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07.02.2012

Das erste Donnern am "Birgittunnel"

Das erste Donnern am "Birgittunnel"

Großer Auftrieb an der Baustelle des Schriesheimer Branichtunnels: Gestern fiel der Startschuss für den Sprengvortrieb der 1796 Meter langen Röhre. Ende 2015 soll die neue Ortsumgehung der Weinstadt fertig sein. Foto: Dorn

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Bürgermeister Hansjörg Höfer sprach von einem "bedeutenden Tag in Schriesheims Geschichte": Am Mittwoch begann mit der symbolischen ersten Sprengung der Bau des 1796 Meter langen Branichtunnels. Ab heute haben auf der Baustelle wieder die Mineure das Sagen und beginnen mit dem Sprengvortrieb der Röhre. Sie ist das Herzstück der künftigen Schriesheimer Ortsumgehung, die mit 85 Millionen Euro das derzeit teuerste Projekt im Landesstraßenbau ist.

Genau um 14.03 Uhr löste Tunnelpatin Birgit Ibach-Höfer, die Frau des Bürgermeisters, die erste Detonation aus. Es rumste gewaltig. Während sich die dichte braune Staubwolke langsam im blauen Himmel auflöste, applaudierten die Ehrengäste des sogenannten Tunnelanschlags - darunter auch Landrat Stefan Dallinger, Abgeordnete, Bürgermeister der Nachbargemeinden sowie Vertreter von Polizei und Feuerwehr.

Regierungspräsident Dr. Rudolf Kühner begrüßte aber auch die Bürger, die dicht an dicht den Baustellenzaun und die Brücke über der künftigen Tunnelzufahrt säumten: "Ihr Kommen zeigt die große Bedeutung des Projekts für diese Stadt." Der Tunnel werde den Vorderen Odenwald besser an die Rheinebene anbinden und die Lebensqualität in der Talstraße "deutlich verbessern". Die viel zu enge, überlastete Talstraße ist bisher die Ortsdurchfahrt. Kühner erinnerte an die jahrzehntelangen Kämpfe der Schriesheimer für die Umgehung: "Wir alle brauchten viel Geduld bis zum heutigen Tag." An Alt-Bürgermeister Peter Riehl richtete sich Kühner persönlich: "Er hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass wir heute hier stehen." Die Bürger, die unweit der Baustelle auf dem Branich leben, bat der Regierungspräsident während der Bauzeit um Verständnis: "Wir können keinen Tunnel bauen, ohne dass es einer merkt."

Gerade deshalb seien Offenheit, Transparenz und Bürgernähe während der Bauzeit des Tunnels gefragt, sagte Dr. Gisela Splett. Die grüne Verkehrsstaatssekretärin vertrat gestern die Landesregierung in Schriesheim nutzte die Stunde zum Seitenhieb gegen die schwarz-gelbe Verkehrspolitik vergangener Jahre. Im Landesstraßenbau sei zu viel Geld für neue Projekt und zu wenig für den Erhalt der bestehenden Verkehrsinfrastruktur getan worden. 17 Prozent aller Straßen und acht Prozent der Brücken seien in schlechtem Zustand. Den wolle Grün-Rot nun verbessern. Dafür seien 100 Millionen Euro vorgesehen. Und "natürlich" investiere das Land auch weiterhin in Aus- und Neubaumaßnahmen im Straßenbau. Die 69 Projekte im Bau hätten einen Umfang von 167 Millionen Euro und würden vollendet - darunter auch der Branichtunnel, der die Schriesheimer Ortsdurchfahrt um täglich 8000 Fahrzeuge entlasten soll. 750 weitere Maßnahmen stünden landesweit an. Hier müsse man in der Finanzierung "Prioritäten" setzen. Da gehe es nach "Vordringlichkeit", so Splett.

Sie sagte, dass politischer Druck aus der ganzen Region "und über Parteigrenzen" hinweg letztlich zum Bau des Branichtunnels geführt habe - wobei sich die Grünen allerdings erst spät für das Projekt erwärmen konnten. Die Diskussionen seien damals sehr leidenschaftlich geführt worden, sagte Bürgermeister Höfer: "Es galt, berechtigte Zweifel aus dem Weg zu räumen." Heute seien sich aber alle einig, "dass der Tunnel richtig ist". Nun hoffe er auf eine Bauzeit ohne Zwischenfälle. Dafür soll auch seine Frau sorgen. Die Tunnelpatin war in orangefarbenem Overall, Stiefeln und Bauhelm nicht zu übersehen und gilt für die Zeit bis zur Vollendung des Tunnels als "irdische Vertreterin" der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute. Etwas Beistand können die Mineure bei ihrer Arbeit auch gebrauchen: "Diese ist nicht ohne Risiken und Gefahren", wusste Birgit Ibach-Höfer. Bis der Tunnel fertig ist, trägt dieser übrigens den Namen seiner Patin. Bis auf weiteres heißt er also "Birgittunnel".

Daten zum Tunnel:
> Projekt: "Landesstraße 536 ’neu’ mit Branichtunnel"
> Projektumfang: Tunnelzufahrt als L 536 "neu" (1500 Meter), drei Brücken, zwei Unterführungen, Branichtunnel (1796 Meter), Fluchtstollen (1200 Meter), vier Notausgänge
> Gesamtkosten: 85 Millionen Euro (aktuell größtes Projekt im Landesstraßenbau)
> davon Kosten für Tunnel-Rohbau: 57 Millionen Euro
> Bauzeit: rund sechs Jahre
> Fertigstellung: Ende 2015
> Bauweise/Tunnel: 1600 Meter im Sprengvortrieb, 200 Meter "offene Bauweise"
> Bauweise/Fluchtstollen: 1200 Meter im Sprengvortrieb
> Ausbruchvolumen: 170.000 Kubikmeter (Tunnel und Fluchtstollen)
> Sicherheitseinrichtung im Tunnel: Fluchtwegbeleuchtung an der Tunnelwand, LED-Module auf Notgehwegen, Messsensorik (Sichtrübmessanlagen, Strömungsmessanlagen, CO-Messstellen), Funk, Lautsprecher, Videoüberwachung, unterbrechungsfreie Stromversorgung.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung