Schriesheim im Bild 2023

06.10.2011

Es regt jeden Tag zum Nachdenken an

Es regt jeden Tag zum Nachdenken an

Hansjörg Höfer (l.) und Mathias Nortmeyer präsentierten die Skulptur. Rechts daneben Künstler Henner-Wolfgang Harling. Foto: Dorn

Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim. Wenn man den Hof des Kurpfalz-Schulzentrums betritt, fällt der Blick jetzt nicht mehr nur auf weiße Wände, sondern auf eine kleine Skulptur mit einem Betonsockel. Von vorn wirkt das Ganze wie eine große Stecknadel, die von kühn geschwungenen Bögen eingefasst wird. Blickt man vom Eingang des Kurpfalzgymnasiums (KGS) darauf, hat man den Eindruck einer cognacbraunen Handtasche mit runden Chrombügeln. Nichts von alledem hatte der Künstler indes im Sinn. Dem Schriesheimer Henner-Wolfgang Harling ging es bei seinem Werk "Deutsche Einheit - Trennung und Wiedervereinigung", wie der Name schon sagt, um die Herstellung von Bezügen zur jüngsten deutschen Geschichte.

So entpuppt sich die braune "Handtasche" als Berliner Mauer mit den markanten Jahreszahlen 1961 (für die Erbauung) und 1989 (für ihr Ende). "Sie ist aus rostigem Stahl ausgeführt, um die Hässlichkeit oder auch Widerwärtigkeit der damaligen Trennungsmauer auszudrücken", erklärte Harling bei der gestrigen Enthüllung. Während die Bögen das Volk symbolisieren, ist die Basis des Werks ein Umriss Deutschlands.

Entstanden ist das von Harling entworfene und von einer Metallbaufirma gebaute Werk in der Auseinandersetzung mit dem Berliner Wettbewerb für ein "Friedens- und Wiedervereinigungsdenkmal", das einmal vor dem noch nicht wieder aufgebauten Stadtschloss stehen soll. Da es beim Berliner Denkmal um Frieden und Einheit gehen sollte, verzichtete Harling auf eine Teilnahme: "Ich habe mich nur mit der Einheit beschäftigt." Trotzdem hatte er den Wunsch, sein bisher einziges Kunstwerk im öffentlichen Raum aufzustellen und bot es der Stadt als Schenkung an.

Der Enthüllung ging eine Feier in der Aula des Schulzentrums voran, bei der nicht nur sämtliche Schriesheimer Schulleiter anwesend waren, sondern auch Gemeinde- und Ortschaftsräte. Bürgermeister Hansjörg Höfer bezog sich auf Fotos von 1989, die in der Aula ausgestellt waren. Er beschwor Szenen herauf wie den Fall der Grenzanlagen oder die Besetzung der Mauer: "Diese Bilder symbolisieren, was Menschen bewegen können, wenn sie friedlich und freiheitlich gesinnt sind und sich gegen Unterdrückung wehren." Für ein Denkmal, das an Mut und den Willen zur Veränderung erinnere, sei für eine Schule genau der richtige Ort. Auch der Zeitpunkt sei gut gewählt, könnten sich heutige Jugendliche doch nicht mehr an die Tage von damals erinnern.

KGS-Direktor Mathias Nortmeyer erinnerte an die Kontakte, die die Schule wenige Jahre nach der Wiedervereinigung zu einem Dresdner Gymnasium pflegte. Besuche, Gegenbesuche und ein gemeinsames Bigband-Projekt kennzeichneten die Zusammenarbeit. "Geblieben sind Kontakte mit Kollegen und Erinnerungen", fasste Nortmeyer zusammen. Die Schule existiert mittlerweile nicht mehr. Als Bezugspunkt könne ein Denkmal zukünftig die Schüler, die täglich daran vorbei gehen, zum Nachdenken anregen. Die Schüler setzten sich mit der Identität ihres Heimatlands auseinander, die Streicher des Schulorchesters musikalisch mit Haydns "Kaiserquartett" und Beethovens "Ode an die Freude", die Teilnehmer des Neigungskurses Geschichte mit einer Zusammenstellung von Gedichten und Ansprachen aus den letzten 200 Jahren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung