Schriesheim im Bild 2023

06.07.2011

Der Appel-Bau öffnete ihnen die Augen

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Knapp 100 Unterschriften haben sie gesammelt. Die Schillerstraße, auch die Bahnhof- und die Theodor-Körner-Straße hätten komplett mitgemacht bei der Aktion und zudem Teile der Landstraße, sagt Kerstin Schlixbier. Die Bürgerin aus der Schillerstraße gehört zu einer Gruppe, die sich nicht abfinden will mit noch höheren Häusern auf dem OEG-Areal; einer Gruppe, die nicht will, dass es "Parkplätze unter Stelzen" gibt; einer Gruppe, die sich mittlerweile von Planern, Investoren und Verwaltung manipuliert, getäuscht und abgefertigt fühlt – gerade nach der Bürgerinfo zu den neuen Quartieren zwischen Bahnhofstraße, B 3 und Passein vom vergangenen Mittwoch im Feuerwehrhaus. Also sind die Bürger mit Unterschriftenlisten herumgegangen und haben einen Brief an die Gemeinderatsfraktionen aufgesetzt, der ihre Sicht der Dinge schildert.

Darin unterstreichen sie, dass sie gegen jede Änderung des Bebauungsplanes sind – gerade, was die Gebäudehöhe von 12,50 Meter angeht. Ein Bauträger habe sich an festgelegte Vorgaben zu halten und seine Planung entsprechend anzupassen – und nicht umgekehrt. Dass aber gerade das Parken unter einer von Stützen getragenen Architektur des Ärzte- und Seniorenkomplexes von Burkhardt/Witteler ein Teil des ursprünglichen Bebauungsplanes war, verblüffte die Bürger dann doch: "Noch im März und April hieß es doch beim Ideenwettbewerb zu den Plätzen, man müsse die geplante Tiefgarage beim Ärztehaus berücksichtigen", sagte Gabi Hirth. Die Garage war auch mal vorgesehen, inzwischen ist das Architekturbüro Burkhardt aber wieder zurückgegangen auf die Ursprünge des Bebauungsplanes.

"Man sieht daran, dass uns gar nichts erklärt wird", so Hirth. Die Bürger fürchten einen neuen sozialen Brennpunkt: "Mit dem Umfeld des Bahnhofs hier sind doch jetzt schon alle unzufrieden", sagte Schlixbier im Garten der Familie Malcherek in der Schillerstraße, wo die unzufriedenen Bürger zum Gespräch baten. Außerdem erzeuge das offene Parken Lärm, und es fehle ohne die geschlossene Bauweise der Schutz vor Schall und Abgasen vom Bahnhof. Wo sei da der Konsens zur geplanten Wohnbebauung, die üppig verglast zu Schienen und B 3 hin abgeschirmt werde, fragten sich die Bürger.

Dann die Gebäudehöhen: "Die geplanten Wohnblöcke werden das Straßenbild überfrachten, den vorhandenen Gebäuden Licht nehmen und den Wohnwert mindern", heißt es im Brief der Bürger. Und Malcherek ergänzte: "Durch die Appel-Bebauung kann man sich 12,50 Meter erst mal vorstellen." Daher sei es Zeit zu reagieren und auf die Mängel hinzuweisen.
Anwohner Wolfgang Wagner äußerte auch den Verdacht, dass im Ärztehaus gar keine Praxen eingerichtet werden sollen: "Ich befürchte, daraus werden Wohnungen mit Firstclass-Blick auf die Strahlenburg." Er forderte die Auflage an die Investoren, dass im Ärztehaus wirklich nur Gewerbe angesiedelt werden darf. Wagner störte sich auch an Äußerungen von Stadtbaumeisterin Astrid Fath in der Bürgerinfo am vergangenen Mittwoch. Sie verwies auf Beispiele aus Italien, wo dichte Bebauungen mit offenen Platzsituationen kombiniert würden: "Wir sind hier aber in Schriesheim, und ich bin kein Italiener", so Wagner zum Thema "Flair".
Überhaupt hinterließ die Informationsveranstaltung von Stadt, MVV "Regioplan" und Investoren bei den Bürgern nicht die besten Eindrücke: "Wir wurden klein geredet von gut ausgebildeten Leuten, die unsere Fragen geschickt umschifft haben", sagte Malcherek. Schlixbier fand viele der Antworten einfach "arrogant". "Auch der Bürgermeister hat sich zu keinem Zeitpunkt klar positioniert. Außerdem wurden die technischen Notwendigkeiten einer Gebäudeerhöhung zwar genannt. Richtig erklärt hat aber niemand, warum es nur so gehen soll."

Malcherek glaubte nicht daran, dass es keine Alternativen gibt. Die Wohnhäuser müssten nicht höher werden. Wenn es um die Rampen der Tiefgaragen gehe, könne man auch die Innenhöfe der Wohnquartiere etwas kleiner machen, um mit dem Parken tiefer in die Erde zu kommen. Jedenfalls solle der Gemeinderat, so der Anwohner, am heutigen Mittwoch "Durchhaltevermögen" zeigen. Zumal es den Investoren nur darum gehe, viel Geld aus den Bebauungen zu ziehen, so Hirth. Wagner sprach in Bezug auf Burkhardt von "rein wirtschaftlichen Interessen". Außerdem bräuchte das ganze Areal sowieso viel mehr Parkplätze als jetzt geplant seien, ergänzte noch Hirth.

Die Frage, warum sie sich erst jetzt zusammentun, um ihrem Ärger Luft zu machen, beantworteten die Bürger unterschiedlich. Für manche brachte die Bürgerinfo das Fass zum Überlaufen. Viele hätten zudem erst durch den Appel-Bau gesehen, was bevorsteht und was zu verhindern sei. Manche Hauseigentümer seien auch einfach zu alt, um sich noch groß für das OEG-Areal zu interessieren. Andere würden sich freuen, dass endlich die Bushallen weg sind, und manche hätten auch einfach das Gefühl, sowieso nichts ausrichten zu können. Ob sie mit ihren Unterschriften etwas bewirken werden, vermochten die Bürger nicht zu prophezeien: "Aber auf jeden Fall haben wir was gemacht", sagte Schlixbier.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung