Schriesheim im Bild 2023

01.09.2013

In sieben Tagen zu Fuß nach Berlin

Von Simon Michaelis

Schriesheim/Heidelberg. Wem um alles in der Welt würde es einfallen, mitten im Hochsommer im Sauna-Anzug die 487 Stufen derso genannten "Himmelsleiter" hinauf zum Schriesheimer Hausberg, dem Branich, zu stürmen? Björn Corsis bezeichnet sich selbst nicht als verrückt. Eines ist er aber definitiv: Extrem. Ab morgen macht er sich auf einen langen Weg: Vom Heidelberger Bismarckplatz aus will er es bis nach Berlin schaffen. Zu Fuß. 600 Kilometer - in sieben Tagen.

Für dieses Ziel arbeitet der Schriesheimer schon seit einem halben Jahr. Unter anderem im besagten Sauna-Anzug. Doch warum tut sich jemand diese Strapazen an? "Natürlich geht es mir um die sportliche Herausforderung. Was mich aber mindestens genauso reizt, ist, dass ich dabei ganz bei mir bin. Heutzutage wird das immer schwieriger. Ob du es willst oder nicht - du wirst von überall berieselt", sagt Corsis. Es gibt dabei aber auch noch einen weiteren Grund, der ihn auf die lange Deutschlandreise schickt: Vor zweieinhalb Jahren ist ihm die untere Rippe vom Brustbein abgerissen. Das habe ihn eineinhalb Jahre begleitet - noch zwei Mal sei die Rippe während dieser Zeit abgerissen, ein weiteres Mal angerissen. Inzwischen sei alles ausgeheilt. Corsis ist zurück im Leistungssport - und will sich selbst beweisen, dass er es noch kann.

Der heute 31-Jährige treibt seit Sport, seitdem er fünf war. Mit dem Ringen hat er damals angefangen - und es bis aufs Sportinternat in Schifferstadt geschafft. Kampfsporterfahrung hat er reichlich, im vergangenen Jahr errang er den Deutscher Meistertitel im Brazilian Jiu Jitsu. Doch der Kampf , dem er sich ab morgen stellt, wird ein anderer. Sein einziger Gegner ist dann er selbst.

Corsis zweifelt keine Sekunde an seinem Projekt. "Alles ist bestens durchorganisiert. Der Lauf ist längst keine Schnapsidee mehr." Anfangs war es das vielleicht noch - irgendwie. Die Idee kam ihm, als er sich mit einem Freund über Marathons unterhielt, und ging ihm seither nicht mehr aus dem Kopf. So begann er für sein großes Ziel zu trainieren: Laufen, laufen, laufen - aber auch schwimmen, Krafttraining oder eben Treppen steigen.

Seither lebt Björn Corsis für diese 600 Kilometer. Sogar nachts. "Ich habe einen polyzyklischen Schlafrhythmus." Corsis schläft nicht mehr als vier Stunden am Stück. Wenn er unterwegs ist, läuft er vier Stunden und macht dann eine Strunde Pause. In der wird gegessen, getrunken und geschlafen. Länger als vier Stunden am Stück gönnt er sich keine Ruhe. Schlafen könne er überall. Durch seinen Schlafsack, die Routenführung und seinen Schlafrhythmus sei er flexibel.

Corsis bereitet sich seine eigenen Haferflockenriegel zu. Ansonsten greift er zum Kohlenhydratpulver. Getrunken wird nur Wasser. Am ersten Tag begleitet ihn ein Freund auf dem Fahrrad. Am zweiten Tag wird er von einem Autofahrer mit Nachschub beliefert. Danach ist er voll und ganz auf sich gestellt.

Seine größte Angst? "Eigentlich mache ich mir nur etwas Sorgen, dass ich angefahren werde. Manchmal laufe ich direkt an Schnellstraßen entlang. Das ist nicht ganz ungefährlich." Sollte tatsächlich etwas passieren, hat er zwei Bekannte, die abrufbereit sind und ihm - aus seiner Heimatstadt oder Berlin - mit dem Auto zur Hilfe kommen könnten. Ein GPS-Gerät sorgt dafür, dass er nicht vom Weg abkommt.

Wenn Corsis keinen Sport treibt, studiert er Betriebswirtschaftslehre. Ein Produkt- und Modedesignstudium hat er 2009 in San Fransisco abgeschlossen.

Corsis kann den Start kaum erwarten. "Ich werde Deutschland aus einer ganz anderen Perspektive sehen, was ich auch mit meiner Kamera festhalten werde." Den ersten Lauftag filmt er komplett und stellt das Video dann - im Zeitraffer - auf seine Internetseite (www.facebook.com/600in7). Gegen Langeweile hat er einen Mp3-Player im Gepäck. Mehr noch als Musik will er damit aber Hörbücher abspielen.

Und was wird er als erstes machen, wenn er am 7. September in Berlin ankommt - fast zehn Kilo leichter? "Den Ernährungsplan über den Haufen werfen und einen Känguru-Burger essen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung