Schriesheim im Bild 2023

05.10.2011

Die Finanzen stimmen, aber...

Von Alexander Albrecht

Schriesheim. Erst jammern und tiefstapeln - und dann am Jahresende große Überschüsse präsentieren. Nur zu gut kennt der Schriesheimer Kämmerer Volker Arras dieses Klischee über seinen Berufsstand. "Aber so ist es eben nicht", sagt Arras vorbeugend, ehe er ein Diagramm präsentiert. Auf dem Papier sind fünf gelbe Balken für fünf Jahre zu sehen. Es sind die geplanten Überschüsse oder Verluste aus dem laufenden Geschäft. Dreimal (2007 bis 2009) sind die Zahlen positiv, zweimal (2010 und 2011) negativ. Über den Balken liegt eine uneinheitlich verlaufende Linie, die anschaulich zeigt, dass das tatsächliche Ergebnis in den vergangenen fünf Jahren stets über dem Planansatz lag. Vorsicht gehört offenbar zum Handwerkszeug eines Kämmerers. Oder wie Arras sagt: "Vom Schlechtesten ausgehen, das Beste hoffen und nehmen, wie es kommt."

Eine gesunde Portion Skepsis ist nicht verkehrt. Arras und Bürgermeister Hansjörg Höfer verweisen auf schlechtere Jahre. 2005 und 2006 hatte die Stadt einen Fehlbetrag in Höhe von 1,6 Millionen Euro angehäuft. Geld, das die Kommune ausgab, obwohl sie es nicht hatte. 2007 war hingegen ein gutes Einnahmen-Jahr. Der Stadt gelang es, den Fehlbetrag ohne die Aufnahme eines Darlehens zu tilgen und sogar Rücklagen zu bilden. Und die waren auch nötig mit Blick auf die Projekte und kommunalen Aufgaben, die Schriesheim zu schultern hatte und hat. Zweigleisiger OEG-Ausbau, die Lärmschutzwand am Branich-tunnel, Neubau von Kindergärten, Sanierung des Schulzentrums und Bau der Mensa - die Liste ist lang.

Vor der Gemeinderatssitzung gestern Abend haben die Kommunalpolitiker zwei dicke Zahlenwerke durchackern müssen. Die schwere Kost sind die Jahresberichte für 2008 und 2009 - und dieser Zeitraum steckte voller Überraschungen. Rückblende: Als der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) im Januar 2008 Schriesheim besuchte, sagte er den Bau des Branichtunnels zu. Die Stadt war froh, aber auch vor vollendete Tatsachen gestellt. "Wir wussten damals nicht, was auf uns zukommt", so Arras. Aus dem Stand wurde ein Nachtragshaushalt aufgestellt. Und wieder kam es anders. Am Ende standen Mehreinnahmen von 400 000 Euro. Wegen der globalen Finanzkrise drohten die Finanzen 2009 in Schieflage zu geraten. Tatsächlich brachen die Einkommensteuereinnahmen um rund 700 000 Euro ein. Einerseits. Andererseits spülte ausgerechnet die Gewerbesteuer rund 600 000 Euro mehr als erwartet in die Kasse.

Unter dem Eindruck der erschütterten Weltwirtschaft standen auch die Planungen für 2010. In der Kämmerei ging man sogar von einem Verlust aus. Doch die Steuereinnahmen sprudelten weiter. Zupass kam der Stadt, dass die Personalkosten infolge eines hohen Krankenstands vergleichsweise niedrig waren. Statt der kalkulierten "negativen Zuführung zum Vermögenshaushalt", wie Verluste im Amtsdeutsch heißen, gab es eine positive in Höhe von zirka 1,2 Millionen Euro.

In diesem Jahr sieht es ähnlich aus. Zirka eine Million Euro dürften letztlich "stehen bleiben". Wehrmutstropfen: 2011 hat Schriesheim "aufgrund einer Nachfinanzierung von Projekten" ein Darlehen in Höhe von rund zwei Millionen Euro aufgenommen. Dennoch ist Arras zufrieden. Und mit ihm auch Bürgermeister Höfer, der allerdings schon die nächsten großen Ausgabenblöcke im Auge hat. Allein für die Sanierung des Schulzentrums kalkuliert der Verwaltungschef in den kommenden Jahren mit rund fünf Millionen Euro Aufwand.

Rote Zahlen meldet Arras beim "Wasser"-Haushalt. Der Kämmerer hält deshalb den Dreh an der Gebührenschraube "für dringend erforderlich". Noch gelte es, die Kalkulation abzuwarten, aber nach heutigem Stand müssen sich die Schriesheimer auf höhere Preise beim Schmutz- und beim Regenwasser einstellen. Um fünf bis zehn Cent pro Kubikmeter könnten die Gebühren steigen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung