Schriesheim im Bild 2023

02.08.2013

"Jetzt ist absehbar, dass es dem Ende zugeht"

"Jetzt ist absehbar, dass es dem Ende zugeht"

Von Stephanie Kuntermann

Foto Dorn

Schriesheim. "Tag, Mäuschen", begrüßt Polier Sven Götze "seine" Tunnelpatin Birgit Ibach-Höfer, als er aus dem frisch gesprengten Tunneldurchbruch steigt. Der Mineur ist damit zwar nicht unbedingt für den protokollarischen Höhepunkt zuständig, aber immerhin für die ersten Worte, nachdem Tageslicht in die östliche Tunnelöffnung gefallen ist.

Die Festredner sprechen nach Eröffnung durch die Jagdhornbläser von einem historischen Tag, die Techniker von "Epicto" - Firmenchef Michael Schenk hatte die Technik mit allen Schikanen kostenlos zur Verfügung gestellt - loben auf ihrer großen Bildschirmpräsentation den "Durchbruch". Diejenigen, die seit anderthalb Jahren am Tunnel gebaut haben, sehen den "Durchstich" etwas nüchterner. Helfried Kreiger, der erste Mineur, der aus der dunklen, etwa acht Grad kühlen Tunnelröhre ans Tageslicht steigt, findet das alles "ganz normal". Nach seinen Gefühlen an diesem Tag gefragt, vermutet er: "Das werde ich jetzt sicher zwanzigmal gefragt." Der Kärntner sieht den gestrigen Tag jedenfalls mit etwas Wehmut: "Denn es ist jetzt absehbar, dass es dem Ende zu geht."

Dr. Rudolf Kühner bezeichnet den Tunnelbau als "einen Sechser im Lotto", außerdem freut sich der frühere Regierungspräsident, der beim Anstich im Februar 2012 noch in offizieller Funktion dabei war, über den gelungenen Bauablauf: "Dafür muss man den Planern ein Kompliment machen." Er sei ganz entscheidend für Schriesheim und für die Region, freut sich CDU-Bundestagsabgeordneter Dr. Karl A. Lamers über den Tunnel: "Viele haben darauf gewartet." Einer, der Jahrzehnte dafür gekämpft hat, ist Wilhelm Weidner von der Talstraßen-Bürgerinitiative. Er kann wegen einer Erkrankung nicht an der Feier teilnehmen, wohl aber sein Mitstreiter Werner Merkel: "Wenn der Tunnel fertig ist, will ich mit dem Wilhelm auf dem Schlepper da durch fahren", kündigt er an und überlegt schon mal, wie er das Gefährt dekorieren will.

Merkel will mit dem Schlepper durchfahren

Er steht am Stand der Winzergenossenschaft, die neben Winzer Georg Bielig für die Versorgung der Besucher mit gut gekühlten Getränken zuständig ist. Schnell sind die Biergarnituren im Schatten der Sonnenschirme voll besetzt, während andere sich Infobroschüren vom "Mühlenhof" mitnehmen oder vor dem Stand von "Fath's Backwahn" auf Wildschweinbratwürstchen, Pommes oder eine Spezialität der Ursenbacher warten: Currywürste in einer selbst kreierten Soße. Hier, oberhalb der Baugrube am Ostportal, ist es wie bei einem kleinen Volksfest. Und obwohl einige Hundert gekommen sind, die den historischen Augenblick nicht verpassen wollten, läuft der Verkehr auf der Tal-straße reibungslos weiter.

Andere gucken sich das Geschehen im wahrsten Sinne des Wortes als Zaungäste an. Am gegenüber liegenden Bauzaun haben Besucher einen Regenschirm aufgespannt in der vergeblichen Hoffnung, sich gegen die sengende Sonne zu schützen.

"Am Zuspruch der Bevölkerung sieht man, wie sehr der Tunnel erwartet wird", kommentiert Landrat Stefan Dallinger, was er eine "Riesen-Entwicklungschance für Schriesheim" nennt und Ehrenbürger Peter Riehl "einen glücklichen Moment", an den er nie aufhörte zu glauben. Dieser Moment wird auf eine große LED-Leinwand übertragen, die im entscheidenden Moment des Tunneldurchstichs auch Bilder von drinnen zeigt: Langsam wird es dort heller, während der große Bohrer vorsichtig ein Stück Beton nach dem anderen aus dem Fels heraus operiert.

Als sie ans Tageslicht kommen, werden die Mineure von Ibach-Höfer mit eigens etikettiertem Wein, "Tunnelbrot" und Wurst beschenkt, ein Ritual, das an die Begrüßung von Neuankömmlingen mit Brot und Salz erinnert. Im Gegenzug erhält die Bürgermeister-Gattin symbolisch die Statue der Heiligen Barbara, die als Schutzheilige der Bergleute quasi als erste Frau den Tunnel durchquert hat.

"Es war für mich das erste Mal, es war ein schönes Gefühl, das mitzuerleben", sagt Bauleiter Ralph Eckerle im Wissen, dass dieser Tag sich in seinem Berufsleben wohl nicht wiederholen wird. Rechnet er doch nicht damit, noch einmal einen Tunnel zu bauen.

Gemeinsam mit den Arbeitern wird er vom Regierungspräsidium ins Hotel- Restaurant "Scheid" eingeladen, wo für 100 Personen inklusive der Festredner ein Buffet aufgebaut ist. Die fetzige Musik von "Gardenparty" ist auch hier zu hören. Hier wie dort wird mit "Tunnel-Gläsern" angestoßen, deren Aufschrift an das historische Ereignis erinnert. Der Erlös aus dem Verkauf der gefüllten soll für die Begrünung der Tunnel-Eingänge verwendet werden, ihre Aufschrift lautet: "Branichtunnel Durchschlag, 1. August 2013".


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung