Schriesheim im Bild 2023

10.04.2013

Branichtunnel wird frühestens Ende 2015 fertig



Von Carsten Blaue

Schriesheim/Rhein-Neckar. Für Landrat Stefan Dallinger ist der Branichtunnel in Schriesheims Norden "eine der wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen im Rhein-Neckar-Kreis." Mit Sicherheit ist die neue Ortsumgehung der Weinstadt die teuerste. Geschätzte 85 Millionen Euro gibt das Land für die knapp 1800 Meter lange Röhre aus. Darin enthalten sind auch Zufahrten, Betriebsgebäude, neue Brücken und Unterführungen sowie die Technik im Tunnel, der sich noch im Rohbau befindet. Volker Staudacker rechnete gestern damit, dass das erste Auto frühestens Ende 2015, wenn nicht erst Anfang 2016 durch den Branichtunnel fährt.

Staudacker gehört von Seiten des Regierungspräsidiums neben Bauleiter Ralph Eckerle zu den Verantwortlichen für den Tunnelbau. Von ihnen erfuhren die Mitglieder des Kreistagsausschusses für Umwelt und Technik im Vorfeld ihrer Sitzung im Schriesheimer Rathaus alles Wissenswerte über das Projekt. "Die meisten hier haben ja Tunnelerfahrung", lächelte Dallinger sicher mit Blick auf Neckargemünd und Weinheim.

Neben einem Film zum Projekt sahen die Kreisräte auch die ersten 200 Meter des Tunnels. Weiter hinein in den Branich ging es für sie aus Sicherheitsgründen nicht. Es reichte aber auch so. Gut 1220 Meter misst der Tunnel bereits. Insgesamt 1576 Meter weit müssen sich die Mineure von West nach Ost durch den Berg sprengen. Tag für Tag wird die Röhre etwa sechs Meter länger.

Dafür sind täglich drei Sprengungen nötig. Pro Detonation benötigen die Experten rund 200 Kilogramm Sprengstoff. Für Frischluft an der Ortsbrust, also dem aktuellen Sprengpunkt im Berg, sorgt ein enormer Ventilator, der 80 Kubikmeter in der Sekunde verwirbelt und verbrauchte Luft aus dem Tunnel drückt.

Im Juni wollen sie am Ostportal rauskommen, um dann umzukehren und von Ost nach West den unteren Teil aus dem rund 90 Quadratmeter großen Tunnelquerschnitt herauszusprengen, die sogenannte Strosse. Im Moment werden nämlich nur zwei Drittel des oberen Teils vorgetrieben. Würde man den kompletten Querschnitt auf einmal sprengen, wäre nicht absehbar, welche Folgen die Wucht der Detonationen für das umgebende Gestein und dessen Standfestigkeit hätte. Jedenfalls werden die Bergleute von Osten her schneller vorankommen, etwa zwölf Meter pro Tag. Zugleich bekommt der Tunnel in dieser Phase seine 40 Zentimeter dicke Stahlbetonschale.

Danach ist der Rohbau fertig, und der Ausbau kann beginnen. Dazu gehört auch jede Menge Sicherheitstechnik - neben dem Fluchtstollen und den fünf Notausgängen. Einer davon liegt in Richtung Odenwald auf Höhe der Mälzerei Kling an der heutigen Ortsdurchfahrt, der Talstraße. Diese ist offiziell die Landstraße 536, die durch den Branichtunnel entlastet werden soll.

Dazu sagte Schriesheims Bürgermeister Hansjörg Höfer: "Täglich fahren hier zwischen 15.000 und 20.000 Autos durch. Dazu der Lastwagenverkehr. Für Fußgänger ist die Talstraße längst eine Mutprobe." Bürgersteige gibt es nämlich nicht. "Wegen des Verkehrs sind die Menschen aus der Talstraße weggezogen", so Höfer. Jetzt, mit Aussicht auf den Tunnel, kämen wieder junge Familien, um hier zu wohnen.

So habe die Talstraße auch städtebaulich eine neue Perspektive, müsse aber saniert werden. Und auch im weiteren Verlauf, im Bereich zwischen Wilhelmsfeld und Schönau, sei die L 536 dringend zu machen, und das zeitnah, schickte Dallinger voraus.

Hintergrund
Der Branichtunnel ist als Landesstraße 536 die künftige Ortsumgehung von Schriesheim an der Bergstraße und wird den vorderen Odenwald an die Rheinebene anbinden. Die Schriesheimer haben Jahrzehnte für die Trasse gekämpft - schon in den 1950ern gab es erste Planungen einer Umgehungsstraße, doch stets hieß es von Seiten des Landes, ein solches Projekt sei nicht finanzierbar. Das nahmen die Bürger nie hin und blieben immer am Thema dran, allen voran die "BI Talstraße" sowie ab den 1970ern der damalige Bürgermeister Peter Riehl. Im November 2000 erste Hoffnungen: Das Planfeststellungsverfahren wurde eingeleitet, und vier Jahre später lag der Feststellungsbeschluss vor, der im März 2006 Rechtskraft erlangte. Schon neun Monate später, im Dezember 2006, dann die Erlösung: Der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger sagte die Finanzierung des Tunnels zu. Mit dem feierlichen Spatenstich am 17. November 2008 begann der Bau des 85-Millionen-Euro-Projekts. cab

Die Ortsumfahrung in Zahlen:
Zum Neubau der L 536 gehören: 3,3 Kilometer Straße, drei Brückenbauwerke, zwei Unterführungsbauwerke und der "Branichtunnel" selbst.
Bauzeit: sieben Jahre
Kosten: 85 Millionen Euro

Der Branichtunnel in Zahlen
Länge: 1796 Meter
davon Sprengvortrieb: 1576 Meter
Länge Fluchtstollen: 1200 Meter
Ausbruch: 170.000 Kubikmeter Granit
Notausgänge: 5
Durchstich (geplant): Juni 2013
Fertigstellung (geplant): Ende 2015

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung