Schriesheim im Bild 2023

19.10.2011

"Schriese" macht Wind - aber nicht genug

Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim. "Beim Schaffe kann ma dem Schwob halt nix vormache", sagt ein schwäbisch-stämmiger RNZ-Fotograf, für den seine Herkunft in der Regel kein Problem darstellt. Beim SWR4-Regionenspiel am Donnerstag hält er sie angesichts der lokalpatriotischen Begeisterung der Schriesheimer lieber geheim, analysiert aber in diesem Satz den Grund für das schlechte Abschneiden der Weinstadt. Die erleidet mit 13:24 eine vernichtende Niederlage gegen das schwäbische Altensteig. Bis ganz zum Schluss bleibt es allerdings spannend, den Ausschlag gibt letztlich die Telefon-Umfrage mit 70 Prozent der Anrufe für die Schwarzwälder.

Um neun Uhr morgens fällt der Startschuss. Auf der Bühne vor dem Rathaus hat Moderatorin Doris Steinbeißer, bekannt aus der Sendung "Kurpälzisch fer Neigeplackte", das Mikrofon in der Hand. Bei den Dialektaufgaben reicht sie es weiter an VHS-Leiter Frank Röger, der wie kaum ein anderer in den Feinheiten der Schriesheimer Mundart firm ist und trotz oder auch wegen seiner heftigen Erkältung durch eine astreine Aussprache des Idioms besticht. Etwa wenn er den Altensteigern mit dem Wort "Foordsknoddel" eine harte Nuss zum Knacken gibt. Die Schwaben übersetzen das Wort mit "Ziegenkot", tatsächlich sind damit aber Brombeeren gemeint. Sie kontern nun mit dem Wort "Beerdebengel", hinter dem sich nicht etwa ein Lausbub verbirgt, sondern ein Wellholz.

Es steht also 0:0, als die Tagesaufgaben bekannt gegeben werden. Die Altensteiger müssen zehn Frauen namens Anna oder Elisabeth nach dem Namen von Schriesheims Besucherbergwerk in Bergmannsausrüstung versammeln, die dann das "Steigerlied" anstimmen. Singen sollen auch die Schriesheimer, und zwar den Freddy-Quinn-Hit "Junge, komm bald wieder" vor dem Hintergrund von 30 Schiffen oder Booten, angelehnt an die Flößerei im Schwarzwald. "Des krigge ma hiee", ist Bürgermeister Hansjörg Höfer zuversichtlich.

In der nächsten Stunde treffen die erstaunlichsten Gefährte auf dem Rathausplatz ein: Gummiboote, Surfbretter, Luftmatratzen, ein kleines Kinderboot und sogar ein Schwimmtier in Delfinform, während drei Tüftler an einem kleinen Floß aus Holzstämmen bauen. Eingedenk des alten Brauchs, früher auf dem Kanzelbach Wettfahrten mit der "Weschbrängg", also dem Waschzuber, zu machen, tragen die Schriesheimer auch jede Menge Zinkwannen auf den Platz. Wieder Gleichstand: Beide Gemeinden meistern ihre Aufgaben. Unterdessen treffen die Knirpse der Kindergärten Römerstrolche und Regenbogen ein, ebenso sämtliche Schüler der Strahlenberger Grundschule. Fast alle tragen selbst gebastelte Windräder für die "Aktionsaufgabe", die von den beiden Städten verlangt, so viele Windräder wie möglich zu sammeln. Kaum angekommen, stellen sich die Schulkinder in Formation auf und bilden ein weiteres "Windrad".

Besonders hübsche Exemplare haben die Kinder vom privaten Kindergarten Steinachstraße gebastelt. Stolz zeigt die vierjährige Aliah ihr rosa Windrädchen, in dessen Mitte eine schimmernde Perle steckt. Diese Sorgfalt und Liebe zum Detail zeichnet fast alle Schriesheimer Basteleien aus. Vom Bauhof kommt ein drei Meter hohes Exemplar aus Metall in Blumenform, während Hartmut Bauer eine mannshohe Windmühle mit selbst bemalten Flügeln aus Pappe gebaut hat.

Produktionsleiter Frieder Steiblemüller von SWR 4 ist hingerissen von den hübschen, pastellfarbenen Windrädern im Reitstall des Aussiedlerhofs Müller-Heberle: "Das war ein Bild wie ein Blumenmeer. Es sah aus, als wenn da ein Designer dran gewesen wäre." Am Ende sind es dann doch "nur" 14 537 Windräder und damit knapp halb so viele (29 381)wie die der Altensteiger, womit die These vom fleißigen Schwaben bestätigt wäre.

Bevor der Vormittag mit dem Absingen des "Schriesemer Lieds" endet, bestätigt Höfer ein weiteres Klischee, das da besagt: Der Schwabe ist ein guter "Schaffer", der "Kurpälzer" dagegen beim Feiern unschlagbar. Das Stadtoberhaupt zeigt sich als guter Verlierer und lädt seinen Altensteiger Amtskollegen Gerhard Feeß zum Feiern ein: "Zum Schriesheimer Mathaisemarkt und zu einer ausgiebigen Weinprobe mit zehn Weinen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung