Schriesheim im Bild 2023

07.10.2013

"Schätze können das Leben zerstören"

Schriesheim. (sk) Zu den Erntedank- Traditionen gehört das Schmücken von Kirchen und Altären mit allem, was derzeit auf den Feldern wächst. So wurde auch die evangelische Stadtkirche für den gestrigen Erntedank-Gottesdienst wunderschön herausgeputzt mit dicken Sonnenblumen-Sträußen, Äpfeln, Broten, Maispflanzen und einem Ährenkranz über dem Altar.

Dazu trugen Kirchen- und Posaunenchor, zum Teil gemeinsam mit den Gottesdienstbesuchern, Lieder vor wie "Wir pflügen und wir streuen" oder "Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit", begleitet von Organist Dr. Martin Fitzer, der mit seiner kleinen Orgel nach dem Ausbau der historischen Kirchenorgel quasi in die Mitte der Gemeinde gerückt war. Auf den ersten Blick wollte die Predigt von Pfarrer Lothar Mößner gar nicht zum Szenario passen, wählte er doch Worte aus der Bergpredigt, in denen Jesus die Menschen warnte, zu viele irdische Schätze zu sammeln.

"Schätze können das Leben eines Menschen zerstören", erinnerte der Geistliche an Tolkiens Romantrilogie "Herr der Ringe". Die tragische Figur des Hobbits Gollum, der dem mächtigen Zauberring verfällt und für ihn sogar tötet, war für Mößner Sinnbild für den verhängnisvollen Einfluss materieller Dinge. Die Gedanken Gollums kreisen nur noch um den Ring, mit dem man die Welt beherrschen und den Lauf der Dinge ändern kann, er träumt den Traum von Macht und Einfluss: "Man hat die Dinge nicht einfach so, oft haben die Dinge auch uns." Trotzdem gehe es Jesus nicht um radikale Armut oder Besitzlosigkeit, auch wenn die Menschen ihr Herz oft an Dinge, einen anderen Menschen oder ihre Gesundheit hängen. "Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz", zitierte Mößner aus der Bibel eine "Herzensfrage". Der Mensch müsse nicht unbedingt in diesem Spannungsfeld leben, ohne sich an andere Menschen oder an Dinge zu binden.

Trotzdem: "Wer die Sehnsucht nach dem Großen verliert, handelt sich Sorgen um das Kleine ein." Damit könne man sein ganzes Leben füllen, aber auch sein ganzes Leben verspielen. Wenn der Lebenssinn nur noch im Haben, Bekommen oder Genießen von Dingen bestehe, was würde übrig bleiben für die, die daran nicht teilhaben könnten? Hätte deren Leben dann keinen Sinn mehr? In der "Aussichtslosigkeit unserer Moderne" verwies der Pfarrer aber auf den Glauben und zitierte aus dem Kolosserbrief das Geheimnis des Glaubens, das in Jesus liege.

Zum Schluss bezog sich Mößner auf die Flüchtlingskatastrophe vor der italienischen Insel Lampedusa: Würden die Menschen nicht zu sehr an materiellen Dingen hängen, müssten sie auch keine Angst haben, dass andere aus dem Süden kommen und ihnen alles wegnehmen wollten, dann müsste auch niemand mehr Grenzzäune errichten.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung