Schriesheim im Bild 2023

10.09.2003

Hannes "friert" die Bilder dieser Welt ein

5-jähriger Schüler ist Amateur-Filmer - Besuch ehemaliger jüdischer Mitbürger mit Kamera dokumentiert.

Schriesheim. (stek) Erst vor kurzem begann der 15jährige Hannes Künemund seine Karriere als Kameramann und Schneidetechniker. Die Idee, die Welt durch die Kamera zu beobachten, kam ihm durch seinen Vater. Hannes entdeckte letztes Jahr einige von seinem Vater gedrehte "Familienfilme" - und war begeistert von den alten Bildern.

Sofort war die Entscheidung gefallen, das er dem Beispiel seines Vater folgen wollte. Einziger Wehrmutstropfen war, dass dies mit der Kamera seines Vaters nicht mehr möglich war. Und so bekam Hannes zum letzen Weihnachtsfest eine neue Kamera geschenkt, mit der er fortan versucht die vielen "Bilder dieser Welt einzufrieren".

Auf seiner Schule, dem Kurpfalz Gymnasium, wo Hannes im kommenden Schuljahr die neunte Klasse besuchen wird, blieb die Leidenschaft für das Filmen nicht lange verborgen. Bei einem Auftritt der Jazz-Schul-Band, in der Hannes die Klarinette spielt, bat er seinen Bruder, dieses Konzert auf Zelluloid zu bannen. Aufgrund dieses ersten Auftrittes mit der Kamera sprachen ihn einige Lehrer an, ob er nicht das schulische Leben filmisch dokumentieren möchte. Seither ist Hannes bei allen Veranstaltungen der Schule als Kameramann dabei.

Jugend auf Zack

Durch seine Religionslehrerin Maier-Ehrke, die im Frühjahr 2003 die Reise einiger ehemaligen jüdischen Bewohner aus Schriesheim in ihre alte Heimat mitorganisierte, kam Hannes an sein bis dahin spannendstes Filmprojekt. Lore Tobias, Martin Wimpfheimer und Erwin Maier, die heute in der Nähe New Yorks lebenden Schriesheimer sind damals, kurz nach der Machtergreifung durch Hitler, nach Amerika geflohen.

Dieses Jahr nun, rund 70 Jahre nach ihrer Flucht, wurden sie vom 6. bis zum 8. Mai 2003 offiziell in ihre alte Heimat eingeladen. Hannes erzählte im Gespräch mit der RNZ, wie aufgeregt er war, als er den Auftrag bekam, diesen Besuch mit seiner Kamera zu dokumentieren.

"Zu Beginn fühlte ich mich schon etwas unvorbereitet, doch schon bei der Begrüßung im Rathaus spürte ich, dass ich der Sache gewachsen war." Und so begleitete Hannes die drei früheren Bewohner Schriesheims durch ihre Erinnerungen und Geschichten. "Ihre Erzählungen haben mich berührt und ich war ziemlich traurig, als sie wieder zurück in die USA gingen". Am meisten bewegt hat mich, so Hannes weiter, "wie der Mann von Lore Tobias am Grab eines Verwandten ein jüdisches Gebetslied sang und so die Erinnerung an die Verstorbene wach rief".

Und so verwundert es nicht, das während den Dreharbeiten eine Freundschaft zwischen Hannes und den drei Schriesheimern aus den USA entstanden ist. Besonders Lore Tobias war von dem Film begeistert und wünschte sich noch weitere Kopien. Unter anderem für ein Institut in New York, das sich mit den Auswanderung aus Deutschland in dieser Zeit beschäftigt.

Auch Hannes beschäftigt sich seit den Filmarbeiten verstärkt mit diesem dunklen Kapitel in der Geschichte Deutschlands und Europas. "Es ist wichtig zu wissen, was wirklich alles geschehen ist."

Heute besteht sein Filmalltag wieder verstärkt aus Theateraufführungen und dem erlernen einer feineren Technik. Besonders das Schneiden und Bearbeiten von Filmen macht ihm Spaß.

Für die Zukunft ist aber erst Mal Schule angesagt. Auch der Sport und die Klarinette fordern ihre Zeit und daher ist es für Hannes noch keine ausgemachte Sache, dass er in die Filmbranche einsteigt. "Ich kann mir für meine Zukunft noch ziemlich viel vorstellen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung