Schriesheim im Bild 2023

03.06.2013

Schriesheim: "Der Hang ist in Bewegung"

Schriesheim: "Der Hang ist in Bewegung"

Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim. Der Kanzelbach ist über die Ufer getreten und schwappt an die Hauswand der "Hübsch'schen Mühle". Reißend und schlammbraun ist er am Samstagmorgen auf die doppelte Größe angewachsen, immer noch strömt der Regen. Im Laufe des Wochenendes mausert sich der Bach zur Attraktion, immer wieder wird er fotografiert. Der Freiwilligen Feuerwehr macht er aber mindestens ebenso viel Kopfzerbrechen wie die vom tagelangen Regen aufgeweichten Hänge entlang der Talstraße.

Bei einer Lagebesprechung beschließen Feuerwehr, Polizei, Regierungspräsidium, Landratsamt und Bürgermeister Hansjörg Höfer später, die Talstraße vorerst geschlossen zu halten. "Der Hang ist in Bewegung, das Risiko eines Hangrutsches ist einfach zu groß", sagt Feuerwehrkommandant Oliver Scherer. Die Sperrung soll bis heute Morgen, 6 Uhr, dauern. Die Ortsteile sind nur über Gorxheimertal zu erreichen.

Wenig später werden die Kameraden zum Einsatz gerufen: In der Breiten Seite ist ein Keller voll gelaufen. Der Alarm kommt von Ludwig Mildenberger, der Kamerad der Altersmannschaft ordert profimäßig eine Tauchpumpe, in seinem Keller stehen etwa 20 Zentimeter Wasser. "Das Wasser hat sich vom Berg durch die Wand gedrückt", sagt er und kehrt die letzten Pfützen mit dem Besen zusammen. Die ältesten Teile des Hauses stammen von 1480 und haben im Laufe der Zeit einige Überschwemmungen gesehen. Am Nachmittag ist ein zweiter Keller in derselben Straße betroffen: Auch hier hat sich das Wasser seinen Weg durch die Kellerwand gesucht.

Scherer ist derweil am anderen Ende der Stadt im Einsatz: Im Weinberg oberhalb des Großen Mönchs ist ein Überlaufbecken voll gelaufen, durch seine Talseite sickert Wasser in die Rebzeilen. "Die Stadt hat hier gearbeitet, da ist bestimmt was angeknackst worden", vermutet Anliegerin Elisabeth Bohnert. Tatsächlich seien alle Becken vor den Starkregenfällen ausgebaggert worden, bestätigt Höfer. "Dass dabei etwas kaputt gegangen ist, glaube ich aber nicht", meint er. Jedenfalls wird die Stelle mit Sandsäcken abgedichtet.

Zuvor wartet ein wahrer Knochenjob auf Thomas Weber. Er sitzt hinterm Steuer des Gerätewagens Logistik (GWL) und manövriert das Ungetüm zentimeterweise den glitschigen Pflasterweg hoch. Die Achse ist zu breit für den Pfad, rechts und links graben die Räder tiefe Furchen in die aufgeweichte Erde. Es knirscht, das hintere Ende des Aufsatzes schrammt an einem Mäuerchen entlang. Auf der anderen Seite passt auch kein Haar mehr zwischen Wagen und Mauer. "Da muss man halt durch", bemerkt Kamerad Mike Markmann. Im wahrsten Sinne des Wortes: Weber gibt Gas, es stinkt nach verbranntem Gummi, und oben scheucht Scherer alle von der Straße. Mit heulendem Motor und quietschenden Reifen kommt der GWL frei und nimmt unerwartet elegant die letzte Kurve.

Schnell ist der Generator angeworfen, die Kameraden holen die Schmutzwasserpumpe, die Scherer stolz anmoderiert: "Das ist was Anständiges." Angeschafft nach den Starkregenfällen vor zwei Jahren, fördert sie bis zu 1400 Liter pro Minute. Sie kann Wasser und Brocken bis zur Größe von Tennisbällen befördern, ihre Handhabung ist allerdings nicht ganz einfach. Drei Versuche und ein wenig Überredungskunst braucht es, bis der Schlauch prall gefüllt ist mit Wasser. Es wird in den Weinbergen verteilt, über eine Stunde dauert es, das Becken leer zu pumpen.

Scherer bricht derweil zu einer Kontrollfahrt der vier weiteren Becken im Bereich der Rebflurbereinigung auf. "Sie sind alle voll bis auf eines", berichtet er. Am Nachmittag wird es ruhiger, der Regen hört auf. Im Feuerwehrhaus klingen mit Grillwürsten und einem kühlen Bier zwei anstrengende Tage aus. Der Sonntag ist sonnig, auch die Situation am Rückhaltebecken entspannt sich. Das Wasser steigt erst über den Spitzen- Pegel von 2011 und erreicht am Sonntag den Scheitelpunkt. "Jetzt ist der Pegel schon um 20 Zentimeter gefallen", berichtet Scherer gestern Nachmittag. Nach einem weiteren Einsatz am Überlaufbecken ist es ein ruhigerer Tag für die Feuerwehr: Entwarnung nach stressigen Tagen mit rund 50 Einsätzen, bei denen 90 Mann auf den Beinen waren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung