Schriesheim im Bild 2023

26.10.2011

"Ich werde kritischer Beobachter bleiben"

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Nach 31 Jahren wird CDU-Stadtrat Siegfried Schlüter morgen aus dem Gemeinderat verabschiedet. Seit 1995 war er zudem Erster Bürgermeisterstellvertreter. Für ihn rückt Daniel Schneegaß in die Fraktion nach. Stadtrat Anselm Löweneck wird von der CDU als neuer Vize-Bürgermeister vorgeschlagen. Siegfried Schlüter war drei Mal in Folge der "Stimmenkönig" bei den Kommunalwahlen. Bei der Wahl am 7. Juni 2009 erzielte er 5720 Stimmen.

Herr Schlüter, glauben Sie nicht, dass Sie Ihre Wähler enttäuschen, indem Sie mitten in der Wahlperiode das Handtuch werfen?

Ein Handtuchwerfen ist es sicher nicht. Aber über diesen Aspekt denkt man natürlich auch nach. Alle, die mich bisher darauf angesprochen haben, reagierten mit Verständnis auf meinen Schritt. Die Gesundheit ist ein hohes Gut, und nach 31 Jahren hat man wohl auch das Recht, in der Wahlperiode zurückzutreten.

Es ist also wirklich die Gesundheit und nicht etwa Frust?

Ende Juni wurde ich an der Achillessehne operiert und war danach drei Monate außer Gefecht. Das ist zwar nicht Lebensbedrohliches. Aber man fängt im Krankenhaus eben schon an nachzudenken.

Dennoch hatte man das Gefühl, dass Sie seit der verlorenen Bürgermeisterwahl Ihres Kandidaten Peter Rosenberger nicht mehr ganz der Alte waren im kommunalpolitischen Alltag. Sie wirkten öfter enttäuscht seitdem.

Sicher war ich nach der Bürgermeisterwahl enttäuscht. Aber das war ein demokratischer Prozess. Und in meiner Funktion als Erster Bürgermeisterstellvertreter hatte ich auch nie etwas Böses darüber zu sagen. Man muss sich arrangieren. Das habe ich getan. Im Mittelpunkt steht sowieso die Stadt, nicht Personen.

Warum haben Sie es nicht wie Friedrich Ewald von den Freien Wählern gemacht und sind zur letzten Wahl gar nicht mehr angetreten?

Ich hatte auch noch bis vor Kurzem vor, diese Wahlperiode zu vollenden.

Mit welchem Verwaltungschef konnten Sie als Bürgermeisterstellvertreter leichter zusammenarbeiten: mit Peter Riehl oder Hansjörg Höfer?

Mit Hansjörg Höfer.

Das überrascht dann doch.

Von der Arbeit her ist unter Peter Riehl viel in der Stadt passiert. Er hat mich stark eingebunden in die Entscheidungen. So hatte ich eine größere Verantwortung. Das war interessant, aber auch belastend, weil man viele Entscheidungen bereits im Vorfeld mitgestaltet hat. Aber durch die Zusammenarbeit sind Herr Riehl und ich uns näher gekommen. In der Sache haben wir ja hin und wieder gestritten, aber immer gemeinsam nach dem besten Weg für die Stadt gesucht. Dies hat uns zusammengeschweißt. Vielleicht ist es ganz bezeichnend, dass wir immer per Sie waren. Erst zwei Jahre, nachdem Peter Riehl in den Ruhestand verabschiedet worden war, gingen wir zum vertrauten Du über.

Christian Wolf von den Grünen hat gesagt, Sie hätten als Bürgermeisterstellvertreter mit Ihrer Kritik im Gemeinderat zuletzt nichts Positives mehr bewirkt. Trifft Sie das?

Da es von Herrn Wolf kommt, trifft es mich nicht. Ich schätze ihn als Stadtrat. Aber es hat mich nicht berührt, und ich weiß auch nicht, warum er so etwas sagt. Ich habe in meiner Zeit sicher 100 Stadträte erlebt. Wenn man da bei 97 Prozent gut angesehen ist, braucht man über drei Prozent auch nicht zu reden.

Ihre Analysen und Sachkenntnis werden der CDU fehlen. Kann die Fraktion das überhaupt ausgleichen?

Ja, da bin ich mir sicher. Anselm Löwená †eck ist rhetorisch gut. Und Daniel Schneegaß, der für mich nachrückt, wird in die Aufgabe als Stadtrat hineinwachsen. Dass er beachtliche Reden halten kann, hat er ja jüngst bei unserer Feier zum 3. Oktober bewiesen. Es ist gut, wenn die jungen Leute sich jetzt im Gemeinderat ohne mich bewähren müssen. Ich bin ganz optimistisch, dass sie ihre Chance nutzen werden.

Geben Sie Anselm Löweneck mal bitte einen Tipp, was einen guten Ersten Bürgermeisterstellvertreter ausmacht.

Man muss sich in der Verwaltung Anerkennung und Respekt erarbeiten und Ansprechpartner sein - bis hin zum Bauhof. Wenn man im Rathaus sitzt, muss man auch mal schnell und unbürokratisch entscheiden und helfen können. Ich denke, es ist mir gelungen, dieses Amt überparteilich auszuführen.

Löweneck wird gewählt, das ist wohl klar. Nur wundern sich einige hinter vorgehaltener Hand über seine Nominierung. Warum schlägt die CDU gerade ihn vor?

Weil er die Fähigkeiten dazu hat.

Was macht Sie da so sicher?

Er kann sich seine Zeit als selbstständiger Rechtsanwalt besser einteilen als ein Angestellter. Er wohnt nahe am Rathaus und ist inzwischen auch ein erfahrener Stadtrat. Anselm Löweneck ist also eine gute Wahl.

Kaum vorstellbar, dass Sie nach so langer Zeit wirklich ganz abschließen können mit der Kommunalpolitik.

Doch, ich glaube, das wird mir gelingen. Es ist mein Grundsatz, dass man sich nicht mehr einmischt, wenn man keine Funktion mehr hat. Das ist Sache der Aktiven. Ich werde kritischer Beobachter bleiben, mehr nicht. Es sei denn, mich sticht der Hafer.

Was waren für Sie die herausragenden Entwicklungen in den 31 Jahren?

In den 80er Jahren und Anfang der 90er gab es große Weichenstellungen. Die Sanierung des Rückhaltebeckens brachte Sicherheit bei Hochwassergefahren. Die Altstadtsanierung war wichtig und auch der Erhalt des Schwimmbades. Das Prädikat "Kinderfreundliche Stadt" war bedeutend. Sehr am Herzen lag mir immer auch die Feuerwehr. Für das neue Gerätehaus habe ich mich stark eingesetzt. Ebenso für die Baumpflanzungen am Festplatz. Dass dieser eine schönere Gestaltung erfährt, hätte ich gerne noch als Stadtrat erlebt. Wünschenswert wäre auch, wenn der Kanzelbach am Festplatz wieder freigelegt werden könnte. Jedenfalls braucht dieser Bereich unter Einbeziehung der Kreuzung Bismarckstraße/Talstraße eine Neugestaltung, wenn der Branichtunnel fertig ist, auf den ich auch persönlich stolz bin. Oft war ich deshalb mit Peter Riehl in Stuttgart. Mindestens zehn Mal. Und oft fuhren wir frustriert nach Hause. Aber wir haben weitergekämpft. Ohne Riehls gute Beziehungen zu Georg Wacker und Günther Oettinger hätten wir den Tunnel wohl nie bekommen.

Welche Herausforderungen sehen Sie künftig für die Stadt?

Sie muss ihre Finanzen in den Griff bekommen, und das wird wohl das größte Problem sein. Die Stadt muss versuchen, ihre Standards zu halten. Schafft sie das, dann hat sie schon gute Arbeit geleistet.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung