Schriesheim im Bild 2023

02.12.2013

Wahlkampf in Schriesheim: Einige Stuhlreihen blieben leer

Wahlkampf in Schriesheim: Einige Stuhlreihen blieben leer

Die Bürgermeisterkandidaten Michael Becker, Peter Weinkötz und Hansjörg Höfer (auf dem Podium von links) am Dienstagabend in der Altenbacher Mehrweckhalle bei ihrer amtlichen Vorstellung. Der vierte Bewerber, Michael König, fehlte auch hier. Foto: Dorn

Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim-Altenbach. Die entscheidende Frage war zugleich die letzte, die an diesem Abend gestellt wurde. Es war kurz vor halb elf, als der Altenbacher Gerhard Schäfer die Gretchenfrage des aktuellen Bürgermeisterwahlkampfs an Kandidat Michael Becker richtete: "Wie steht es mit Ihrer politischen Gesinnung?" Und damit dessen frühere Mitgliedschaft in drei Parteien meinte.

"Ich habe schon Angst gehabt, dass die Frage gar nicht kommt", ging Becker darauf ein. Hatte ihn doch seine einstige Zugehörigkeit zu AfD und der Partei "Die Freiheit", zu denen er sich erst kürzlich bekannte, die Unterstützung von CDU, Freien Wählern und FDP gekostet.

Der CDU sei er beigetreten, nachdem er in den Eppelheimer Gemeinderat gewählt wurde, erklärte Becker. Die beiden anderen Parteien hätten ihn interessiert, weil sie junge Parteien gewesen seien: Eine Bemerkung, die beim Publikum in der Altenbacher Mehrzweckhalle für ungläubiges Kopfschütteln sorgte.

Es habe damals noch kein Programm bei der "Freiheit" gegeben. Als es vorgelegen habe, sei er ausgetreten: "Weil sich die Partei in eine Richtung entwickelt hat, die ich nicht wollte." Er wolle mit allen Parteien und Gremien sprechen: "Ich will mich nie mehr politisch engagieren. Der Wahlkampf ist für mich leider auf diese Parteimitgliedschaften reduziert worden."

Die dritte der drei städtischen Vorstellungsrunden war zugleich die letzte Gelegenheit, in öffentlichem Rahmen über den Wahlkampf und die Ziele der Kandidaten Becker, Peter Weinkötz und Amtsinhaber Hansjörg Höfer zu sprechen. Nicht viele Altenbacher nahmen sie wahr, einige Stuhlreihen blieben an diesem Abend leer. Wer gekommen war, fror und ließ in der bitterkalten Halle seinen Mantel an.

Nach einer routinierten Vorstellung der drei Kandidaten mit Schwerpunkt auf Altenbacher Themen geriet die langsam tröpfelnde Fragerunde immer mehr zu einer Art ethischem und weltpolitischem Rundumschlag, wie er in dieser Form noch nicht im Wahlkampf vorkam: Mal (unfreiwillig) komisch, mal banal, mal aber auch tief- und hintergründig fielen die Antworten auf die großen Fragen aus, die sich die Bürger für diese Schlussveranstaltung aufgehoben hatten.

Einstieg war die Frage von Diakon Klaus Nagel nach der Konfession der Kandidaten und wie sie die im Alltag lebten. Ursprünglich Katholik und Mitglied der "Linken", hob Weinkötz die Bedeutung der Kirchen hervor. Der bekennende Sozialist verortete ganz ähnliche Werte beim katholischen Pfarrer Ronny Baier, dessen Amtsblatt-Beiträge ihm gefielen: "Er könnte einer von uns sein, wenn er nicht schon anderswo vergeben wäre." Gleichgesinnte vermutete er sogar noch ein paar Hierarchie-Ebenen weiter oben: "Wahrscheinlich war Jesus der erste Sozialist."

Als Eva-Maria Arras das Thema demografischer Wandel ansprach, wurde Bürgermeister Hansjörg Höfer grundsätzlich: "Die Älteren sind die Chance und die Zukunft unserer Gesellschaft." Vereine würden ohne die Älteren und ihre Arbeit bald nicht mehr existieren können. Zuvor äußerte sich Höfer noch zum Ortsmittelpunkt und zu Vorwürfen des Stillstands, die im Vorfeld gegen ihn erhoben wurden: "Die, die mich am lautesten kritisiert haben, hätten damals sofort mit dem Bauen begonnen. Ich habe mich quergestellt." Da es eine Förderung nur vor dem Baustart gab.

Die Altenbacher beschäftigte zudem Alltägliches: Ärger über Motorräder, einen fehlenden Radweg zur Kernstadt oder schlechte Internetverbindungen, zudem wurde die Frage eines Verkehrskonzepts nach Öffnung des Branichtunnels erörtert. Im Mittelpunkt stand eine Zahl, die Höfer eingangs nannte: die Verringerung der Einwohnerzahl Altenbachs um 400 Menschen. Was die Frage zu politischen Visionen für das Jahr 2033 provozierte.

Bei Becker waren das umfassende Sanierungen und eine bessere Einbindung der Ortsteile, bei Höfer Ökostrom, sanierte Gebäude oder ein besserer ÖPNV und bei Weinkötz eine energieautarke Stadt mit eigenen Blockheizkraftwerken. Und, im Falle Altenbachs, vielleicht einer bürgerschaftlich betriebenen Brauerei.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung