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06.06.2013

Lothar John dreht in Walldürn seine letzte Runde

Schriesheim/Walldürn. (sha/zg) Lederjacke, Lederhose, amerikanische Springerstiefel. Lothar John sieht fesch aus an diesem Tag im Sommer 1952. Doch das ist natürlich Nebensache, der 19-jährige Schriesheimer wartet beim "Odenwaldring-Rennen" in Buchen hoch konzentriert auf den Start seines ersten Motorradrennens.

Auf der BMW R 51/3 seines Vaters rast er schließlich auf den zweiten Platz - eine tolle Leistung für einen Neuling. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand weiß: Es ist der Auftakt einer langen Motorsportkarriere, die am Wochenende - 61 Jahre später - unweit der historischen Strecke beim Revival des Odenwaldring Rennens auf dem Flugplatz Walldürn ihren endgültigen Abschluss findet. "Ich drehe hier noch einmal ein, zwei Runden", sagt der mittlerweile 79-Jährige, dann werde er Motorräder nur noch anschauen, aber nicht mehr fahren.

Das war bis zum vergangenen Jahr noch ganz anders. Da saß Lothar John noch regelmäßig auf seiner "Maschine", schließlich wurde er von zahlreichen Veranstaltern eingeladen, um einige Runden mit der äußerst seltenen Solo-BMW vom TYP RS 54, von der im Entstehungsjahr 1954 nur 20 Exemplare gebaut wurden, zu drehen. Die Fans am Rande der Strecke waren begeistert.

Doch dann passierte es: Bei einer Klassik-Veranstaltung auf dem Stadtkurs in Schotten im Vogelsbergkreis stürzte der Veteran, war bewusstlos und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nach der Genesung stand sein Entschluss fest: "Ich höre auf!"

Hat denn seine Frau nie Angst um ihn gehabt? "Na ja", sagt John, "ich glaube schon, dass sie jetzt ein bisschen froh ist". Aber, betont der 79-Jährige, "sie hat mich immer zu den Rennen begleitet". Die Fans haben in Walldürn nun also letztmals Gelegenheit, die Bergsträßer Motorradlegende auf seiner BMW RS 54 live zu erleben. Mit diesem Motorrad holte er 1961 seinen ersten Weltmeisterpunkt mit einem sechsten Platz beim Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring.

Doch John hat noch viele weitere Erfolge vorzuweisen. Unter anderem einen zweiten Platz hinter Weltmeister Kent Andersson, ebenfalls beim Großen Preis von Deutschland 1969 in der Viertelliterklasse und einen neunten Rang im Gesamtklassement am Ende der Saison.

Zwei Jahre später holte er den zwölften WM-Rang in der 500-Kubik-Königsklasse mit vielen Top-Ten-Plätzen. Zwei Deutsche Meistertitel und drei Vizemeisterschaften rundeten die über 20 Jahre dauernde Rennkarriere des Schriesheimers ab.

Die Leidenschaft für Motorräder bekam Lothar John übrigens schon in die Wiege gelegt. Vater Willi hatte vor dem Krieg die Deutschland-Rundfahrt gewonnen, zu Hause standen immer einige Motorräder. Diese Begeisterung ging schließlich auch auf den Sohn über.

Trotz Vertreibung, Flucht und Neubeginn im Westen habe ihm sein Vater ermöglicht, dass er bereits mit 19 Jahren Rennen fahren konnte, berichtet John in einer Chronik, die anlässlich seines 70. Geburtstages 2003 erschienen ist. Auch die Mutter habe immer hinter dem Rennsport gestanden. Kein "Such Dir doch einen anderen Sport", kein Drängen, damit aufzuhören, schreibt John. Sie habe immer nur "Gib auf Dich Acht!" gesagt und das bei allen Helfern und Mitfahrern begehrte "Fresspaket" mit vielen Leckereien fertiggemacht.

Gäste im Hause John wissen übrigens sofort, dass der Hausherr mit dem Motorrad früher sehr erfolgreich seine Runden gedreht hat. Die zahlreichen silbernen und goldenen Pokale sind schließlich stets auf Hochglanz poliert.

Info: Odenwaldring Klassik, Flugplatz Walldürn, 7. bis 9. Juni.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung