und keine Bildnisse hinterließen.

Ausführlich nachzulesen und um Abbildungen bereichert, ist das in dem vom Stadtarchiv Schriesheim herausgegebenen Schriesheimer Jahrbuch 6-2002 für das der Referent auf Bitten von Stadtarchivarin Ursula Abele die Ergebnisse seiner Recherchen zusammengefasst hat.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung