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31.08.2011

Winzergenossenschaft holt erste Sorten ab Dienstag

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Am Dienstag hat Harald Weiss einen Brief raugeschickt an die etwa zehn Genossenschaftswinzer, die es betrifft. Es sind die Winzer, die auch St. Laurent und Dornfelder in ihren Weinbergen haben. Mit diesen beiden Sorten, so steht es in dem Schreiben, wird die Winzergenossenschaft (WG) am kommenden Dienstag und Mittwoch in die Lese des Jahrgangs 2011 einsteigen. Das bestätigte Weiss auf Anfrage der RNZ.

"Noch sind der St. Laurent und der Dornfelder kerngesund. Das kann sich aber ganz schnell ändern. Deshalb lassen wir es nicht darauf ankommen. Wir wollen die Trauben haben. Die Menge ist gut, und sie sind auch reif genug", sagte Weiss, der Geschäftsführer der WG. Nach seinen jüngsten Messungen hatte der St. Laurent knapp 80, der Dornfelder über 82 Grad Öchsle: "Da bringen uns jetzt die Zeit und höhere Öchsle-Grade auch keine weiteren Vorteile mehr für den Geschmack." Also werden die Trauben geholt. Damit fällt nächste Woche der Startschuss für den Herbst dieses Jahres.

Am Dienstag soll der St. Laurent bereits komplett geerntet werden. Ob dann am Mittwoch bereits parallel zum Dornfelder auch die Lese des Müller-Thurgau beginnt, müsse man noch abwarten, sagte Weiss: "Die Katze lassen wir erst bei der Herbstversammlung aus dem Sack."

Die WG-Winzer werden am kommenden Freitag ab 20 Uhr im Hotel "Zur Pfalz" auf die Weinlese eingestimmt. Bis dahin will Weiss die Lage in den Weinbergen noch beobachten, um dann zu entscheiden. Sicher scheint jedoch, dass es nach Mittwoch nächster Woche nahtlos weitergehen soll im Kelterhaus: "Dabei haben wir aber keinen emotionalen Druck", sagte Weiss. Sprich: Die WG sieht sich nicht zum Lesestart gezwungen, wie es noch im vergangenen Jahr war, als die grassierende Fäulnis im Müller-Thurgau zum Handeln zwang. Überhaupt der "Müller": "Dieser kann dieses Jahr zum Gewinner werden", meinte Weiss. So ist eben jedes Jahr im Weinberg anders.

Insofern war der Geschäftsführer nach seinem Urlaub erst mal etwas angespannt, und zwar so lange, bis er sich bei seinen Rundgängen durch die Weinberge auf den Stand der Dinge gebracht hatte. Sein Eindruck: "Von einem 'Jahrhundertjahrgang' würde ich nicht sprechen. Wir haben sicher wieder die Chance auf tolle Weine, aber mit zu vielen Vorschusslorbeeren wäre ich vorsichtig." Denn noch sind die Trauben nicht geerntet. Und Weiss kennt sie genau, die Tücken: "Die Lese wird auch dieses Jahr kein Spaziergang."

Er habe in den Weinbergen Anlagen gesehen "von wunderbar bis Magenschmerzen". Gerade bei den prallen Burgundersorten mit ihren kompakten Trauben sei Fäulnis schon ein Thema: "Da müssen die Winzer jetzt hellwach sein", appellierte Weiss an deren Eigenverantwortung für qualitativ hochwertiges Lesegut. Denn genau darauf kommt es dem Geschäftsführer an. So freute er sich zum Beispiel über den Sauvignon Blanc: "Der ist supergepflegt. Aber jetzt müssen wir ihn genau beobachten und dann punktgenau ernten."

Zumal auch das Wetter zuletzt nicht nach Weiss' Geschmack war: "Viel zu warm. Auch nachts. Und dazu der Regen. Das war wie im Treibhaus." Das Ergebnis waren Reifeschübe mit Risiken: "Dagegen war dieses Jahr aber in Bezug auf die Rebgesundheit völlig unproblematisch", so Weiss. Hinzu kommt der zeitliche Reifevorsprung von etwa drei Wochen, der auch eine frühere Lese ermöglicht: "Und das heißt für uns, dass wir auch im Keller Zeit gewinnen."

Apropos Zeitgewinn: Gerade in kritischen Jahren kann ein Vollernter zumindest Teile der Lese retten - man denke in Schriesheim nur an den total verregneten Problemherbst 2006. Auch dieses Jahr will die WG den Vollernter wieder einige Tage bei der Lese von Riesling und Müller-Thurgau und vielleicht mal beim Weißburgunder einsetzen. Auch im Wettlauf mit Fäule könne das große Gerät ein Segen sein, wollte Weiss keine Eventualitäten ausschließen. Aber: "Für den Einsatz des Vollernters haben wir ganz strenge Freigabekriterien." Der Weinberg muss entsprechend befahrbar sein, und auf die Negativ-Handlese zuvor dürfen die Winzer auch nicht verzichten.

Schließlich kam man mit Weiss noch einmal auf das Wetter zu sprechen: "Jedes Jahr ist spannend. Die Klimaveränderungen spüren wir auch." Und wenn Weiss jüngst an den Hagel in Durbach oder in der Pfalz dachte, der Schneisen der Verwüstung auch durch Weinberge zog, dann raubte ihm das zuletzt auch mal den Schlaf. Doch bislang ist Schriesheim bei den größeren Wetterkatastrophen dieses Jahres mit einem blauen Auge davongekommen. So auch beim Frost Anfang Mai.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung