Schriesheim im Bild 2023

16.08.2003

"Mit den Supermärkten sind die Umsätze gestiegen"

RNZ-Sommerinterview mit Schriesheims Bürgermeister Peter Riehl zum Gewerbegebiet, den Stadtfinanzen, den Baugebieten, Altenbach und seinem Verhältnis zu den Grünen.
"Das nächste Jahr wird schlimm", orakelt Bürgermeister Peter Riehl im RNZ-Sommerinterview, nachdem er erste negative Finanzsignale aus Stuttgart und Berlin erfahren hat. Im Gespräch geht der Rathauschef auch auf sein verkorkstes Verhältnis zur Grünen Liste ein: "Die unterscheiden nicht mehr zwischen Gut und Böse."

Schriesheim. "Sommerloch" in Schriesheim? Was die Stadtverwaltung angeht, kann davon keine Rede sein, wie Bürgermeister Peter Riehl gestern im RNZ-Sommerinterview betonte, arbeiten die Rathaus-Mitarbeiter im Moment an weitreichenden Entscheidungen, die im zweiten Halbjahr vom Gemeinderat entschieden werden sollen. Im Gespräch mit Lokalredakteur Roland Kern äußerte sich Riehl auch erstmals zum kommenden Kommunalwahlkampf.

Herr Riehl, nachdem das Schriesheimer Gemeinderatsklima in den letzten Jahren von Zank und Hader geprägt war, scheint mittlerweile Ruhe eingekehrt zu sein. Mal was Neues: Friede, Freude Eierkuchen in der Schriesheimer Kommunalpolitik?

Nein, so will ich das nicht sagen, wobei ich auch nicht finde, dass Zank und Hader die letzten Jahre bestimmt haben. Da gab es einmal einen Streit über einen Ausspruch von mir, der falsch interpretiert wurde. Ansonsten war das Klima konstruktiv.


Oder gibt es aus Gründen des Geldmangels keine großen Themen und Herausforderungen mehr? Zugespitzt ausgedrückt: Wird nur noch der Mangel verwaltet?

Nein, wir haben finanziell gesehen in den letzten Jahren gute Abschlüsse gemacht, besser als in vielen anderen Gemeinden. Und wir haben gravierende Themen mit großer Sachlichkeit diskutiert, auch das Thema der Altenbacher Straßensperrung wurde am Ratstisch sachlich diskutiert.


Welches sind denn für Sie die Themen, die im zweiten Halbjahr 2003 noch anstehen?

Wir arbeiten an nicht weniger als fünf Bebauungsplänen, die im September dem Gemeinderat vorgelegt werden: Da ist das Gebiet Nord (s. Kasten auf dieser Seite), Sportzentrum, damit die Geflügelzüchter umziehen können, dann die Kipp in Altenbach, damit der Festplatz befestigt werden kann, die Römerstraße und das Gelände rund um das Schützenhaus, das als Fläche für Allgemeinbedarf gelten soll. Das sind Themen, die unsere Stadtentwicklung der nächsten 20 Jahre betreffen. Dazu kommt die große Entscheidung über die Rebflurbereinigung, von der ich meine, dass sie kommen muss. Es gibt Gemeinden, die brauchen für ihre Bebauungspläne einige Jahre.

Ein großes Thema der letzten Wochen war ja die Ansammlung von Supermärkten im Gewerbegebiet. Finden Sie die Situation dort gut?

Ja. Wenn ich über die Stadtgrenzen hinausschaue, dann sehe ich, dass wir von unseren Nachbarn wegen der Einkaufsmöglichkeiten sogar beneidet werden. Dossenheim hat jetzt beschlossen, 2000 Quadratmeter für einen Supermarkt zur Verfügung zu stellen.


Aber schädigt die Ansammlung nicht das Geschäftsleben der Innenstadt?

Ich denke nicht. Wir haben in der Altstadt heute eine lebenswertere und intaktere Geschäftswelt als noch vor Jahren, als es die Supermärkte im Gewerbegebiet nicht gab. Mit den Märkten holen wir die Leute doch erst einmal in die Stadt, wenn's ihnen gefällt bleiben sie hier. Und wenn wir keine praktischen Supermärkte an der Peripherie hätten, würden die Kunden halt woanders hingehen. So habe ich ja auch bei der Hübsch'schen Mühle argumentiert, das hat auch Kaufkraft in die Stadt gelockt. Man muss ja auch mal an andere Geschäfte denken, zum Beispiel in den Fensenbäumen, die profitieren von den Supermärkten. Da hat jetzt eine junge Frau ein Buchgeschäft aufgemacht. Schriesheims Geschäftsleben muss als Ganzes rund sein, und nicht nur in der Heidelberger Straße funktionieren. Wer da in 100-Meter-Kategorien denkt, liegt daneben.

"Wer gegen Gewerbe im Gebiet ist,

muss ins Wohngebiet ziehen"

Sie glauben also nicht, dass die Einkaufsmöglichkeiten auf der Grünen Wiese der Innenstadt schaden?

Nein, ich bin sogar vom Gegenteil überzeugt. Man löst das Problem der Innenstädte nicht, indem man sie vor den Supermärkten verschonen will.


Haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Anwohner im Gewerbegebiet belästigt fühlen?

Die Leute, die dort wohnen, sollten nicht vergessen, dass es sich nicht um ein Wohngebiet handelt. Pro Betrieb wurde eine betriebsbedingte Wohnung genehmigt. Wer gegen Gewerbe im Gewerbegebiet ist, muss in ein Wohngebiet ziehen. Ich kenne Betriebe, die haben mit den Supermärkten höhere Umsatzzahlen bekommen, das ist für mich sehr wichtig. Natürlich ist die Verkehrsführung nicht unproblematisch, aber auch nicht änderbar.

Im ersten Halbjahr ging es viel um den Jugendpark, der nicht zuletzt vom Jugendgemeinderat vehement gefordert wird. Ist der Jugendpark jetzt wegen der dramatisch schlechten Finanzlage (s. Meldung unten) ganz gestorben?

Sehr positiv ist, dass ich zu diesem Thema mit den Jugendlichen in engem Kontakt stehe, ich finde das hochinteressant. Ein weiterer Fortschritt ist, dass über Planungen geredet wird. So weit waren wir bis jetzt noch nicht. Und wir können über Zwischenlösungen ja reden. Ich rechne auch fest damit, dass aus dem Gemeinderat während der nächsten Haushaltsberatung ein Antrag kommt. Aber im Moment muss ich sagen: aus Sicht der Verwaltung geht's einfach nicht. Die Schule hat Priorität und jede Mark, die möglich ist, muss in die Sanierung gesteckt werden. Mir persönlich fällt das schwer, denn ich stehe hinter dem Projekt und als Bürgermeister hätte ich mir diesen Zacken natürlich noch gerne in die Krone gesteckt. Sicherlich werden im Bürgermeisterwahlkampf in zwei Jahren alle Bewerber den Jugendpark fordern - und der neue Bürgermeister wird ihn dann auch irgendwie bauen müssen. Ob er will oder nicht.

"In Altenbach ist man mit mir

sehr unfair umgegangen."

Thema Altenbach. Die Vollsperrung war ein harter Brocken im Verhältnis zwischen Schriesheimern und Altenbachern. Wurden die alten Gräben neu aufgerissen?

Zwischen mir persönlich, dem Ortschaftsrat und dem Ortsvorsteher wird die Debatte noch lange nachwirken, weil ich finde, dass man mit mir sehr unfair umgegangen ist. In der Bevölkerung, glaube ich, wurden keine Gräben aufgerissen. Dass so eine Maßnahme heftige Diskussionen mit sich bringt, war mir klar. In ihrer Bedeutung wurden sie durch den Frust des Ortschaftsrates aber über ihre wahre Bedeutung hinaus aufgebauscht.


Wie läuft die Umleitung nach den ersten zwei Wochen?

Bis jetzt gut, das muss aber noch nichts zu sagen haben, denn in der Ferienzeit herrscht eben viel weniger Verkehr. Das muss sich beweisen, wenn der richtige Berufsverkehr wieder losgeht. Wenn der erste Lastwagen festseckt, geht das Geschrei los.


Im nächsten Jahr im Juni sind Kommunalwahlen, gleich nach den Ferien wird wohl der Vorwahlkampf beginnen. Welche Wahlkampfthemen erwarten Sie?

Hoffentlich beginnt er auch wirklich gleich nach den Ferien, damit die Bürger genügend Zeit haben, sich mit den Kandidaten zu beschäftigen. Das Thema Jugend wird im Wahlkampf sicherlich eine Rolle spielen, dann werden vielleicht aktuelle Probleme hinzukommen. Aber ansonsten kann ich mir keine großen Themen vorstellen.

Gibt es denn Themen, die Sie gerne vermeiden würden?

Nein.

Wie schätzen Sie die politische Landschaft in Schriesheim ein? Wer könnte dazu gewinnen und wer muss besonders hart kämpfen?

Ich sehe das so genannte konservative Lager eigentlich ziemlich beständig, wobei es da geringfügige Verschiebungen untereinander geben kann. Ich hoffe, dass die SPD nach den letzten Ergebnissen der Landes- und Bundestagswahlen voll in den Kampf geht, denn ich halte die Sozialdemokraten für unterrepräsentiert im Schriesheimer Gemeinderat.


Und die Grünen würden Sie sich am liebsten wegwünschen . . .

Die Grünen sind eine demokratische Partei und haben ihren Platz am Ratstisch. Aber ich bin der Fraktion schon gram, dass sie nicht verhindern kann, dass einige von ihnen zwischen Gut und Böse nicht mehr unterscheiden können.

"Wenn ich A sage, sagen die

Grünen B und umgekehrt"

Denn die Motivation eines Herrn Wolf oder eines Herrn Höfer ist doch klar ersichtlich: Wenn ich A sage, dann sagen sie B und wenn ich B sage, ist das auch nicht Recht.


Man hat aber den Eindruck, Riehl kämpft immer allein gegen die Grünen. Dabei verfügen Sie doch im Gemeinderat eigentlich über eine komfortable Mehrheit. . .

Ich bedaure, dass sich die anderen Fraktionen nicht wehren, wenn Beschlüsse, die mit großer Mehrheit gefasst worden sind, madig gemacht werden, wie erst neulich bei der Neueinteilung der Schulbezirke. Eigentlich müssten sie widersprechen, wenn Schriesheim nach außen hin so schlecht dargestellt wird. Ich habe schon mal eine Aufstellung angeregt: Wo wäre Schriesheim, wenn alle Beschlüsse, bei denen die Grünen dagegen waren, nicht umgesetzt worden wären? Das wäre doch mal eine interessante Frage.


Nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr geht es wohl gleich weiter mit dem Bürgermeisterwahlkampf. Die Wahl findet im November 2005 statt. Haben Sie schon Nachfolgekandidaten in den Startlöchern entdecken können?


"Im Jahr 2005 will ich mich

politisch heraushalten"

Ich höre immer wieder einige Namen, aber das werte ich als Vorgeplänkel. Etwas ganz Echtes ist noch nicht dabei. Ich hoffe weiterhin, dass ich mich aus allem heraushalten kann.

Und Ihre Ruhestandsvorbereitungen haben schon begonnen?

Nein, ich bin voll im Geschäft. Aber am Ende des Jahres 2004 will ich für mich einen persönlichen Abschluss haben. In diesem Jahr werde ich noch einmal eine Bürgerversammlung einberufen und mit dem Gemeinderat eine Klausurtagung absolvieren. Dann kann ich mich 2005 aus dem politischen Geschäft heraushalten. Denn im Wahlkampf mitmischen will ich auf gar keinen Fall.

INFO: Über die kommunalpolitische Sommerpause wird die RNZ auch mit den Fraktionsprechern des Schriesheimer Gemeinderates Sommerinterviews führen.




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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung