Schriesheim im Bild 2023

01.10.2013

John Lee Bird in Schriesheim: Nichts ist vollendet - alles ist im Fluss

John Lee Bird und die Installation 'E.Pit.O.Me'. Seine Arbeiten werden zurzeit in Schriesheim ausgestellt. Foto: Peter Dorn

Von Heide Seele

Der kryptisch klingende Titel der Ausstellung bezeichnet zugleich eine Installation im Obergeschoss. Sie umfasst achtzig collagierte Zeichnungen im Format 15x24 cm und setzt das Prozedere der "Normal"-Serie fort. Unter " E.Pit.O.Me" kann sich freilich kaum jemand etwas vorstellen, lässt man aber die Punkte weg, ergibt sich ein griechischer Begriff. Er bezeichnet den kurzen Auszug aus einem umfangreichen Werk.

Weshalb John Lee Bird ausgerechnet dieses Label für seine Ausstellung wählte, wird dem Besucher beim Rundgang klar, und dies nicht nur bei der Serie, die diesen Titel trägt. Im Grunde will der 1975 im englischen Ipswich geborene und heute in London lebende Künstler Erinnerung festhalten, nicht im Wort, sondern mit den Mitteln der Kunst. Die genannte Installation windet sich mit einem silbernen Seil bis an die Decke an und könnte damit auch menschliche Erwartung symbolisieren.

John Lee Bird gestattet mit dieser im Museum Théo Kerg in Schriesheim gezeigten Arbeit einen guten Einblick in seine Denk- und Kunstwelt, denn in seinen Mischtechniken bewahrt er Vergangenes auf, darunter auch Autobiografisches. In zwei Etagen erhält der Besucher einen Eindruck von den "gesammelten Reflexionen" des Briten, die sich in bildkünstlerischen Werken niederschlagen. Wie lässt sich Erinnerung festhalten? Diese Frage treibt gewöhnlich Ältere um.

Der noch relativ junge John Lee Bird fing dagegen zeitig an, die Spuren seines Lebens zu verfolgen. Statt eines Tagebuchs benutzt er zu diesem Zweck Leinwand, Papier und Farben. Besonders augenfällig wird sein dokumentarisches Bestreben bei der Memento-mori-Serie, die er einem 2004 verstorbenen Freund widmete. Kaum zu übersehen, dass er in diesem Triptychon die Präsidentenköpfe vom steinernen Mount-Rushmore-Denkmal in Colorado zitiert. Was sich unter den Schichten dieses gemalten Epitaphs verbirgt, das am liebsten genauso monumental wäre wie das amerikanische Vorbild, lässt sich nur ahnen.

Vielschichtig im Wortsinn sind alle Exponate, und sie sind nicht leicht zu deuten, sondern verlangen vom Betrachter Einfühlung und Geduld, aber die bringt man gerne auf, um hinter ihre Oberflächen zu schauen. Auffallend häufig tauchen in Birds collagierten Arbeiten Zeitungsfetzen auf. Diese mediale Anspielung hat eine lange Tradition. In einer der Mischtechniken sind die gedruckten Spalten hinter linearen Verläufen und einem Gemisch aus Grafit, Acryl, Emulsion, Kaffee und Glanzlack zu erkennen.

Wie absichtlich unvollendet muten die seriell gehängten collagierten Porträts an, und die Fotos von Personen oder Körperfragmenten sind wohl aus Illustrierten ausgeschnitten. Sie tragen auch mal surreale Züge, wie jener Kopf, der teils einer Frau, teils einem Säugling zu gehören scheint.

Bird ist ein guter Zeichner und ein erfahrener Collagist und setzt mit Vorliebe auf den Ausschnitt. Das Fragmentarische scheint zur Lebensphilosophie des Engländers zu gehören. Nichts ist vollendet, alles ist im Fluss. Erwähnenswert sind auch die Vitrine mit Künstlerbüchern und die collagierten Zeichnungen auf Postkarten.

Bei der Vernissage begrüßte Lynn Schoene, die Leiterin des Museums, die zahlreich erschienenen Gäste, und Katharina Hoge stellte den Künstler angemessen vor.

Info: Museum Théo Kerg in Schriesheim, Talstraße 52, bis 3. November.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung