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27.05.2013

Steinschlag in Talstraße: Keiner fühlt sich verantwortlich

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Am vergangenen Samstag saß Ferit Savumlu noch auf dem roten Stuhl in seinem Garten, direkt an der steilen, teilweise bewaldeten Felsböschung des Branich-Bergs hinter seinem Haus in der Schriesheimer Talstraße. Hätte er hier auch am nächsten Abend gegen 20 Uhr gesessen, wäre er jetzt vielleicht tot. Ein Gesteinsbrocken von der Größe eines Bierkastens schlug unmittelbar neben dem Stuhl ein. Der Fels hatte sich aus dem Hang gelöst. Mit Steinschlag leben die Savumlus und ihre Nachbarn schon lange. Ein Wunder, dass bislang niemand zu Schaden kam. Appelle an das Schriesheimer Rathaus, die Hänge gegen weitere Felsstürze zu sichern, verhallten ungehört. Die Zuständigkeit sei nicht klar, betont Bürgermeister Hansjörg Höfer stets. Und auch die Haftungsfrage bleibt von der Stadtverwaltung unbeantwortet.

Weil es keine eindeutige Antwort gibt. "Grundsätzlich ist zwar zunächst der Eigentümer verantwortlich. Es gibt aber kein Gesetz für die Verkehrssicherungspflicht solcher Hänge. Es bleibt also immer eine richterliche Einzelfallentscheidung", sagt Dr. Oliver Hendrischke, Fachgebietsleiter Recht und Ökonomie beim Bundesamt für Naturschutz in Bonn. Zudem habe die Verkehrssicherungspflicht dort Grenzen, wo sie dem Eigentümer finanziell nicht zuzumuten sei. Auch könne absoluter Schutz für alle denkbaren Schadensereignisse nicht verlangt werden. Das alles macht die Rechtslage nicht eindeutiger. Jedenfalls gehören die Böschungen im Forstlatein zu den sogenannten Grenzwirtschaftswäldern. Und im Schriesheimer Fall sind sie Eigentum der Stadt.

Im Bereich von Straßen, so Hendrischke, könne aber auch der Straßenbaulastträger für die Sicherung der Böschungen verantwortlich sein. Als Straßenbaulast bezeichnet man alle Aufgaben und Pflichten, die mit dem Bau, der Unterhaltung und dem Betrieb von Straßen zusammenhängen. Im Falle der Talstraße, die offiziell L 536 heißt, ist dafür das Land verantwortlich. Stuttgart sieht die Schriesheimer Hangsicherung aber nicht grundsätzlich als Landessache an. Auch dafür gibt es in der Talstraße zurzeit ein Beispiel, allerdings ein paar Hundert Meter weiter östlich vom Anwesen der Savumlus.

Bereits Ende April flogen an dieser anderen Stelle zehn Kubikmeter Gestein auf Terrassen der Anwohner. Und schon kam der Verdacht auf, dass sich das Geröll löse, weil im Moment der Branich-Tunnel durch den Berg gesprengt wird. Das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) ließ das gutachterlich dementieren. Wasser, Frost und Wurzeln seien schuld. Gleichwohl stellte das RP die Sprengungen im Berg zunächst ein und gab sofort die Sicherung der betreffenden Felswand in Auftrag - auch um sich nicht auf lange Zuständigkeitsdebatten mit der Stadt einzulassen und zügig am Tunnel weiterarbeiten zu können.

Der Felshang wird seit vergangener Woche von einer verankerten Stahlnetzkonstruktion gehalten. Und die Stadt sah in der Hangsicherung durch das RP die Bestätigung, dass sich die Karlsruher für die Sache auch wirklich verantwortlich fühlen: "Warum hätten sie es sonst gemacht?", fragt Schriesheims Vize-Bürgermeister Anselm Löweneck. Bei Kosten in Höhe von 250 000 Euro ist das auch eine Frage des Geldes. Das RP ist aber keineswegs bereit, die Rechnung so ohne Weiteres zu bezahlen: "Wir prüfen noch, wer als Kostenträger in Frage kommt", sagt RP-Pressesprecher Uwe Herzel: "Ich hoffe, wir bekommen dann auch Klarheit, in wessen Zuständigkeit diese Böschungen liegen."

Im Falle der Savumlus ist es die Stadt. Nachdem die Familie ein paar Mal erfolglos im Rathaus vorgesprochen hatte, zog sie vergangenes Jahr gegen die Stadt vor Gericht. Es kam zum Vergleich, in dem sich die Verwaltung verpflichtete, die Böschung am Haus der Savumlus zu begutachten und zu sichern.

Doch monatelang tat sich danach nichts. Bis es am Sonntag wieder krachte. Seitdem geht plötzlich alles ganz schnell. Schon am Montag fängt eine österreichische Fachfirma mit den Arbeiten am Fels an. Bald kann Ferit Savumlu also wieder auf seinem roten Stuhl sitzen - ohne Gefahr für Leib und Leben.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung