Schriesheim im Bild 2023

02.12.2013

Was ist da los in Schriesheim?

Was ist da los in Schriesheim?

Von links: Bürgermeister Hansjörg Höfer und seine Herausforderer Peter Weinkötz und Michael Becker bei der amtlichen Kandidatenvorstellung in Schriesheim. Foto: Dorn

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Viele Stuhlreihen blieben leer in der Altenbacher Mehrzweckhalle. Es war die dritte und letzte Runde der amtlichen Kandidatenvorstellungen zur Schriesheimer Bürgermeisterwahl. In der Kernstadt und im Ortsteil Ursenbach hatten Amtsinhaber Hansjörg Höfer und seine Herausforderer, der Schriesheimer Ex-Linke Peter Weinkötz und Michael Becker aus Eppelheim, schon vorgesprochen. Kandidat Michael König von der Partei "Nein-Idee" erschien nie in Schriesheim. Also auch jetzt nicht, im größeren der beiden Odenwald-Ortsteile, wo sich der Eindruck verfestigte, dass die Bürger froh sind, wenn an diesem Sonntag endlich gewählt wird.

Zumal dieser Wahlkampf eigentlich schon seit dem vergangenen Wochenende vorbei ist. Wurde zuvor wenigstens ein bisschen über die Schriesheimer Zukunftsthemen gesprochen, konzentrierte sich danach das Ortsgespräch mehr und mehr auf die Person Michael Becker. Hatte die Tatsache, dass seine Frau eine Agentur zur Beratung von Bürgermeisterkandidaten führt, noch für Schmunzeln gesorgt, kam es aufgrund des politischen Vorlebens Beckers zum handfesten Eklat. Der Eppelheimer Stadtrat und Ex-Christdemokrat hatte seinen Unterstützern von CDU, Freien Wählern und FDP in Schriesheim verschwiegen, dass er 2011 stellvertretender Landesvorsitzender der als rechtspopulistisch eingestuften Splitterpartei "Die Freiheit" war. Auch hatte er zurückgehalten, dass er sich dieses Jahr in der Partei AfD für einen Landeslistenplatz bei der Bundestagswahl beworben hatte.

In Kenntnis davon, dass die Rhein-Neckar-Zeitung über diese Informationen verfügt, trat Becker vergangenen Freitag bei der Kandidatenvorstellung in Schriesheim die Flucht nach vorne an und machte seine ehemaligen Parteimitgliedschaften umfassend öffentlich.

Die "Bürgerlichen" entzogen ihm daraufhin noch am gleichen Abend das Vertrauen und die Hilfe im Wahlkampf. Eine Blamage für die drei Parteien, von denen viele Schriesheimer einen Fachmann, einen echten Herausforderer für Höfer, erwartet hatten.

Doch die Kandidatensuche gestaltete sich schwierig. Und dann kam Becker.

1400 haben bereits gewählt

Nach dessen Bekenntnissen rief die SPD im Ort offen dazu auf, ihm die Stimme zu verweigern. Und die Grünen, die sich schon im Vorfeld auf ihr ehemaliges Fraktionsmitglied Höfer festgelegt hatten, nannten Becker schlicht "nicht mehr wählbar".

Dieser setzte gleich samstagmorgens eine Presseerklärung auf, in der er seinen Rückzug von allen Wahlkampfaktivitäten bekannt geben wollte. Nachmittags entschied er sich anders. "Sauber und ordentlich" wolle er den Wahlkampf zu Ende bringen und sich "dem öffentlichen Druck nicht geschlagen geben". Der gelernte Elektromeister machte also weiter, und auch in den Nachbargemeinden fragte man sich: "Was ist da los in Schriesheim?". Nachdem seine ganze politische Vita ans Licht gekommen war, meldeten sich bei der Stadtverwaltung einige Briefwähler. Sie hatten schon vorher abgestimmt und wollten ihre Wahl nun rückgängig machen. Doch das sieht das Kommunalwahlrecht nicht vor. Bis gestern hatten bereits 1400 der 11.840 Wahlberechtigten ihr Votum abgegeben.

Auch Peter Weinkötz sorgte für Aufsehen. Nicht selten bewies er bei öffentlichen Auftritten Witz und Selbstironie. Und nicht jede Idee seines öko-sozialen Programms klang abwegig. Für Staunen sorgte jedoch seine Ankündigung einer Verfassungsklage gegen die Entscheidung der Stadtverwaltung, keine Wahlkampfveranstaltungen außer den eigenen in öffentlichen Gebäuden zuzulassen sowie jede Art und Form der Aussage zur Bürgermeisterwahl in Räumen der Stadt zu untersagen. Es sei fragwürdig, wie eine Stadt einfach für ein halbes Jahr die Freiheitsrechte des Grundgesetzes aushebeln könne, so Weinkötz.

Hansjörg Höfer schweigt zu allem und konzentriert sich auf sich selbst. Der Bürgermeister, der für eine zweite Amtszeit kandidiert, konnte im Wahlkampf recht unbehelligt die positiven Entwicklungen in den letzten acht Jahren für sich beanspruchen und seine Ziele formulieren. Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass es gerade Becker war, der dafür sorgte, dass sich die Reihen hinter Höfer, dem "Schriesemer Bu" und gelernten Bäckermeister, zuletzt nur noch enger schlossen. Wie eng, wird man am Sonntag sehen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung